Dienstag, 28. März 2023

Aus der Praxis: Traumabindung

 

                                                         ART: Louise Bourgeois

 
"Ich kann nicht gehen, er, sie, ist doch mein Seelenpartner."
Wie oft höre ich das, wenn Klienten zu mir kommen um über ihre Beziehung zu klagen, die sie langsam kaputt macht.
Ist das wirklich wahr? Ist das der Seelenpartner?
Ist das wahr, wenn die Beziehung alles andere ist, als erfüllend?
Wenn deine Gefühle und Bedürfnisse körperlich und emotional nicht erfüllt werden?
Wenn die Beziehung ein ständiger Tanz von On und Off ist?
Wenn es mit und ohne nicht gut ist?
Wenn sie sich zerstörerisch anfühlt?
Wenn eigene Bedürfnisse auf der Strecke bleiben?
Wenn das Ungute überwiegt und dann wieder diese Wahnsinnsmomente kommen, wo du im siebten Himmel schwebst um kurz danach wieder abzustürzen?
Wenn jeder neuen Hoffnung eine neue Enttäuschung folgt?
Wenn du bleibst, obwohl dein Verstand und dein Bauch sagen: Geh!
Wenn du daran festhälst, weil dein Herz sagt: Das ist meine große Liebe. Ich kann ohne sie nicht leben!
Wenn Liebe als Sehnsuchtswert alles Unheilsame ertragbar macht?
Wenn du am anderen klebst wie zäher Leim, obwohl er dich immer wieder verletzt und du dich einfach nicht lösen kannst?
Wenn das so ist, dann ist es nicht der Seelenpartner.
Der tut dir nämlich gut und du ihm.
Was das ist, ist Traumabindung.
 
Traumabindung ist, wenn wir in einem Beziehungsmuster feststecken, das uns in einer Dynamik festhält, die uns nicht dienlich ist. Es handelt sich um ein Beziehungsmuster, das wir in der Kindheit erlernt haben und im Erwachsenenalter wiederholen.  
Wir wiederholen, was wir erlebt haben und leben es immer wieder aus, um unbewusst die alten Beziehungsmuster zu heilen, nach dem Motto: Es muss doch endlich gut werden, wenn ich es es nur immer wieder versuche, wenn ich nur genug liebe, genug verstehe, genug gebe, genug verzeihe.
Es wird nicht gut. 
 
Ein Problem lässt sich nicht mit Strategien lösen, die damals schon nicht geholfen haben. 
Die kindlichen Überlebenstrategien halfen uns zwar Probleme mit unseren frühen Bindungspersonen zu bewältigen, sie halfen uns Traumata emotional zu überleben, jetzt aber bringen sie uns in direkt zurück in die unheilsame Lage der Kindheit.
Fatalerweise halten wir an diesen Strategien fest.
Es zieht uns unbewusst so stark zu diesen Mustern, dass wir wider besseren Wissens gegen uns selbst handeln, um eine Beziehung zu halten, die auf Traumabindung basiert. Wir verleugnen das Unheilsame, wie damals als Kind, um geliebt zu werden. Wir verleugnen uns selbst um Liebe zu bekommen, weil wir gelernt haben: Bindung ist Überleben, und ohne Bindung, egal wie sie ist, sind wir nicht überlebensfähig.
Menschen, die diese Erfahrung gemacht haben, verwechseln Gefühle der emotionalen Abhängigkeit mit Liebe und wahrhaftiger Verbundenheit. 
 
Das kindliche Gefühl der Abhängigkeit fühlt sich nach Heimat an. So kennen wir es, egal wie unheilsam und schmerzhaft die Heimat der Kindheit war. Was sich vertraut anfühlt, wird als Verbundenheit empfunden und gedeutet, selbst wenn dies Schmerz bedeutet.
Unsere kindliche Bedürftigkeit fühlt sich von einer ähnlichen Dynamik magisch angezogen, egal ob sie uns guttut oder nicht. Daher finden wir uns immer wieder in ähnlichen Beziehungsmustern wieder, die wir als Kind erlebt haben. Wir haben gelernt diesen traumatischen Zustand mit Liebe zu verbinden, weil er unserer Erfahrung von „Liebe“ gleicht. Er sitzt in jeder Zelle wie ein fest installiertes Programm.
Wenn wir in einer Traumabindung stecken setzt unser Verstand aus. Wir sind gesteuert von den Verletzungen der Vergangenheit. Wir leben in unseren alten Mustern, unfähig auszusteigen, obwohl wir genau spüren – das hier ist Gift für uns. Wir schlucken es weiter, süchtig nach der Vergangenheit. Es hat eine solche Anziehung auf uns wie die Droge auf den Süchtigen. Bekommen wir unsere Dosis nicht, fühlt sich unser Leben leer an und sinnlos. Dann fehlt das Drama, der Kick, die Intensität, die Tiefe, der Exzess, der Dopaminschuss der Traumabindungen aufrechterhält. 
 
Also bleiben wir, wie der Süchtige, auf der Droge hängen, die unser Leben nach und nach zerstört, gelingt es uns nicht die Sucht zu stoppen.
Aber genau darum geht es: Stopp zu sagen.
Hinzuschauen, was sich da in uns und vor uns abspielt. Uns dessen bewusst zu werden, was wir in Endlosschleife reinszenieren, um davon zu genesen. Um wir selbst zu werden, erwachsen zu werden und nicht dem traumatisierten Kind in uns die Zügel in der Hand zu lassen. Genesen, um mit dem Partner in Resonanz zu treten, der uns gut tut und nicht dem, der unsere Neurose bedient.
Dazu müssen wir uns der alten Muster gewahr werden.
Wir müssen sie identifizieren und sie dann verlernen. Das erfordert den absoluten Willen, viel Zeit, viel Arbeit und die Kraft den Entzug durchzustehen, denn genau das ist es - ein Entzug, von dem Gift, das uns von Kindheit an beherrscht. 
 
 
Wenn Du Unterstützung suchst: Schreib mir eine Mail unter: 
aw@wende-praxis.de

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