Mittwoch, 8. April 2015

Aus der Praxis - Die giftige Galle Invidia oder warum Neid krank macht

                                                               Malerei: Angelika Wende
 

Neid, dieses Gefühl kennen alle Menschen. Der Neid (lat. Invidia) gilt nach der klassischen Theologie, als eines der sieben Hauptlaster. Aber wie alles im Leben zwei Pole hat, hat auch der Neid eine dunkle und eine helle Seite. 

Neid in der milden Form ist per se nichts Ungutes. Ein bisschen Neid ist anspornend, er kann uns dazu verhelfen, Dinge, die wir an anderen beneiden als Spiegel dessen zu erkennen, was wir nicht verwirklicht haben. Wenn Neid dazu führt, unser Streben zu fördern, etwas zu gestalten, zu tun oder zu erreichen, hat er durchaus eine gute Seite. Wir nehmen das was wir am anderen beneiden als Antrieb etwas in uns zu entfalten, was der Andere uns vorlebt. Dennoch, froh macht der Neid im allgemeinen nicht.

Wenn wir neidisch sind, stellt sich im Neidgefühl immer die Frage: Was beneide ich am Anderen, was ich für mich nicht verwirkliche? Die zweite Frage könnte lauten: Was will ich im Leben verwirklichen und was brauche ich, um es zu tun? So wirkt der Umgang mit Neid konstruktiv.
Ein Mensch aber, der von Neid zerfressen ist, lebt die Schattenseite von Invidia. Er wird nichts und niemanden in seinem dirketen Umfeld neidlos zugestehen können, was er selbst nicht auch hat oder besitzt. Er entwickelt einen abgrundtiefen Hass auf alles was ihm verwehrt bleibt und sieht sich als Opfer einer ungerechten Welt, in der er der ewig Benachteiligte oder der Verlierer ist. Diese Form des Neides ist eine Pathologie, wie wir sie oft auch im Krankheitsbild des Narzissmus finden.

Was bewirkt krankhafter Neid im Gehirn?
Neuropsychologen stellten fest: Neidgefühle zeigen in jenen Hirnregionen starke Aktivität, die auch das Schmerzempfinden auslösen, psychisch als auch physisch. Diese Aktivitäten spielen sich im dorsalen Kortex, dem Pfad im Hirn ab der bewegte Objekte und für die eigene Handlung relevante visuelle Informationen verarbeitet. Des weiteren in der Inselrinde, dem assoziativen Zentrum, das für unser auditives, insbesondere unser sprachliches Denken, den Gleichgewichtssinn, sowie zur Wahrnehmung chemischer Reize (Geruchssinn, Geschmackssinn) und zur emotionalen Bewertung von Schmerzen fungiert und, wie neuere Forschungen zeigen, an unseren empathischen Fähigkeiten beteiligt ist. Diese widerum spielen sich im somatosensorischen Kortex ab, dem Teil der Großhirnrinde, der der zentralen Verarbeitung unserer haptischen Wahrnehmung dient.
Neid tut weh und zwar auf vielen Ebenen unseres organischen und emotionalen Systems und er zerfrisst im wahrsten Sinne des Wortes das Hirn des Neiders - genauer die Dendronen, die sensible Struktur des Gehirns. Diese wird nachhaltig zerstört, wie etwa auch durch Dauerstress. Wenig verwunderlich, dass krankhafter Neid in vielen Fällen zu Depressionen führt. Somit ist die Depression ein neuropsycholgisches Korrelat des Neides.

Der Neidmensch macht sich selbst krank. Er macht sich krank, indem er die Wahrnehmung nur auf das lenkt, was er nicht hat, anstatt auf das, was er hat. Er zerstört damit seine Lebensenergie und seine Freude am Sein. Sein Sein definiert sich über das Haben, besser gesagt - über das Nichthaben. Der Neid ist die Hybris des Habenmenschen, der glaubt, dass er nicht genug hat und daher auch nichts geben kann, weil das, was er hat, niemals reicht. Er will immer mehr haben. Er vergibt sich nichts, weder sich selbst, noch anderen. Der Mangel an Mitgefühl für sich selbst und in der Folge damit auch für Andere, führt zu einem Leben in dem Wut, Zorn und irgendwann Dumpfheit der Affekte und schließlich die Depression hausen. Ein solcher Mensch ist nicht fähig sein Sein zu erfahren und den Focus vom Haben wollen abzuwenden auf das, was schon längst da ist.
Sein selektives Ignorieren dessen was er hat, verengt seine Sicht auf die reale Lebenssituation: Er sitzt, wie der Narziss im Eisenofen und verliert den emotionalen Kontakt zum eigenen Inneren und zum Außen. Sein Drang ist das Begehren. Und das findet kein Ende. Es ist wie eine Sucht, eine Sehn-Sucht die keinen Namen hat und sich auf alles und jedes richtet, was andere haben und er selbst nicht. Gefühlt vom Leben betrogen und benachteiligt wird er feindselig. Er beneidet die Anderen für alles, was sie haben und tun und sucht darin das Schlechte, was er dann verdammen kann. Er macht andere verantwortlich für sein begrenztes Dasein, im Tiefsten davon überzeugt, sie nehmen ihm das, was er so sehr begehrt. Das zersetztende Gefühl des "niemals - genug - Habens" führt dazu, dass sich depressiv-lähmende Gefühle ausbreiten, über das Gehirn in jede Zelle des Körpers.

Der Neidmensch ist der Gefangene seiner Selbstsabotage, die nur er selbst beenden kann. Aber wie?
Eine Neidtherapie lässt sich bis heute nicht finden. Die Neidforscherin Julie Exline betont, dass in diese Richtung noch kaum Forschungen angestellt wurden und die Jungianerin Verena Kast schreibt: "Neid ist in der Therapie ein Tabu." Damit meint sie, dass der Neid nicht zugegeben wird, weil er als gesellschaftlich verpöntes Gefühl tabuisiert wird. Nicht umsonst nennt man ihn die Schlimmste aller Laster. So schreibt Kast: "Wir ziehen es daher vor, diese negativen Emotionen zu verdrängen, auf andere zu projizieren und sie dort zu bekämpfen." Damit wird die Chance vertan, die der neidsiche Mensch nutzen könne um auf seinem Individuationsweg weiterzukommen. 

Wenn es jedoch gelingt sich den eigenen Neid bewusst zu machen und die Auseinandersetzung damit als Herausforderung zu sehen, hilft er uns die eigenen Grenzen wahrzunehmen und ungelebte Potenziale zu entwickeln.
Neid, der nicht bearbeitet und aufgelöst wird führt immer auch zu massiven  Beziehungsproblemen, denn er begrenzt die vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten mit anderen auf Augenhöhe. Der Neidkranke sieht ander Menschen, die mehr hbaen oder mer können als er selbst immer als Konkurrenten, die ihm etwas nehmen wollen, Anshen, Erfolg doer Macht. Er wird immer unversöhnlicher mit seinen Nächsten und dem eigenen Leben und isoliert sich dadurch schließlich selbst.

Neidgefühle, auch wenn sie meist maskiert sind, sind extrem aggressive Gefühle, sie sind der Dauerbeschuss auf das eigenes Selbstwertgefühl und auf das Selbstwertgefühl Anderer.  
"Der Neid ist sodann ein Fehler der sittlichen Natur. Es ist eine Krankheit, die die Seele gleichmäßig durchfrisst; nicht wie es manche Schwächen gibt, die das gute Herz im Ganzen unangetastet lassen und nur äußere Schäden zu sein scheinen, Folgen krankhafter Körperanlagen oder geistiger Verstimmungen. Neid ist mit Liebe nicht vereinbar, und ohne Liebe gibt es keinen guten Charakter. Neid ist vielmehr in vieler Beziehung ein Gegensatz der Liebe, mehr noch als der Hass", formuliert es Friedrich Nietzsche. Nietzsche hat Recht, der Neidmensch spürt keine Liebe, weder in sich selbst, noch für andere. Dazu ist in seinem selektiven System kein Platz. Der Neid, so Kant, gehört zur abscheulichen Familie der Undankbarkeit und der Schadenfreude. 

Genau darin liegt eine Möglichkeit der Loslösung vom Neid - in der Dankbarkeit. Etwas, was dem neidischen Menschen gänzlich abgeht. Es braucht Demut um zur Dankbarkeit zu kommen, ein Wort, bei dem der Neider Gift und Galle spuckt. Solange er das aber tut, wird die giftige Galle in ihm ständig neu produziert, bis sie die Seele zerfrisst.







4 Kommentare:

  1. Super auf den Punkt gebracht! Ich frage mich warum gerade Neid so tabuisiert ist und könnte mir vorstellen, dass es mit unserem kollektiven Glauben daran zusammenhängt, dass immer weiteres Wachstum notwendig ist und unsere ganze Existenz (Wirtschaft) in die Anbetung des Wachstums eingebunden ist. Wer da mit immer besser und erfolgreicher sein nicht mithalten kann und zusehen muss wie andere ihn/sie überholen muss wohl fast zwangsläufig Scham und in weiterer Folge Neid empfinden. Wieviel an vielfältigsten menschlichen Ressourcen werden vergeudet, wenn es hauptsächlich um das vorwärtsstreben und feststellen, wer besser ist, mehr kann etc geht. Ich würde mir wünschen, dass wir in den Schulen und in der Erzeihung darauf unser Hauptaugenmerk legen würden, den Schatz von Talenten in jedem Menschen helfen heruaszuschälen und umzusetzen, parterschftlich, gemeinsam und Konkurrenz dort zu lassen, wo es darum geht Prozesse zu verfeinern. Schwarmintelligenz vor Auslese. Dann bräuchte uns Neid nicht mehr zu zerfressen, denn der machte keinen Sinn mehr. Ich stecke ja nicht in der Haut des/der anderen und er/sie nicht in meiner. Sich darum zu kümmern das eigene Potenzial zu entfalten und anderen dabei zu helfen das ihrige zu entwickeln wäre meine Vision für eine zukünftigen florierende Gesellschaft, in der jede/r einen Platz hat und vermisst wird, wenn er/sie nicht mehr da ist. Und jetzt sag bitte nicht Illusionistin zu mir ;-) Ein Traum, den ich nie aufgeben mag....

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  2. nein, du bist keine illusionistin, du siehst die notwendigkeit einer neuen schulischen reform. ich wünsche mir das so sehr, aber diese gesellschaft will schafe und keine adler in ihren reihen. und deshalb wird es sich wohl nicht ändern, es sei denn es geschieht eine radikale wende.

    herzlich,
    angelika

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  3. mir gefällt "eine radikale WENDE" in diesem zusammenhang ;-) und natürlich auch zu sehen, dass es andere gibt, die ähnliche wünsche haben
    herzliche Grüße
    Elisabeth

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