Sonntag, 14. April 2019

Beziehung heilt nicht den inneren Mangel



Zeichnung A.W.
Je höher unsere Bewusstseinsstufe ist, desto mehr wissen wir was wir brauchen und was nicht, desto weniger machen wir Kompromisse, die unseren Bedürfnissen nicht entsprechen, auch wenn dies bedeutet wir leben allein, für eine Weile oder grundsätzlich. Ich kenne einige kluge und kreative Menschen, die alleine leben weil es ihnen nicht gelingt gleichgesinnte Menschen zu finden und sie lieber auf Gesellschaft verzichten mit der sie nichts Wesentliches teilen können, als ihre kostbare Zeit mit Oberflächlichkeiten und Zerstreuungen, die ihnen nichts geben, zu verschwenden. Diese Menschen können ihr Alleinsein genießen. Das ist ein Gefühl innerer Freiheit.

Andere Menschen können das nicht. Sie empfinden das Alleinsein als einen Zustand dunkler Einsamkeit, immer kurz davor in tiefe Depression verfallen oder sie zu haben. Menschen, die Alleinsein und nicht in Beziehung sein, nur schwer ertragen können sind Erwachsene, die von ihrem inneren Kind auf eine höchst unschöne Weise beherrscht werden. Meist sind es die gespeicherten kindlichen Gefühle der Zurückweisung, des Verlassenseins, der Ausgrenzung aus einer Welt, in der wir uns als Kind alleine nicht zurechtfinden, die im Alleinsein getriggert werden. Vielleicht ist es dieses Gefühl durch ein einmaliges Erlebnis entstanden, vielleicht aber auch durch viele Erlebnisse, in der Abweisung empfunden wurde.

Für die im limbischen System unsere Gehirns gespeicherten Gefühle ist es nicht von Bedeutung ob wir tatsächlich nicht angenommen und geliebt wurden oder ob wir das nur so empfunden haben. Die inneren Überzeugungen: „Ich bin nicht gewollt, ich habe keinen Platz, mich will keiner, ich bin nicht liebenswert", lassen sich nicht wegdenken, eben weil sie auf gespeicherten Gefühlen beruhen, die damals genau so gefühlt wurden.

Menschen, die das Alleinsein als schmerzhaft empfinden sind immer darauf bedacht in Beziehung zu sein. Kaum ist eine Beziehung zu Ende suchen sie schnell die nächste. Die ist dann meist auch nicht von langer Dauer. Beziehungen zerbrechen schnell, wenn es nicht um Liebe und Fülle geht, die dem anderen entgegengebracht wird, sondern um die Kompensation inneren Leere und innerer Einsamkeit.

Der Mangel des inneren Kindes soll von einem anderen weggemacht werden, sprich: Die innere Leere soll gefüllt werden, die innere Einsamkeit durch Zweisamkeit nicht mehr gespürt werden. Eine Erwartungshaltung die darauf wartet, dass von Außen gelöst wird, was innerlich im Argen liegt.
Nur dass das nicht geht. Genau das zeigt die gelebte Realität solcher Beziehungen meist ziemlich schnell. Dies führt dann zur Bestätigung der unguten inneren Überzeugungen, die ja noch immer da sind, weil sie nicht bewusst sind. Das Drama geht in den nächsten Akt. Ist die Trennung vollzogen kommt es zur Bestätigung und Verfestigung folgender destruktiver Überzeugungen: “Ich werde benutzt, keiner liebt mich. Ich bin zu anstrengend, der andere lässt mich fallen. Ich bin wirklich nichts wert und das obwohl ich mich aufgeopfert habe und alles für den anderen getan habe." Dies ist eine bittere Interpretation des Ganzen, die leider nicht wahr ist, auch wenn Betroffene das zutiefst glauben.
Wahr ist, Liebe kann man nicht bekommen, wenn man damit einen Zweck verfolgt, nämlich die innere Leere füllen zu wollen.

Wer leer ist hat nichts zu geben und das spürt der andere instinktiv und wendet sich irgendwann ab. Oder anders herum, wenn Menschen, aus einem Mangel heraus agieren, wird ihr inneres Loch niemals gefüllt werden können. Enttäuscht wenden sie sich dann von dem ab, der ihnen die Fülle, die sie so dringend brauchen, nicht geben kann. Ein Teufelskreis ohne Ende. Es sei denn wir beginnen uns uns selbst zuzuwenden, sprich diesem verstörten Kind im Schatten unserer Seele, das nichts mehr braucht als einen, der es endlich sieht in seinem Drama.

Dieses Kind braucht einen starken reifen inneren Erwachsenen, an den es sich wenden kann, der es endlich wahrnimmt und es ernst nimmt und der es an der Hand nimmt und mit ihm in seine tiefsten Ängste und seine dunkelsten Gedanken hinabsteigt.
Dieser reife innere Erwachsene muss herausgebildet werden, denn es gibt ihn noch nicht. Es gibt den, der dem Kind im Schatten blind folgt. Also muss dieser erst einmal sehend werden.
Damit beginnt die innere Kind Arbeit, die wenn sie getan ist, einen Weg in die Freiheit bahnt.

2 Kommentare:

  1. Volle Zustimmung, was das Handeln aus dem Mangel heraus angeht.

    Was mir aber auffällt: In den ersten Absätzen klingt es so, als setztest du "allein sein" und "allein leben" gleich - und beides mit "nicht in Beziehung sein".

    Ich lebe / wohne allein, bin jedoch in Beziehungen - zu meinem Liebsten und zu wichtigen Freunden. Und so lebe bestimmt nicht nur ich!

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