Sonntag, 21. Dezember 2014

Mutter II




Es gibt Tage, da leide ich noch immer unter den vernichtenden Worten meiner Mutter, die, seit ich denken kann, meine Selbstachtung in den Boden gestampft haben. Sie klingen mir in den Ohren, immer dann, wenn ich doch eigentlich glücklich sein könnte. Es ist mir bis heute nicht vollends gelungen mich dem Käfig der Erinnerungen zu entziehen. Ein Teil von mir glaubt ihr, und ein anderer weiß, dass sie Unrecht hatte. Meine Mutter konnte gut vergessen. Wenn ich ihr die Glaubenssätze wiederholte, die sie mir eingeimpft hatte, die mich klein und kleiner gemacht hatten, weigerte sie sich mich zu verstehen. Sie legte sich alles zurecht, wie es in ihr Bild von Leben passte. Meine Worte hatten für sie keinen Wert, sie blieb bei ihren Überzeugungen und so musste sie nichts, aber auch nichts einsehen, was ihre Realität hätte ins Wanken geraten lassen könnte. Manchmal bedauere ich, dass ich diese Gabe nicht besitze.

Ich glaube zu wissen was ich will, aber ich tue es nicht, ich glaube zu wissen, wer ich bin, aber ich bin es nicht, ich glaube zu wissen, wohin ich gehe, aber ich vertraue dem Weg nicht, ich bin mir in nichts sicher, das macht mich manchmal schwach. Ich stelle mir vor, wie es sein könnte, wenn ich endlich erwachsen wäre, ihr entwachsen wäre und ich frage mich, was ich dazu brauche, um diesem Schatten zu entkommen. Ich bin ein Unglücksrabe, der ein Adler hätte sein können, hätte man ihn in ein anderes Nest gelegt. Aber vielleicht habe ich genau diese Mutter, um die zu werden, die ich bin. 
Gottes Geschenk an uns sind Möglichkeiten. Aber ist es möglich unseren dunkelsten Schatten vollends zu integrieren, ihn anzuerkennen und so zu sein wie wir gedacht sind, ganz am Anfang? Ich blicke aus dem Fenster. Draußen herrscht das dichte Dunkel des Winters. Die Konturen der Bäume sind verhärtet, ihre Kronen sind zu kantigen Ecken verformt und ich denke: Mutter, wenn du wüsstest, wie schmerzhaft deine harten Kanten mein Leben in zwei Teile spalten, was wäre anders?

Kann man dankbar sein mit dem was ist und zugleich untröstlich?  Eine Träne rollt über meine Wange. Ich fange sie mit den Lippen auf. Sie schmeckt nach Salz. Du bist jetzt erwachsen, höre ich mein Leben sagen, du kannst dich lösen, von dem, was dich festhält, hab Geduld, dein Wollen wird wirken.

2 Kommentare:

  1. Bethany Webster bringt viele dieser Probleme mit dem Muttersein im Patriarchat in Verbindung. Kennst du ihren Blog? ich finde ihre Texte sehr schlüssig und hilfreich. Vieles deckt sich mit meinen Erfahrungen. Leider in englischer Sprache. Letzter Blogeintrag passt gut zu deinem Text heute: http://womboflight.com/2014/12/21/the-rupture-of-the-mother-line-and-the-cost-of-becoming-real/
    Liebe Grüße
    Elisabeth

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  2. "We can’t heal our mothers and we can’t make them see us accurately, no matter how hard we try. What brings the healing is grieving. We have to grieve for ourselves and for our mother line. This grief brings incredible freedom."
    das ist es, was ich tue.
    danke, liebe elisabeth für den tipp!

    herzlich,
    angelika

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