Freitag, 31. Oktober 2014

Aus der Praxis - Liebe und Hass



Malerei: ich


Hass ist eine zutiefst menschliche Emotion.
Hass ist die stärkste Form der Abneigung für einen anderen Menschen.
Hassen wird ein Mensch immer dann, wenn er selbst nicht fähig ist eine Kränkung oder eine Verletzung, die er erfahren musste, zu verarbeiten.

Die Motive des Hassenden sind in den meisten Fällen unbewusst und spielen sich zwischen einem Spannungszustand von Gefühl und Verstand ab. Die Vernunft ruft nach der Verarbeitung der Verletzung während das Gefühl nach Rache und Bestrafung schreit. In Meyers Kleinem Lexikon der Psychologie ist zu lesen, dass das Gefühl des Hasses oft mit dem Wunsch verbunden ist, den Gehassten zu vernichten. Der Hassende verabscheut also nicht nur den Menschen, der ihn verletzt hat, er möchte ihm schaden.

Was aber macht einen Menschen zum Hassenden?

Hass folgt nach einer tiefen Verletzung. Wir alle werden in diesem Leben mehr als einmal verletzt und manche von uns sogar tief. Verletzungen gehören zum Leben. Diese Einsicht fehlt dem Hassenden. Er fühlt sich ungerecht behandelt von dem, der ihm die Verletzung zugefügt hat und darüber hinaus vom Leben selbst. In der Tiefe aber fühlt er sich einer Konstruktion von Leben beraubt, die er sich gemacht hat. Die starke Emotion von Hass folgt also immer einer Erschütterung des persönlichen Weltbildes, das davon ausgeht, alles haben und kontrollieren zu können. Ein infantiles Weltbild, das Weltbild einer narzisstischen psychischen Struktur, die glaubt, das Maß aller Dinge zu sein, Schöpfer und Beherrscher seiner Welt zu sein und das Recht zu besitzen, alles festhalten zu können, was geglaubt das Seine ist. Hassende sind "Haben" Menschen. Das sind Menschen, die ihr Leben von Dingen und Besitz abhängig machen und sich darüber definieren. Sie wollen be-halten. Dazu gehören in diesem Bild von In-der-Welt-sein auch Menschen. Die Basis des Hasses ist der Eigennutz, Hass entspringt immer dem Motiv des Eigennutzes. Dem Hassenden geht es um sein Ego. Alles was dieses Ego stört und gefühlt herabsetzt wird zum Objekt tiefer Abscheu, es verdient seinen Hass.

Erich Fromm unterscheidet zwei Formen von Hass. Zum einen den reaktiven Hass. Dieser ist immer das Ergebnis einer tiefen Verletzung oder einer schmerzlichen Situation, der ein Mensch ohnmächtig gegenübersteht, da er sie nicht verändern kann. Erich Fromm schreibt: „Unter reaktivem Hass verstehe ich eine Hassreaktion, die aufgrund eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin.“

Nun reagiert aber nicht jeder Mensch unter diesen Bedingungen mit Hass. Viele Menschen bleiben in der Ohnmacht stecken oder sie richten Wut und unterdrückten Hass gegen sich selbst, bevor sie ihn auf andere richten. Andere sind sich ihrer Wut und ihrer Hassgefühle bewusst und lernen konstruktiv damit umzugehen und sie zu kanalisieren, ohne sich selbst und anderen damit zu schaden. Diese Menschen begreifen sich nicht als Opfer, sondern haben eine tiefe Einsicht in das, was das Leben auch mit sich bringt, nämlich Zurückweisung, Enttäuschung und Verletzung. Es sind Menschen, die gereift sind an den Erfahrungen des Lebens. Dazu gehört, dass sie gelernt haben mit Schmerzlichem umzugehen, also auch mit Verlust.

Der Hassende hasst den Verlust. 

Er sieht ihn als persönliche Kränkung. Sein narzisstisches Weltbild kann das nicht zulassen, denn der Verlust lässt ihn zusammenbrechen und stößt ihn in das Gefühl, das ein Narziss nicht erträgt: sich klein und hilflos fühlen. Dieses Gefühl gilt es unbedingt zu vermeiden und, wenn es bereits entstanden ist, wieder zu verändern. Das kann in seiner Welt nur geschehen, indem er sich die Macht über das Haben zurückerobert. Hass führt daher oft zu Machtspielen, in denen der Hassende sein Opfer zu manipulieren und/oder zu terrorisieren versucht, oder im schlimmsten Falle zu vernichten versucht. Ein anstrengender Kampf, der am Ende meist zwei Gräber schaufelt, das des Hassenden und das des Verhassten, der den emotionalen Druck nicht mehr aushält.

Hass ist so stark wie die Liebe, allerdings zum anderen Pol hin - zur Zerstörung.

Was der Hassende nicht mehr haben kann, muss vernichtet werden. Nur so entkommt er der narzisstischen Kränkung. Aber es braucht noch mehr, um den Hass zum vorherrschenden Trieb werden zu lassen, der Leben vergiftet oder zerstört.

Zurück zu Erich Fromm. Fromm nennt dies den charakterbedingten Hass. Er wird zwar auf die gleiche Art und Weise wie der reaktive Hass ausgelöst, setzt aber eine grundlegend andere Persönlichkeitsstruktur voraus. Nach Fromm ist die Fähigkeit zu hassen in diesem Fall ein Charaktermerkmal, was bedeutet, dass eine Hassreaktion lediglich ein Ausdruck eines schon innewohnenden, also angelegten oder über Jahre verdrängten Hasses ist. Der Hauptunterschied zum „reaktiven Hass“ ist demzufolge die im Wesen eines Menschen angelegte Bereitschaft zu hassen, eine erkennbare Feindseligkeit, welche in Hassausbrüchen ihren Ausgang findet. „Doch wurde der Hass dann zu einem Charakterzug des Betroffenen, so dass er jetzt feindselig ist. ... Im Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die Situation aktualisiert", so Fromm.

Im Menschen angelegt oder nicht, das Grundgefühl des Hassenden wird aktiviert durch ein Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit. 

Der stärkste Hass erwächst aus gekränkter Eitelkeit und verschmähter Liebe. Die Mythologie ist voll von hassenden "Liebenden". Medea und Jason sind eines der extremsten Beispiele. Da geht der Hass der Frau soweit, dass sie die eigenen Kinder tötet um Jason zu vernichten um ihm zu zeigen wie tief er sie gekränkt hat.

Aber kann Hass werden, wo einst Liebe war?
Nein.
Denn wo Liebe war, ist Liebe. Liebe entspringt dem Sein, sie ist ein Seinszustand und dieser geht niemals mit haben oder besitzen wollen einher. Wo Liebe ist ist kein Platz für Hass, wo Liebe geht, sind Trauer und Schmerz, sind am Ende, nach aller Trauer, ein Abschied und eine Heilung im Sinne von Dankbarkeit geliebt worden zu SEIN.

Der Hass aber will HABEN. Wer am Ende einer Liebe hasst, hat nicht geliebt, er hat gehabt.
Wo in einem Charakter der Hass sitzt und wütet, war und ist kein Platz für Liebe, denn Liebe und Hass schließen sich aus.

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