Freitag, 20. Juni 2014

Aus der Praxis – Wie veränderbar ist Verhalten?

 



in real life
people say one thing
then they'll do another
now and then
no big surprise
happens all the time
in real life

so lautet eine textzeile aus einem lied von randy crawford. es ist genauso wie sie singt, im richtigen leben sagen die leute etwas und dann tun sie etwas anderes. im richtigen leben machen die leute versprechungen und dann tun sie etwas anderes. im richtigen leben versprechen die leute sich sogar selbst etwas und tun etwas anderes.

now and then
no big suprise
happens all of the time in real life

ja, keine große überraschung und mich wundert schon lange nichts mehr.
der mensch ist weitgehend unveränderbar. traurig aber wahr. so wahr, dass ich fast aufhören könnte an das zu glauben, was ich tue. aber auch ich bin eben unveränderbar, weil ich es trotzdem weiter tue. das ist eine wahrheit, die mich an manchen tagen niederdrückt und dann wieder doch nicht, denn wie alle menschen, die sich einer sache verschrieben haben, gebe ich erst auf, wenn ich gescheitert bin, in meinem falle wäre das die einsicht in die vergeblichkeit meines tuns.

mein glaube an die veränderbarkeit allerdings ist nach langen jahren und viel erfahrung doch ziemlich erschüttert. ich selbst bin mein bestes fallbeispiel, denn was gibt es sinnloseres, als an etwas zu glauben und sich für etwas mit herzblut zu engagieren, was sowieso nicht oder nur in den wenigsten fällen gelingt. ich hätte da längst etwas ändern müssen in dem, was ich tue, um mich nicht abzurackern an einer aufgabe, die per se vergeblich ist.  aber ich bin nicht gänzlich unveränderbar, ich lerne gerade dazu, denn mehr als das wie der veränderbarkeit interessieren mich mittlerweile die ursachen, die der unveränderbarkeit zugrund liegen, die gründe, warum menschen so sind wie sie sind und die erfahrungen und erlebnisse im leben, die diese gründe schaffen. ob mich das weiter bringt? ich weiß es noch nicht und wohin mich das bringt, werde ich sehen.

um zum punkt zu kommen, wir kennen das alle. wir wissen genau, dass ein bestimmtes verhalten uns selbst oder/und anderen schadet und können es partout nicht lassen. bei vielen menschen kommt irgendwann der tag an dem beschlossen wird: "jetzt reicht es". der eine will aufhören alkohol zu trinken, weil er ihm fühlbar nicht gut tut und verspricht sich das selbst und denen, die es genauso wahrnehmen, aber schon ein paar tage später greift er wieder zum gläschen der kleinen ausnahme und dann dauert es nicht lange, bis aus der ausnahme wieder die regel wird. die andere weiß um ihre hohen cholesterinwerte und schwört sich hoch und heilig endlich das fette zeug aus dem speiseplan zu streichen und versagt schon an der nächstbesten wurstbude, weil es halt so lecker riecht und so gut schmeckt. der nächste wird von einer krankheit getroffen und begreift, das ist ein schmerzhaftes zeichen dafür, dass es höchste zeit ist endlich ordnung in sein seelenleben zu bringen und gut für sich selbst sorgen und landet, kaum ist er wieder einigermaßen hergestellt, prompt im gleichen hamsterrad, aus dem ihn sein kluger körper herauskatapultiert hat. wie blöd ist der mensch eigentlich, könnte man sich fragen. ich könnte noch unendlich viele beispiele anführen um zu untermauern, dass des menschen geist willig ist, sein fleisch jedoch schwach. ich selbst schaffe es ja auch nicht endlich zum sport zu gehen oder das rauchen zu lassen, obwohl ich weiß, dass mir das gut täte. aber, der mensch bleibt meistens genau da stehen wo sein verhalten so alt ist wie er selbst –  no big surprise.

aber was ist das, was die mehrzahl der menschen ein verhalten beibehalten lässt, das ihnen schlichtweg schadet und was ist der tiefere grund, weshalb menschliches verhalten so schwer veränderbar ist?

die ganzen psychologischen ratgeber gaukeln uns doch vor, dass man kann, wenn man will. in der tat, veränderung muss man wollen, wirklich wollen, mit eisernem willen muss man sie wollen, sonst kann man sich die euronen für ratgeber und coaches sparen und den krankenkassen das geld für eine therapie. aber stimmt das mit dem willen wirklich, oder stimmt es doch, dass das fleisch zu schwach ist, sprich – das eingefleischte verhalten?

"ob und inwieweit ein mensch sich selbst stark ändern oder durch andere geändert werden kann – das ist weitgehend veranlagung. es gibt ein drittelgesetz in der psychotherapie: ein drittel der menschen ist gut therapierbar, ein drittel mäßig, ein drittel nicht. man kann sich nur unter günstigen umständen und in engen grenzen ändern: wenn man ein bestimmtes temperament hat und wenn die gene und frühkindlichen prägungen es zulassen", schreibt der gehirnforscher gerhard roth. die erfahrung sagt: der mann hat recht. 

 "der wille", so roth weiter, " ist nicht so frei, wie viele gern glauben, er wird wesentlich von unseren unbewussten erfahrungen gesteuert. der mensch hat zwar einen willen, aber er kann diesen willen nicht selbst willentlich beeinflussen. das ist auch logisch unmöglich: wenn wir unseren willen beeinflussen könnten – wodurch würde der wille, der unseren willen treibt, beeinflusst? wieder durch einen willen, einen dritten, vierten, fünften?"
was die hirnforschung unlängst bewiesen hat ist allerdings so neu nicht, denn schon schopenhauer schrieb und das, ohne in die hirne der menschen geblickt zu haben, allein aus seinen beobachtungen menschlichen verhaltens heraus:  "der mensch kann zwar tun, was er will. er kann aber nicht wollen, was er will." 
und nun?
roth und schopenhauer haben leider recht. das mit dem freien willen ist eine illusion. eine schöne zwar, aber gleichzeitig unschön, denn das nicht können, trotz wollens, ist vergeblichkeit. und diese zu erkennen versetzt mich in ein unangenehmes gefühl von ohnmacht.
aber das will ich nicht zulassen, meine zuversicht liegt im ersten drittel.




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