Die Welt ist in Aufruhr und die spirituell-esoterische Szene boomt.
Selbsternannte Welterklärer sprechen von der neuen Zeit, der kosmischen Wende, von der großen Transformation der Menschheit, von Satan, der kommt, von außerirdischen Angriffen auf die Menschheit und von der Apokalypse. Sie sprechen mit den Ahnen, behaupten sie sind hellsichtig, haben Kontakt zu den Engeln und geben vor zu wissen, was in der Welt gerade passiert. Sie sind auserkoren, sie wissen die Wahrheit, die hinter dem derzeitigen Weltgeschehen steckt und vor allem - sie allein wissen, was du zu tun hast um die große kosmische Wende zu überleben.
Das Netz ist voll von diesen spirituell-esoterischen Videos.
Die Aufrufe gehen in die Tausende. Sie ziehen viele Menschen an, die auf der Suche nach Heilung, Erfüllung, Sinn und innerem Frieden sind. Doch wie in vielen Bereichen gibt es auch hier gefährliche Fallstricke, die es zu beachten gilt.
Einer der größten Fallstricke ist die Kommerzialisierung der Spiritualität. In den letzten Jahren hat sich ein florierender Markt entwickelt, der von Videos, Workshops, Seminaren und Produkten geprägt ist, die rein auf Profit als auf echte Transformation ausgerichtet sind. Dies kann dazu führen, dass Menschen viel Geld für Angebote ausgeben, die ihnen letztlich nicht die erhoffte Erleuchtung oder Heilung bringen.
Ein weiterer Fallstrick ist die Gefahr der narzisstischen Selbstüberhöhung. In der spirituellen Szene gibt es die Tendenz der Protagonisten, sich selbst als „erwacht“ oder „erleuchtet“ zu betrachten, was zu einer übersteigerten Selbstwahrnehmung fernab jeder Realität führt. Diese führt dazu, dass diese "FührerInnen" sich von anderen abgrenzen, die Welt in gute und böse Menschen spalten und ihre Follower in den destruktiven Sumpf der Projektion ihrer eigenen verdrängten Schatten mithineinziehen, indem sie ihnen vermitteln – wir sind das Licht, wir sind die Guten. Auf diese Weise findet eine Art spiritueller Wettbewerb statt, anstatt echte Verbundenheit zu sich selbst und anderen aufzubauen. Einige spirituelle „FüherInnen“ sind zudem extrem dogmatisch und nehmen eine Haltung der Überlegenheit gegenüber anderen Weltanschauungen oder Glaubenssystemen ein, was zu Spaltung und Konflikten führt.
Der Mensch, besonders wenn er voller Angst und unsicher ist, sich ohnmächtig und orientierungslos fühlt, sucht nach schnellen Lösungen und Führung. Genau hier docken die Vertreter dieser spirituellen Szene an. Sie versprechen ihren Followern, dass sie durch bestimmte Praktiken oder Workshops innerhalb kurzer Zeit ihr Leben grundlegend verändern können. Diese Erwartung kann nur zu Enttäuschungen führen, dann nämlich, wenn die Realität nicht mit den idealisierten Prophezeiungen, Vorstellungen und Versprechungen der guruähnlichen Figuren und Gruppen übereinstimmt. Realität ist dasjenige, was nicht verschwindet, wenn wir ihr die Zustimmung entziehen.
Ein weiterer Fallstrick: Der Glaube an diese oft wortgewandten und charismatischen Anführer, die oft unkritisch und unreflektiert verehrt werden, kann zu einem Verlust der eigenen Autonomie und in emotionale Abhängigkeit führen, im schlimmsten Fall zu Manipulation und Missbrauch für deren eigene Zwecke – nämlich viel Geld verdienen.
Besonders Menschen, die in Krisen und verletzlichen Lebenssituationen sind, können leicht in Abhängigkeit geraten und ausgenutzt werden. All dies kann in Folge zu einem Rückzug von der Welt und in die soziale Isolation führen und die kritische Denkfähigkeit beeinträchtigen, bis dahin, dass sie sich selbst in diesem fremden Denken verstricken und mehr und mehr Schwierigkeiten haben, herauszufinden, was für sie wirklich wahr ist. Im Bestreben, sich einem bestimmten selbsternannten Lehrer anzupassen, können Menschen ihre eigene Identität und Individualität verlieren, was schließlich zu einem Gefühl der Entfremdung von sich selbst und den Mitmenschen führt.
Es ist wichtig für das eigene Seelenheil, sich dieser Gefahren bewusst zu sein und kritisch und mit klarem Blick zu hinterfragen, was wirklich hilfreich ist und einem selbst dient und was schädlich sein könnte. Ein gesunder Weg zur Spiritualität umfasst sowohl kritisches Denken als auch Offenheit. Es bedeutet der eigenen Intuition folgen und die innere Wahrheit nicht aus den Augen zu verlieren um sich nicht einem, von Fremden gemalten Weltszenario zu verlieren, das mit der Realität und einem selbst nichts zu tun hat. In einer Welt, die von esoterischen Begriffen und Konzepten geprägt ist, kann es leicht passieren, dass man sich von unbewiesenen Behauptungen oder pseudowissenschaftlichen Ansätzen leiten lässt. Daher ist es entscheidend, wach zu bleiben und achtam zu sein, sich Fragen zu stellen und die eigene Wahrheit zu finden, anstatt blind den Wahrheitskonstrukten anderer zu folgen.
Die spirituelle Reise kann bereichernd und transformierend sein. Wichtig ist, sich der Fallstricke bewusst zu sein und einen gesunden, kritischen Ansatz zu wählen. Echtes Wachstum entsteht nicht indem man blind anderen folgt, die vorgeben zu wissen wo es lang geht, sondern indem man seine eigene Wahrheit sucht, aus einer Balance zwischen Offenheit und Skepsis, zwischen Selbstreflexion und Selbstkenntnis.
Spirituelle Entwicklung ist kein YouTube Video und kein Workshop, sie ist ein langwieriger Prozess, der Geduld und Hingabe erfordert. Keiner kann das für uns erledigen, diesen Weg dürfen wir selbst gehen. Prozessorientiert und nicht ergebnisorientiert und vor allem mit einem klaren, unabhängigen Geist, sonst landen wir auf dem Holzweg.
„Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben.“
André Gide
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