Freitag, 13. Januar 2012

F I N D E N

Wir saßen beim Thailänder.

Ich aß und er sah mir dabei zu. Ich habe keinen Hunger sagte er, als die Kellnerin die Bestellung aufnahm. Er entschied sich für ein Bier. Das war untypisch für ihn, er aß gern, auch wenn er keinen Hunger hatte.

Er war anders als sonst, in sich versunken, nicht so gesprächig wie sonst. Mein Essen kam. Ich aß und er sah mir dabei zu.

Mit dir ist doch was?, wagte ich einen Vorstoß. Nein, es ist alles gut, sagte er. Er sagte oft, dass alles gut sei und ich sagte jedesmal, dass nicht alles gut sei, aber besser als es gewesen war, bevor wir uns getroffen hatten. Diese Mals verkniff ich mir die Antwort. Er würde sie nicht hören, so sehr war er bei sich.

Ich nahm ein Stück Hühnerfleisch und eine grüne Bohne zwischen die Esstäbchen, schob beides in den Mund, kaute und wartete. Ich habe Geduld, ziemlich viel Geduld, wenn es sein muss, aber dieses Schweigen machte mich nervös. Er liebt mich nicht mehr, dachte ich, oder er weiß nicht, ob er mich noch liebt und hoffte, dass ich mich täuschte, in beiden Fällen.

Ich hatte fast alles aufgegessen. Er saß noch immer schweigend da. Ich mochte das gemeinsame Schweigen, weil ich Schweigen überhaupt gern mag, weil es Raum schafft für meine Gedanken, die ständig frei flottieren, bis ich sie fassen kann und dann schreibe ich das Erfasste in das Notizbuch, das ich immer bei mir trage. Dieses Schweigen war anders, es hatte etwas Beklemmendes.

Liebst du mich noch? rutschte es mir heraus. Verdammt, das passierte mir, die sich immer beklagte, wenn er das sagte, zu oft für meinen Geschmack, aber wenn er es nicht sagte, war es mir auch nicht recht, es fehlte mir irgendwie. Ich hatte mich daran gewöhnt wie an sein Gesicht. Er lachte kurz, ja, ich liebe dich noch.

Worüber denkst du nach? fragte ich ihn erleichtert.

Es hat nichts mit dir zu tun. Er nahm meine Hand in die seine. Ich habe irgendwann die falsche Wegkreuzung genommen, sagte er in seiner geräuschlosen Art zu sprechen. Ich sah ihn erstaunt an, wann war das?

Wann genau das war, weiß ich nicht. Ich krame in meiner Erinnerung und finde den Moment nicht, wo ich mich verloren habe. So fühlt es sich an, wie etwas Verlorenes, das man einmal wie selbstverständlich besaß und dann ist es weg und du weißt gar nicht mehr was es eigentlich war. Ich kann es nicht genau fassen. Ich würde sagen, ich suche ohne zu wissen, was genau ich suche.

Wie willst du es dann finden, wenn du nicht weißt was du suchst?

Es ist seltsam, sagte er, aber ich habe das Gefühl, es findet mich.