Donnerstag, 13. Juli 2023

Das bist du

 

                                                               Foto: www


Ich arbeite jetzt seit über fünfzehn Jahren mit Menschen und alle, die mir begegnet sind, sind wunderbare, liebenswerte, kluge, sensible Menschen, die sich aus ihrem alten Ich herausschälen wollen, die sich selbst finden wollen, die hart an sich arbeiten, die wirklich bereit sind zur Veränderung. Ich durfte in all den Jahren viel lernen, darüber, was uns als Mensch ausmacht und warum wir zu dem werden, der wir sind. Wenn ich eins gelernt habe: Es ist nicht möglich unser altes Ich einfach abzustreifen. Es ist absolut unmöglich all die Programmierungen und Überzeugungen, die Prägungen und Erfahrungen, die Verletzungen und Traumata, einfach abzustreifen. Und darum geht es auch überhaupt nicht, es geht nicht ums abstreifen. Es ist nicht möglich unsere Vergangenheit rückgängig zu machen, denn die Vergangenheit ist unveränderbar. Es geht darum alte Programmierungen und Überzeugungen zu identifizieren, sie neu zu bewerten und uns neu auszurichten. Es geht darum zu begreifen und zu verinnerlichen: Diese Programme sind kein Gesetz, dem wir auf immer und ewig glauben und folgen müssen. 
Schon dieser Schritt ist ein mentaler und emotionaler Kraftakt und es ist harte Arbeit. Genesung ist wie das Leben - ein Weg durch Höhen und Tiefen und manchmal finden wir uns dabei in der Hölle wieder. Manche Vergangenheit war eine Hölle. Aber wir haben sie überlebt, wir sind da durch. Allein das ist eine HeldInnenentat. 
 
Ich habe so viele Geschichten gehört, sie würden ein dickes Buch füllen. All diese Geschichten sind durchdrungen von Schmerz. Aber sie sind auch voller Mut und Kraft.
Die Heldinnen und Helden dieser Geschichten haben meinen tiefen Respekt. Jede dieser Geschichten ist es wert erzählt zu werden. Aus jeder Geschichte durfte ich lernen und können all jene lernen, die sie hören. Dafür sind sie da, unsere Geschichten, dass wir sie weitergeben, auch wenn sie keine glitzernden Erfolgsstorys sind, denn sie können für andere hilfreich sein. Und was ist überhaupt Erfolg? Erfolg ist für mich: Das eigene Leben meistern, auf unsere ureigene Art und Weise, mit allem, was es ausmacht, nicht aufzugeben und immer weiter zu gehen. 
 
Unsere Geschichte ist voll intensivem, gelebtem Leben. Unsere Geschichte, ganz gleich wie sie war und wie sie ist, verdient unsere Anerkennung und unseren Respekt. Und nicht, wie wir es so gerne tun, Ablehnung oder Abwertung, weil es keine schöne Geschichte ist. Es geht um die Integration unserer Geschichte, nicht um ihre Abspaltung oder Auslöschung. Alles was wir leugnen, weghaben wollen, nicht anerkennen, hat eine Tendenz unsere Wahrnehmung zu vergiften. 
 
Indem wir unsere Geschichte anerkennen, erkennen wir uns selbst an. Allein darum geht es: Uns selbst anerkennen mit allem, was wir sind und was wir erlebt haben, denn das ist unsere Wahrheit, das hat uns geformt und unser Selbst gestaltet, auch wenn uns dieses Selbst nicht gefällt und wir es gern anders hätten. Das Selbst ist keine starre Größe, es ist veränderbar.
Jeder neue Erfahrung verändert etwas in uns selbst. Wir schreiben eine neue Geschichte im Buch unseres Lebens und wir haben, ganz gleich was war, jeden Moment Einfluss darauf wie wir sie schreiben.
Auf der Basis von unbewussten Programmierungen aus der Kindheit schreiben und gestalten wir unsere Geschichte solange unbewusst, bis wir uns bewusst machen, dass wir sie neu schreiben und gestalteten können. Das zu erkennen dauert, es zu verinnerlichen dauert länger, es umzusetzen dauert noch länger, denn was dem bewussten Denken bewusst ist, muss das Unbewusste erreichen und durchdringen, es muss ins Gefühl sacken, dorthin wo die alten Wunden sitzen, um zu wirken. Das ist ein langer, langer Prozess und dieser Prozess heißt Leben. Das bist du. 
 
„The privilege of a lifetime is being who you are.“
 
Joseph Campbell

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