Montag, 11. März 2019

Eine ohnmächtige Wut


Heute morgen wache ich auf und spüre eine ziemliche Wut im Bauch. Ich setze mich auf mein Meditationskissen und versuche die Wut einzuatmen und Frieden auszuatmen. Ich mache das eine ganze Weile und spüre keine Veränderung. Das Gefühl bleibt hartnäckig, es verwandelt sich nicht. Es stockt, sitzt fest, Gut, es will, dass ich es da sein lasse. 

Okay ich bin wütend, sage ich zu mir selbst, jetzt mache ich mir erst mal einen Kaffee. Die Maschine will nicht, sie ist blockiert. Ich werde noch wütender. Ich bin so wütend, dass ich das Gefühl habe, gleich platze ich vor Wut. In meiner Brust baut sich ein unangenehmer Druck auf. Ich versuche es ein zweites Mal mit dem Kaffeemachen. Wieder funktioniert es nicht. Plötzlich fließen die Tränen. Ich lasse sie fließen. Eine lange Weile. Die Wut löst sich auf, die Wut, die Schmerz ist, Schmerz über so vieles was in letzter Zeit in meinen Leben an kleinen und großen Unglücken geschehen ist. Der Tod des Vaters meines Sohnes, der vor einem Jahr plötzlich von uns ging, das Leid eines geliebten Menschen, der dabei ist sich selbst zu zerstören und den ich nicht mehr erreichen kann. All der Schmerz fließt in meine Tränen. Meine Wut kann gehen. Die Wut über das Leid, das ich nicht erleben will, das keiner von uns will, und immer wieder erleben muss. Die Wut über die Ohnmacht einem geliebten Menschen nicht helfen zu können, weil er Hilfe nicht annehmen will oder weil wir emotional viel zu nach dran sind um etwas zu bewirken. Dieses Gefühl von Ohnmacht macht uns wütend. Ohnmacht zeigt uns unsere Grenzen auf, die wir so gerne nicht spüren wollen, weil sie uns daran erinnern, wie wenig wir doch wirklich beeinflussen können, wenn das Schicksal, Gott oder ein Mensch nicht mitspielen. 

Vielen von uns geht es manchmal so. Wir sind absolut machtlos und das macht absolut wütend. Diese Wut ist okay. Wir dürfen wütend sein. Und wir sollten uns dafür nicht verurteilen. Wut ist ein starkes Gefühl. Sie ist sogar hilfreich, wenn wir ihren Urgrund verstehen und sie als Energiequelle nutzen um das zu verändern, was wir verändern können, nämlich das, was jetzt für uns selbst ansteht: Uns gut um uns selbst und unseren Schmerz zu kümmern. Fürsorglich und mitfühlend auf uns selbst zu schauen und uns selbst liebevoll behandeln, auch wenn wir diese Liebe gerade nicht spüren können. Uns um uns selbst kümmern, nach einer schweren Zeit. 

Dazu ist es wichtig den Focus von dem abzuziehen, was wir ums Verrecken nicht ändern können und ihn dahin zu richten wo wir etwas zum Besseren wenden können. Denn alles andere, das hat uns die Erfahrung der Ohnmacht gezeigt, ist Vergeblichkeit.
Das zu akzeptieren ist eine schwere Aufgabe, aber es bleibt uns manchmal nichts anderes übrig als Akzeptanz, sonst bleiben wir in unserer ohnmächtigen Wut stecken und damit stagniert unser Leben.
Es ist blockiert wie die Kaffeemaschine, die nicht funktioniert.
Sie geht wieder. Das Wasser fließt. Der Kaffee ist fertig. Ich gehe in den Tag und tue mein Bestes für mich selbst und die Menschen, die es annehmen wollen.


Namaste Ihr Lieben

4 Kommentare:

  1. Es beruhigt mich zu lesen, dass es auch einer erfahrenen Therapeutin manchmal so gehen kann,
    es ist schön, dass Sie so offen darüber schreiben,
    es freut mich, dass Weinen hilft (und die Kaffeemaschine wieder geht :-)),
    es tut (mir immer) wieder gut, Ihre Artikel zu lesen!

    Danke dafür und Gruß
    DiPi

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  2. Wie oft habe ich diese Wut und auch Ohnmacht erfahren, gespürt dass ich den anderen Menschen ändern will, damit es besser wird. Sein Leben sollte sich verbessern, damit meines besser würde(weniger Sorge...). Es hat lange gedauert, bis ich das begriff: Es ist sein Leben, niemand kann gezwungen werden so zu leben, wie ein anderer Mensch sich das vorstellt. Ist sein Leben schwer, ist es so. Meines muss ich abkoppeln. Es wurde so viel leichter für mich... Ich bin dankbar für diesen Blog!

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