Sonntag, 17. Oktober 2010

Top und Flop, oder Schluss mit Multi Kulti ...

Ich war nie ein politischer Mensch, nicht in dem Sinne, dass die tagespolitischen Ereignisse von immenser Wichtigkeit für mein Seelenheil waren, oder, dass ich wissen musste was in der Politik abgeht, damit ich mitreden kann.

Irgendwo habe ich allerdings mal gelesen, dass jeder Mensch politisch ist. In diesem Sinne war und bin ich es wohl doch.

Ich interessiere mich für den Menschen und wie er funktioniert. Ich interessiere mich für Menschlichkeit. Alles was unmenschlich ist, alles was gegen die Würde des Menschen verstößt, macht mich traurig und manchmal wütend.

Im Moment geschieht viel, was mich traurig und wütend macht.
Zuviel was mich glauben lässt, wir haben vergessen, was ein Mensch sein könnte. Nein, eigentlich hat der Mensch immer wieder bewiesen, dass er es nicht nur vergessen hat, sondern dass er es einfach nicht weiß.

Gestern Morgen habe ich verschlafen. Ich musste mir ein Taxi nehmen um einen Termin pünktlich einhalten zu können. Der Fahrer war ein Türke, ein alter Mann mit grauem Bart und vielen kleinen Falten um die gütigen Augen. Das Radio im Wagen war an und wir hörten die Meldung, dass "Multikulti" gescheitert ist.

Der alte Mann fragte mich, ob die Deutschen nichts gelernt hätten aus dem was war. "Ich habe Angst", sagte er. Nicht um mich, ich bin alt, ich habe Angst um meine Kinder". Sie werden immer mehr ausgegrenzt, in der Schule und auch sonst. Er erzählte mir von seiner siebzehnjährigen Tochter, die deutsche Freundinnen hat, die eingeladen war auf eine Party und nicht reingelassen wurde. "Hier ist kein Platz für Ausländer", meinte der Türsteher. "Er war genauso alt wie meine Tochter", sagte der alte Mann und: "Das ist neu, sie durfte bisher immer auf diese Partys."

Ich hörte zu und ich schämte mich für die Deutschen, für die Menschlichkeit, die nicht da ist.

Auf dem Heimweg, als ich an der Haltestelle auf den Bus wartete, saß neben mir ein Deutscher. Er las in der Bildzeitung. Ich sah zwei Fotografien, die zwei ausländische Mitbürger zeigten.
Der eine, ein gut aussehender junger Mann im schwarzen Nadelstreifenanzug. Über dem Foto stand zu lesen: TOP. Daneben ein anderes Foto. Es zeigte auch einen Mann. Er war schlecht gekleidet, auch ein ausländischer Mitbürger. Über dem Foto stand zu lesen: FLOP.

Ich war wütend. Wütend über diese polarisierenden Fotos, das stigmatisierende Wort, das diese beiden Menschen in ihrem Sein zu identifizieren sich erdreistet.

Menschen lesen so was, Menschen glauben so was, Menschen lassen sich beeinflussen durch so was, Menschen lassen sich aufhetzen durch so was. Ich frage mich: Wohin führt so was?

Einst haben Deutsche jüdischen Menschen befohlen gelbe Sterne zu tragen, damit man sie erkennt, damit man sie ausgrenzen kann von den anderen Menschen. Das war der Anfang. Das Ende kennen wir.

Heute steht da Flop.

Ich habe Angst wie der alte Mann. Ich habe keine Angst um mich. Ich habe Angst vor den Menschen und dem was sie auch sind. Ich habe Angst um unsere Kinder.



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