Mittwoch, 18. August 2021

Warum es wichtig ist auch "ungute" Gefühle zuzulassen

 

                                                                Foto: A. Wende

Viele von uns glauben, Selbstvertrauen bedeutet die Abwesenheit von Ängsten, Zweifeln und von Gefühlen der Unsicherheit. Wenn unangenehme Gedanken und Gefühle aufkommen, versuchen wir sie schnell wieder in den Griff zu bekommen, oder wir tun alles um sie zu unterdrücken. Anders ausgedrückt: Wir laufen vor ihnen weg. Aber, kann man noch von Selbstvertrauen sprechen, wenn wir uns selbst so wenig zutrauen, dass wir vor den eigenen Gefühlen weglaufen?
 
Selbstvertrauen bedeutet, sich den eigenen Gedanken und Gefühlen zu stellen, auch wenn sie unangenehm oder lästig sind. 
Gerade "ungute" Emotionen sind gute Wegbereiter, denn meist haben sie einen tieferliegenden Grund. In diesem Sinne gibt es keine unguten Gefühle.
Wenn uns zum Beispiel etwas traurig macht, dann ist es sinnvoll, die Trauer auch zu spüren und ihr Raum zu geben. Wir müssen ein Gefühl nicht sofort verändern, denn es hat seine Berechtigung. Es ist viel hilfreicher es anzunehmen, denn es hat ja eine Botschaft. Es will, dass wir uns um uns kümmern, dass wir fürsorglich mit uns sind und uns Zeit geben es zu verarbeiten.
Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einer Klientin, deren Kinder das Haus verlassen haben. Das Nest ist leer. Auch im Job hat sie weniger zu tun. Es ist sehr still geworden um sie. Das Stillwerden irritiert sie. Sie ist eine „Macherin“. Sie ist es gewohnt immer aktiv zu sein und gebraucht zu werden. Jetzt ist da nur noch sie in einem leeren Haus. Das macht ihr zu schaffen. Sie weiß nicht wie sie damit umgehen soll. Ihr altes Selbstvertrauen bröckelt. Immer öfter kommen Gefühle hoch von Verlassensein, Angst vor der Zukunft, Angst vor Einsamkeit. Sie sagt: Ich halte das nicht aus. Ich muss etwas machen. Aber sie weiß nicht was. 
 
Sie muss etwas "machen" um den unguten Gefühlen davonzulaufen.
Was meine Klientin lernen darf, ist unter anderem das Loslassen von der Erwartung an sich selbst immer etwas "machen" zu müssen.
Vielleicht, sage ich, könnten sie einfach mal innehalten, hören, lauschen, sehen, fühlen, sich selbst spüren, spüren, was sie lange nicht gespürt haben. Und auf die Ankunft des richtigen Moments warten, um wieder aktiv zu sein. Die Gefühle aushalten, die aufkommen und sie beobachten. 
 
Es macht Sinn zu erforschen, was hinter unseren Gefühlen steckt, denn es sind meist Bedürfnisse, die in der Vergangenheit nicht erfüllt wurden oder im Jetzt nicht erfüllt sind. Wenn wir uns erlauben uns mit unseren Gefühlen auseinanderzusetzen schenkt uns das nicht nur tiefere Erkenntnisse über uns selbst, es unterstützt auch unseren Seelenfrieden. Seelenfrieden bedeutet auch: Wir müssen nicht ständig etwas "machen."Wir dürfen auch einfach "sein".

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