Sonntag, 4. April 2021

Auferstehen

 

                                                                    Foto: A. Wende


Heute feiern wir Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu von den Toten. Die Wiedergeburt des Gottessohnes als Sieg über den Tod. Mit dem Auferstehungsglauben verbindet sich für viele gläubige Menschen die Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort über das Leben hat, dass unser Dasein nicht endlich ist, dass es da mehr gibt als das eine Leben, das mit dem Tod endet.
Christus selbst ist das Licht der Welt, das mit der Osterkerze in die Kirchen hineingetragen wird. Bei der Weihe der Kerze in der Osternacht ritzt der Pfarrer ein Kreuz in die Kerze. Über dem Längsbalken befindet sich der erste Buchstabe des griechischen Alphabets, Alpha, darunter der letzte Buchstabe, das Omega - Anfang und Ende, der ewige Kreislauf des Lebens. 
 
„Ich habe vergessen wie Leben geht“, sagte gestern ein wunderbarer Mensch zu mir. Ich fragte den wunderbaren Menschen, was er liebt. Er fand keine Antwort. Er fand sie nicht, weil er Liebe in diesem Moment in der Zeit nicht fühlen kann. Da ist zu viel, was ihn traurig macht, zu viel was verloren ist, zu viel Enttäuschung und Bitterkeit, die das Herz vor lauter Kummer und Leid verschließt.
„Es geht vorüber“, sagte ich. Weil ich weiß, dass es vorüber geht, weil alles einen Anfang und ein Ende hat, weil nichts bleibt wie es ist. 
 
Aber ist das wirklich wahr? Die Trauer, geht auch sie vorbei?, frage ich mich heute an diesem Ostersonntagmorgen. Hat auch die Trauer ein Ende? Trauer, die kein Ende findet, ist ein Sterben im Leben und da ist kein Gefühl, das die Kraft hat, diese Trauer zu besänftigen. Trauern heißt Wertvolles verloren zu haben, unwiederbringlich verloren, einen Menschen, einen Traum, eine Lebenskonstruktion. Asche zu Asche, Staub zu Staub, in der Hoffnung, was wir lieben, möge nicht vom Winde verweht werden, in der Hoffnung es möge das ewige Leben geben, Alpha und Omega.
 
„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“, steht es im Korinther 13 zu lesen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es von diesen dreien immer weniger in dieser Welt gibt.  
Da ist zu viel, was die Liebe in Frage stellt, zu viel, was den Glauben erschüttert und zu wenig um die Hoffnung halten zu können, angesichts all dessen, was wir in diesen Zeiten erleben müssen. 
Es herrscht eine Pandemie in der Welt. Es ist Krieg in der Welt, nicht nur in Syrien und anderswo, weit weg von uns. Es ist Krieg, hinter geschlossenen Haustüren, vor unserer Haustür, unter den Menschen, die sich angiften und streiten und sich spalten. Und er vernichtet mehr und mehr die Hoffnung, dass die Trauer um die Zerstörung mit der wir leben müssen, ein Ende hat. Nichts ist mehr sicher, wir sind nicht sicher und wir alle wissen es und spüren es und wir fühlen uns machtlos ob des Zerstörerischen, was da draußen sein Unwesen treibt. Die Angst wächst und mit ihr verlieren die Menschen den Glauben und die Hoffnung, dass all das ein gutes Ende haben kann. Der Boden auf dem wir gehen ist brüchig, der Glaube an das Gute bröckelt, die Hoffnung eine fragwürdige Größe.
Was bleibt?, frage ich mich. 
 
Was bleibt ist die Liebe, ...die Liebe ist die größte unter ihnen ... 
Die Liebe ist das Einzige an das wir uns halten können, wenn alles zusammenbricht.
Aber kann sie heilen, kann Liebe diese Welt heilen, kann Liebe all das Leid, das tagtäglich im Großen und im Kleinen geschieht, von uns nehmen? Kann die Liebe unsere Trauer beenden? Unsere Wirklichkeit zeigt uns: sie kann es nicht. Nicht einmal jetzt kann sie es, wo wir längst begreifen müssten, dass wir so lieblos uns selbst, unserem Nächsten und unserem Planeten gegenüber, nicht weiter machen können. 
 
Ohne Liebe ist alles nichts.
Liebe ist die stärkste Kraft, auch in der Trauer ist sie das. Sie ist das, was uns am Leben hält – die Liebe zum Leben selbst, so wie es ist das Leben, jetzt in diesem Moment in der Zeit, mit allem was ist, denn Alles ist mehr als das Leid, alles ist auch das, was außer dem Leid ist - die Schönheit einer Blume, das Grün der aufblühenden Bäume, der Spaziergang im Wald, das Lächeln unserer Kinder, die Umarmung eines Menschen, den wir lieben, liebevolle Güte unserem Nächsten gegenüber, unser Atem, der fließt, ohne unser Zutun und, über all diese kleinen Dinge hinaus – das, was wir lieben, eine Vision, die wir in uns tragen und verfolgen, egal wie unmöglich sie uns in Momenten der Trauer erscheinen mag – das ist Liebe zum Leben. 
 
Liebe zum Leben ist ein Ja zum Leben.
Auf (er) stehen, jeden Tag aufs Neue, so lange wir leben auch in dunklen Zeiten. Und was das Leben über den Tod hinaus angeht, darüber nachzudenken macht keinen Sinn. Wir werden sehen oder nicht. Entscheidend ist das, was wir im Hier und Jetzt tun. Dafür ist Jesus ein Beispiel, er ist gelebte Liebe. 
 
Ich wünsche Euch liebevolle Ostern!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen