Dienstag, 20. Dezember 2011

GLÜCK - Eine Entscheidung?




Postives Denken ist die Formel des Zeitgeistes und ihre Vertreter verdienen daran, es jenen  beizubringen, die das nicht können mit dem positiven Denken und es unbedingt lernen wollen. Alle wollen glücklich sein. Warum sonst leben wir, wenn nicht um glücklich zu sein? 
Ist das wirklich wahr?

Sei der Antike sind das Glück und die Frage nach einem glücklichen Leben ein großes Thema in der Philosophie. Schon Aristoteles schrieb: " Das Glück wollen alle, die Gebildeten und die Vielen". Nicht wenige Menschen glauben, das Leben selbst trägt den Anspruch auf das Glück in sich. Die Option auf Erfüllung garantiert es uns jedoch nicht. Vielmehr zeigt uns das Leben anderes. Das Glück ist wie die Liebe zwischen Mann und Frau, launisch und vergänglich. Auch darüber schreiben die Philosophen und wer lange genug lebt wird dies bestätigen. Schopenhauer, formuliert das mit dem Glück so: "Es kommt bei der Lebenskunst gerade nicht darauf an, sich geschickt durchs Leben zu manövrieren, sondern darauf Schmerzen zu überwinden und das Leben selbst zu gestalten.“

Das eigene Leben gestalten, Moment für Moment, auch in den Momenten wo das Glück abwesend ist, zu sehen, dass genau das unser Leben ist. Was für ein Glück!

Glück ist keine Entscheidung, die der Mensch trifft, es ist eine Sehnsucht. Sehnsüchte tragen in sich, dass sie meist unerfüllt bleiben. Sie entspringen einem Mangel, sind ein Suchen. Die Sehnsucht ist zukunftsorientiert wie das Glück, das, wenn es abwesend ist, bei vielen Menschen zu einem zukunftsorientierten Seinszustand wird. Oh nein, ich habe nichts gegen das Glück, ich habe es selbst oft erfahren, dieses Augenblicksglück, von dem man sich wünscht, so soll es sein, so soll es bleiben. Es bleibt aber nicht. Es geht und wenn wir Glück haben kommt es wieder. Wäre es immer anwesend würden wir es nicht mehr aushalten vor glücklicher Langeweile. Das vollkommene dauertüchtige Glück als Lebensoption ist eine Illusion und das ist gut so, denn nur durch das Erleben und Durchleben verschiedenster Gefühlszustände wächst der Mensch. Da halte ich es mit Nietzsche, der konstatierte, dass sich die Lebenskunst an Intensität, nicht an Schmerzvermeidung orientiert. Lebenskunst bedeutet nicht, Leid und Schmerz partout vermeiden zu wollen, abgesehen davon, dass dies auch ein unmögliches Unterfangen ist, sie bedeutet intensive Erfahrungen zuzulassen. Nichts ist öder als eine linear verlaufende Lebensspur. Das Leben verläuft episch und das bei den meisten Menschen. Was für ein Glück!

Das ständige Streben nach Glück birgt ein bitteres Gift in sich. 
Es bedeutet unzufrieden zu sein mit dem was ist, es bedeutet sich immer neue Ziele setzen zu müssen, sie erreichen zu müssen, es bedeutet getrieben zu sein in die Zukunft, die bessere bitte, und es bedeutet ein Herausfallen aus dem Jetzt wie es ist. Es bedeutet das Jetzt nicht wahrzunehmen, den Verlust der Achtsamkeit auf den Moment und ein ständiges abwesend Sein von dem, was uns das Leben gerade vor die Füße legt, damit wir es aufheben und etwas damit gestalten. Stefan Grammel hat es einmal so formuliert: "Eine grundsätzliche Übung für alle, die ihr Unglück suchen, ist eine intensive Beschäftigung mit dem Glück." Glück als Lebensziel ist eine Verirrung aus dem Jetzt in eine unwägbare Zukunft. Der Anspruch auf das Glück und der Glaube es mit positiven Affirmationen einfach herbeidenken zu können gleicht einer Verachtung des Lebens, seiner Vielfalt und Unerwartbarkeiten, es ist Undank und mangelnde Demut. Glück kann nicht das Ziel sein, sondern der Lohn.

Glück ist niemals eine Entscheidung - es ist eine Fähigkeit, die wir in uns tragen oder nicht.

Es kann auch keine Entscheidung sein, denn eine Entscheidung bedeutet es folgt dieser ein Tun. Glücklich tun können wir nicht, ebenso wenig wie wir andere glücklich machen können oder sie uns. Glück ist ein Seinszustand in einem Moment in der Zeit. Es ist flüchtig und freiheitsliebend wie die Liebe: Beide begegnen uns ohne unser Zutun und sie verlassen uns ohne unser Zutun. Das Schöne und Gute lässt sich nicht zwingen und nicht halten. Das ist Leben - Veränderung. Was wir aber tun können ist offen zu sein für Möglichkeiten. Glücklich ist, der das vermag!


Gerade weil das Glück eine Möglichkeit ist, ist es so kostbar. Aber das Kostbare verschwendet sich nicht, denn dadurch verliert es seine Kostbarkeit. Wollen wir uns für das Glück entscheiden und es gar herbeiwünschen oder sogar einfordern, legen wir es in Ketten. Wiederum legen wir uns mit der Entscheidung glücklich sein zu wollen in Ketten, denn wir nehmen das kleine Glück nicht mehr wahr.
Und nein, nicht jeder ist sein Glückes Schmied. Das Leben und alle seine vergeblichen Glücksschmiedereien haben es uns längst bewiesen.


Solang Du nach dem Glücke jagst,
bist du nicht reif zum Glücklichsein
und wäre alles Liebste Dein.
Solang Du um Verlorenes klagst
und Ziele hast und rastlos bist,
weißt Du noch nicht was Friede ist.
Erst wenn Du jedem Wunsch entsagst,
nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
dann reicht Dir des Geschehens Flut
nicht mehr ans Herz,
und Deine Seele ruht.
Hermann Hesse

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