Freitag, 17. September 2010

Treffpunkt Internet

Ausser den Fotos und den Worten kenne ich nichts von ihm. Ich habe nicht einmal den Eindruck seiner Stimme. Nicht, das ich nicht versucht habe mit ihm zu telefonieren. Ich habe es versucht, mehrmals. Er sagte, er wolle das nicht. Ohne dieses Nichtwollen zu verstehen habe ich es akzeptiert.

Wir treffen uns fast täglich. Unser Treffpunkt ist das Internet. Wir verbringen Zeit miteinander. Wie in einer Tauschbörse wechseln wir unsere Gedanken und unsere Gefühle. Fremdes wird zu Vertrautem. Er sagt ich kenne dich gut. Ich sage ja und denke, kein Mensch kennt den anderen.

Wir haben viel gemeinsam, scheint es. Wir lieben was uns gleich ist. Das ist ein Satz von Rilke, den ich mag und den ich denke, manchmal, wenn ich seine Worte lese. An manchen Tagen denke ich an etwas wie lieb haben. Nicht Lieben, lieb haben. Das ist etwas anderes als Liebe.
Was die Liebe angeht, ich habe sie aus meinen Leben ausgeschlossen. Es gab sie. Sie war groß und dauerte lang und ich trage sie noch immer mit mir herum wie eine Last, die ich nicht abwerfen kann und abwerfen will. Er sagt, es gehe ihm ähnlich. Und dann denke ich wieder an den Satz von Rilke, der auch nichts ändert.

Auf eine gewissen Weise ist er ein Teil meines Lebens geworden. Ich weiß nicht, ob ich das gut finde. Wie können Fotos und Worte ein Teil meines Lebens ausmachen. Virtuelle Menschen sind flüchtiger als Menschen, denen wir ins Gesicht schauen.

Überhaupt, was machen wir da, frage ich mich. Und warum?
Vielleicht weil wir beide keinen haben, der uns beim Leben zuschaut. Das wollen wir alle, einen, der uns bei Leben zuschaut.

Ich weiß es ist ein illusionistisches Gebäude, an dem wir bauen. Es kann zusammenfallen wie ein Kartenhaus. Aber andererseits, alles kann in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus.






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