Sonntag, 26. September 2010

Von Einer die auszog das Fürchten zu lernen

Von Einem, der auszog das Fürchten zu lernen.
Das ist ein Märchen. Vom wem es ist fällt mir gerade nicht ein. Spielt eigentlich auch keine Rolle. Eine die auszog das Fürchten zu lernen bin ich. Ja, ich bin das. Nein, nicht dass ich das vor hatte - das Fürchten zu lernen. Ich kann mich durchaus fürchten. Passiert mir allerdings selten. Angst habe ich öfter, aber Angst ist etwas völlig anderes als sich fürchten. Zum Fürchten gehört nämlich, dass da was Fürchterliches ist, so direkt vor einem. Also etwas, das einem unmittelbar situationsbedingt Furcht einflößt. Ein furchteinflößendes Ding, eine furchteinflößende Situation, ein furchteinflößender Mensch, ein furchteinflößendes Tier und so weiter, oder alles auf einmal.

Wer es genau wissen will, was Furcht von Angst unterscheidet kann ja jetzt mal googeln, damit er den Unterschied erkennt. Ich will mich grade nicht näher drüber auslassen.

Ich zog also aus via Wien, natürlich nicht um das Fürchten zu lernen, das hatte der Typ in dem Märchen, soweit ich mich erinnere, auch nicht direkt vor, war eher so eine Art Mutprobe, aber wir gesagt, ist jetzt egal.

Ich wollte mir ein paar schöne Tage machen und auch mal nachspüren, ob ich in Wien nicht vielleicht meine zweite Wohnstatt installiere. Wien ist wirklich eine inspirierenden Stadt. Sie atmet Historie und hat so was Melancholisches und das habe ich auch. Letzteres meine ich.

Ich kenne Wien auch schon ein bisschen, weil da mein Ex lebt bei dem ich zu unserer Zeit immer mal wieder einige Wochen verbracht habe. Ich fands schon damals inspirierend dieses Wien, vor allem weil es da fantastische Kunstausstellungen gibt und die Kunst, die liebe ich nun mal. "Art washes away the dust of every day life", wie Picasso so treffend erkannte. Na ja und ich hab immer ne Menge every day life dust an mir kleben, der weggewaschen werden muss. Es war also wieder mal Zeit für ein wash away.

Die ganze Zugfahrt, es sind exakt acht Stunden von Mainz nach Vienna, freu ich mich riesig auf die Kunst, aufs Wiener Schnitzel, die Mozartkugeln und die leckeren Käsewürstl am Stand vor der Albertina und die Kastaniensammlerei in den Prater Auen, vom Zentralfriedhof ganz zu schweigen.

Um halb acht hält der Zug am Wiener Westbahnhof. Ich bin ziemlich platt vom Zugfahren mangels Bewegung, die brauch ich nämlich mindestens ein Mal täglich, und setze mich gleich ins Taxi Richtung Ex, der mir freundlicherweise Unterkunft gewährt, weil er eh nicht da ist. Macht sich ein paar schöne Tage in Ibiza mit seiner Neuen und ich habe sturmfreie Bude. Denke ich mal so und freu mich weiter. Nachdem ich mir eine Pizza in den Ofen geschoben habe mache mir einen gemütlichen Abend vor seinem Riesen Flatscreen und gucke den Falco Film, der rumliegt um mich so richtig einzustimmen aufs Wiener Blut.

Der erste Tag verläuft dann auch überaus geschmeidig. Ein nettes Treffen mit einem netten Bekannten. Eine Latte im Central, ein leckeres Mittagessen in der warmen Wiener Herbstsonne und ein Aperolspritz im Museumsquartier zum Einstimmen auf das, was noch kommt.

Den Abend verbringe ich allein, weil ich zu viel Gesellschaft auf Dauer nicht aushalte und zum Schreiben kommen muss, sonst fehlt mir was. Bei Rotwein und Zigaretten tue ich das dann auch. Ich schreibe bis mir langsam die Augen zufallen und ich mich ins frisch gemachte Bett begebe. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag. Vienna ich komme! Mit dem Gedanken an Picasso, der in der Albertina auf mich wartet, schlafe ich selig ein.

Träume ich? Klar, ich träume, was denn sonst? Oder? "Raus hier", brüllt eine schrille Frauenstimme und ich denke, is ja gut, träumst wieder mal schlecht und will mich auf die andere Seite drehen, denn das hilft in der Regel bei schlechten Träumen. "Raus hier", keift es wieder. Na, das mit dem Umdrehen funktioniert dieses Mal nicht, denke ich, und mache dann doch mal die Augen auf. Ne, das ist kein Traum, echt nicht. Da steht der Liebhaftige vor mir, allerdings in Frauengestalt. Käthe Kruse Puppengesicht nach einem siebzigjährigem Alterungsprozess, stechende graue Augen und ein weit aufgerissener Schlund, der gar nicht mehr aufhört wüste Drohungen auszustoßen.

Die kenn ich doch, denke ich, dass ist doch die Mutter vom meinem Ex, die konnte mich schon damals auf den Tod nicht leiden. Also die hat mich echt das Fürchten gelehrt. Klar, dass ich auszog.















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