Dienstag, 15. März 2016

Aus der Praxis – Vom Umgang mit Kränkung

Malerei AW 2016


Kränkungen erfahren wir alle im Laufe unseres Lebens. Sie sind mehr oder weniger intensiv. Die tiefste Kränkung, die wir als Erwachsene empfinden, sind der Verrat eines Freundes und der Betrug, die Lüge oder der Vertrauensbruch des Lebenspartners oder naher Angehöriger.

Wir sind als Menschen kränkbare Wesen.

Eine Kränkung kommt immer von Außen.
Die Kränkung ist keine Emotion. Sie löst zwar Emotionen aus,  aber sie ist in ihrem Wesen eine eine Interaktion zwischen dem Kränkenden, dem Empfänger der Kränkung, und dem, was die Kränkung ist – eine Kränkungsbotschaft. Die Kränkung hat immer einen destruktiven Charakter, sie hat etwas Verletzendes. Immer trifft sie einen sensiblen Punkt.

Es ist ein Kennzeichen der Kränkung, dass sie über lange Zeit  schwelt. Sie entwickelt sich einem gärenden Prozess gleich, bis sie zum Durchbruch kommt.
Eine Kränkung ist eine nachhaltige Erschütterung des Selbst und seiner Werte. Tiefe Kränkungen, bsonders von Menschen, die wir lieben, können zur Krise führen, zu seelischen und körperlichen Krankheiten. Im schlimmsten Falle führt sie zur Verbitterung, der Mensch stirbt innerlich, er resigniert, die Wunde der Kränkung ist nicht mehr zu heilen.

Alle Kränkungen haben den Effekt, dass sie zur Ent-täuschung führen. Es ist die bittere Erkenntnis der Selbsttäuschung der man unterlegen ist, das Erkennen, dass man sich hat täuschen lassen. Dieses Gefühl führt über die Kränkung zur Selbstkränkung,  ein Zustand, der das bisherige Wertesystem eines Menschen zutiefst erschüttern kann.


Demnach sind Kränkungen Situationen, die zu viel Unglück und Seelenleid führen können. Eine Kränkung ist das Erleben, das wir uns entwertet, gedemütigt und erniedrigt fühlen. Wir sind als Menschen nun einmal kränkbare Wesen. Erleben wir eine Kränkung, fühlen wir uns in unserem Selbstwertgefühl verletzt. Bei besonders sensiblen Menschen kann eine Kränkung dazu führen, dass das ganze Lebensgefühl in die Minderwertigkeit sinkt. Kränkungen mindern uns gefühlt in unserem Wert – wir haben das Gefühl von innerer Entwertung. Es kommt zu Gefühlen von Ohnmacht, Scham, Wut, Trauer oder gar Verzweiflung. Eine tiefe Kränkung kann sogar eine Lebenskrise einläuten und manche Kränkungen gehen so tief, dass wie sie ein Leben lang mit uns herum tragen.

Kränkungen kränken wie das Wort schon sagt. Sie schwächen unsere Lebensenergie, weil sie uns das Gefühl der Erniedrigung geben. 

Jede Kränkung ist Ausdruck der Missachtung eines Anderen, die uns trifft oder sogar treffen soll. Wenn wir uns gekränkt fühlen, verlieren wir das innere Gleichgewicht. Kränkung führen zu Unfrieden mit uns selbst und dem, der uns gekränkt hat. Kränkungen in einer Beziehung fungieren im schlimmsten Fall als Beziehungsguillotine. Mit einer Kränkung endet die Beziehung abrupt und ohne jede Chance auf Wiederbelebung.
Wie gesagt: Eine Kränkung ist immer der Ausdruck der Missachtung eines Anderen uns gegenüber. Egal ob er uns zurückweist, belügt, verrät oder betrügt, die Kränkung macht uns zunächst einmal enorm wütend. In der Psychologie spricht man auch von der Kränkungswut, die nichts anderes will als sich am Anderen rächen und ihn zerstören. Rache aber führt zu nichts, außer dass sie zwei Gräber schaufelt. Nicht hilfreich also um aus dem erstickenden Sumpf des Gekränktseins wieder aufzutauchen. 

Besser ist wir nutzen die Wut konstruktiv. 

Konstruktive Wut ist eine Form der Aggression, die uns schützt. Sie sagt Stopp! Sie schützt uns nicht nur, sie führt dazu, dass wir dem anderen die Verantwortung für sein kränkendes Handeln zurückgeben und ihm signalisieren: "Hier ist meine Grenze!" Wir haben die Wahl. Auch nach der ersten Wut können wir noch sagen: Wenn der andere uns mies behandelt kann ich es als Entwertung nehmen, aber ich kann es auch bei ihm lassen. Wir können uns sagen: Du kannst mich nicht kränken, du kannst mich zwar schlecht behandeln, aber du kannst mir meinen Selbstwert nicht nehmen. Ich lasse das nicht zu.
Aber so einfach ist es nicht, das weiß ich sehr gut aus meiner jüngsten Erfahrung mit Kränkung. Es ist schwer, weil das, was wir als Kränkungen empfinden in der Regel dort ansetzt wo der Andere unseren wunden Punkt trifft, dort wo wir ein unverarbeitetes Thema haben. Das ist der Grund dafür, dass wir uns Kränkungen gegenüber nicht abgrenzen können – jede Kränkung setzt immer nur da an, wo man einst unser Selbstwertgefühl massiv verletzt hat. Meist waren wir da sehr kleine Wesen.

Um Kränkungen zu überwinden ist es wenig sinnvoll den Anderen zurück verletzen zu wollen. War sie gefühlt weniger schlimm für uns, können wir versuchen mit dem Anderen darüber zu sprechen, wir können ihm sagen, was sein verletzendes Handeln oder seine kränkenden Worte mit uns machen und wir können ihn fragen, weshalb er das gemacht hat – vorausgesetzt der Andere zeigt Empathie und versucht unsere verletzten Gefühle zu verstehen. Tut er das nicht, macht es keinen Sinn diesen Menschen weiter in unseren Leben zu beherbergen, in welcher Form auch immer. Dann ist es besser uns abzuwenden. Und uns uns selbst zuzuwenden und zwar unseren Gefühlen. Wenn wir das tun, begreifen wir - die Kränkung hat mit uns selbst zu tun und nicht wesentlich mit dem anderen. 

Es macht Sinn die Gefühle, die ob einer Kränkung auftauchen, zuzulassen, ihnen nachzuspüren, sie beobachtend anzuschauen und herauszufinden, was sie uns über uns selbst zu erzählen haben. 

Schmerz, Scham, Angst, Wut, Trauer – all das sind Gefühle, die mit der Kränkung einhergehen. Schmerz weil es weh tut, wenn wir erniedrigt werden und wir begreifen wie verletzlich wir doch sind. Angst weil wir denken, wir sind wertlos, nicht achtens-und und liebenswert und wir begreifen, dass wir uns selbst nicht genug achten und lieben. Scham, weil sie unsere Grenzen auflöst und wir das Gefühl haben unser Gesicht zu verlieren. Scham, auch wenn es viele von uns nicht zugeben wollen ist das stärkste Gefühl, das einer Kränkung folgt. Wenn wir uns schämen fühlen wir uns ausgeliefert, wir fühlen uns klein und in Grund und Boden gerammt und genau darin, möchten wir dann auch am Liebsten versinken. Aber die Scham zeigt uns auch: Jetzt brauchen wir Trost und Schutz. Wut, weil wir spüren, wir sind ohnmächtig, wir haben nicht über alles die Kontrolle, schon gar nicht über andere Menschen. Wir sind machtlos, der Pfeil der Kränkung hat uns getroffen. Wir begreifen wieder einmal wie wenig wir doch beeinflussen können, auch wenn wir uns das immer wieder vormachen.Trauer weil man uns als Mensch gedemütigt und ent-täuscht hat. Wir begreifen, dass es keine Sicherheit im Leben gibt und keinen Halt, den wir im Außen festmachen können. Wir können lernen, dass Sicherheit ein Ort in uns selbst ist.

All diese Gefühle sind starke Gefühle, es sind existentielle Gefühle, die uns die Kränkung um die Seele haut. Gefühle, die wenn wir sie zulassen, sehr viel über das Wesen unserer Existenz erzählen: Sie ist brüchig und je abhängiger wir uns von anderen machen, desto instabiler sind wir. Und je instabiler wir sind, desto leichter fallen wir nach einer Kränkung in die Bodenlosigkeit. Aber genau das zu akzeptieren ist die große Herausforderung: Es gibt keinen Boden, der nicht unter uns einbrechen kann. Das ist die große Desillusionierung.
Wie hält ein Mensch das aus?
Indem er ja sagt zur Bodenlosigkeit, indem er anerkennt, das sie eine der großen Wahrheiten unseres irdischen Lebens ist, indem er trotzdem jeden Tag mit seinen Füßen den Boden der Erde betritt und mit Freude und Dankbarkeit sein Leben gestaltet im Wissen der Weisheit, dass das Fallen dazu gehört. Am Ende fallen wir alle - in den Tod. Gut das Sterben im Leben geübt zu haben.



Ich wurde in diese Welt geboren,
Ich verlasse sie mit meinem Tod
In tausend Städte
Haben meine Füße mich getragen
Und in ungezählte Häuser -
All dies, was ist es?
Ein Mond spiegelt sich im Wasser,
Eine Blume treibt im Himmel,
Ho!

Sterbegedicht eines Zen-Meisters











6 Kommentare:

  1. Guten Morgen Angelika,

    das geht tief bei mir, was du schreibst.
    Danke für deine Gedanken.

    Herzlichst
    Linda

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  2. gutem morgen,linda,

    ja, bei mir auch ...

    hab es gut!

    herzlich,
    angelika

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  3. Vielen Dank für diese berührenden Worte.

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  4. Das tröstet mich im Moment sehr.cerade zum richtigen Zeitpunkt.Danke

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