Samstag, 7. April 2012

Keine Wahl


es ist eine wiederholung, dachte anna, als sie aufwachte an diesem morgen, nach einem zerfetzten schlaf. in ihrem kopf schlugen trübe gedanken gegen andere, die hell sein wollten. sie verbot sie sich. wie lange schon, fragte sich anna, als sie das espressopulver in die alte kanne gab, deren dichtungsring jedes mal herausfiel, wenn sie sie aufschraubte. eine wiederholung, ein film mit anderen protagonisten und den gleichen gefühlen beim sehen. die hauptrolle anna.

alles irgendwie kaputt, dachte sie. es kümmerte sie nicht. sie hätte weinen können wie all die tage zuvor und all die tage weit vor diesem zuvor an denen sie viele morgengrauen in tränen aufgelöst hatte. anna weinte nicht. nicht weil es nichts besser machte oder änderte, weinen machte leichter innen, das wusste sie, aber irgendwie war da ein inneres starres, das sie nicht weinen ließ oder vielleicht war das weinen auch nicht passend jetzt. sie dachte nicht weiter darüber nach.

draussen regnete es. anna hörte die stimmen der vögel. die welt um sie herum noch im schlaf. anna allein in dieser welt. das war vertraut. das war lange zeit so gewesen und dann für kurze zeit anders und weniger vertraut das, was anders war. das nicht allein sein, das ihr vorgekommen war wie eine unterbrechung des gewohnten. so war es gefühlt von anna und so war es gekommen.

anna dachte an den mann, der sie hatte lieben wollen bis in die ewigkeit und der fort war. ob sie ihn vermisste, wusste sie nicht. sie hatte keine wahl gehabt. von anfang an waren die dinge ungut gewesen und dann so ungut geworden, dass sie sie krank gemacht hatten. inneres das aussen krank macht, sich herausschält um sichtbar zu machen, was falsch ist. sie hatte es gespürt, die ganze zeit und versucht zu ignorieren, was ihr gelungen war manchmal, wenn das augenblicksglück größer war als das innere wissen.

alles hat seine zeit, dachte anna. der espresso machte ein blubberndes geräusch. vertraut. vertrautes ist beruhigend. es sind die kleinen dinge, die vertrautes ausmachen, dachte anna. daran hielt sich sich fest im kippen. sie goß milch in die tasse und den espresso hinein, trank einen schluck und zündete sich eine zigarette an. trinken um nicht zu ertrinken.

bitte, zeig mir den nächsten schritt! die worte kamen leise aus ihrem mund, glitten über ihre lippen zwischen kaffeegeschmack und zigarettenrauch. bitter. bitter, wie der grund für das was zu ende war. bitten gegen das bittere, dachte anna und wie oft sie gott gebeten hatte ihr zu zeigen was richtig war und doch das falsche getan. vielleicht hatte sie einfach nicht verstanden. aber was machte es schon aus, ob sie verstand, das verstehen war kopfsache, am gefühlten änderte es nichts. verstehen und fühlen, wie welten, die einander fremd sind, wenn nicht im einklang. sie versuchte zu sehr zu verstehen und verstand immer weniger.

sie hatte alles versucht, alles was in ihrer macht lag. sie hatte den mann gebeten, sie hatte ihn gewarnt, ihn sogar angschrieen um ihn verstehen zu machen. sie hatte die welle kommen sehen, die sich langsam aufgebaut hatte über die zeit. er hatte sie nicht gesehen. sie nicht und alles nicht und sich selbst nicht. von der zukunft geredet, immer wieder und gemeint, sie sei die ihre und nichts verstanden.

anna hatte gesagt, das die zukunft niemals die ihre sei, wenn der mann das vergangene nicht bereinigen würde. die welle war übergeschwappt, hatte sie mit sich in die tiefe gerissen. und auch da hatte der mann nicht verstanden und weiter gemacht wie zuvor. anna hatte ihn wieder gewarnt, eindringlicher als je zuvor, aber das eindringliche war nicht zu ihm vorgedrungen.

alles wird gut, hatte der mann gesagt und es geglaubt, weil das sagen leichter war, als das handeln für das besserwerden. sie, machtlos gegen das leicht gesagte, hatte sich abgewandt um nicht mit ihm zu ertrinken. anna trank die tasse leer, wandte sich den weißen leinwänden zu, die auf dem tisch lagen, tauchte den pinsel in die weiße farbe und begann sie zu grundieren.