Vertrauen ist
der Mut sich verletzlich zu zeigen. Deshalb ist es um so schmerzhafter, wenn wir
vertrauen und die Erfahrung machen, dass gerade dieser Mut nicht wertgeschätzt, sondern enttäuscht wird. Wir alle
wollen vertrauen, wir alle sehnen uns danach anderen und vor allem uns selbst
Vertrauen schenken zu können. Der Wunsch zu vertrauen ist eine zutiefst
menschliche Sehnsucht, eine Sehnsucht die dem Wunsch entspringt Halt zu finden.
Woran sollen wir uns halten, in einem Leben, in dem nichts sicher ist, in dem
wir alles erfahren und erleben können auf der unendlichen Klaviatur von Möglichkeiten mit all den
Zwischentönen, die da sind, auch den schiefen.
Wir wollen vertrauen und auch die unter uns, deren Vertrauen missbraucht wurde, vielleicht sogar oft, wollen es immer noch und immer wieder. Irgendwo tief in uns wissen wir, wenn wir das Vertrauen verlieren, verlieren wir den Glauben an das Leben selbst, wir verlieren das Gottvertrauen, das uns in die Wiege gelegt wurde wie die Liebe. Vertrauen ist der Glaube an die Richtigkeit, die Ehrlichkeit und an die Wahrhaftigkeit von Personen oder Handlungen von Personen.
Für unsere
seelische Gesundheit und unsere Fähigkeit im Leben zu bestehen ist Vertrauen
von essentieller Bedeutung. Darauf vertrauen, dass alles gut geht, dass wir an
einem sicheren Ort sind, dass wir gesund bleiben, dass unser Partner, unsere
Familie und unsere Freunde zu uns stehen, dass wir von etwas, das größer ist als wir, getragen und
aufgefangen werden, ist von essentieller Bedeutung um
zuversichtlich unseren Lebensweg zu gehen, um die Hoffnung zu behalten und an das Gute zu glauben.
Jenseits aller romantischen Verklärung aber ist das Vertrauen mehr als Glaube und Zuversicht, es braucht ein Fundament. Dieses Fundament basiert auf den Erfahrungen, die wir als Kind gemacht haben. Haben wir als Kind emotionale Sicherheit erlebt und daraufhin entwickeln können, tragen wir das positive Grundgefühl in uns, dass wir dem Leben und den Anderen vertrauen können, dass sie verlässlich sind. Wir spüren emotionale Sicherheit und diese wird zur Grundhaltung, die sich durch das ganze weitere Leben zieht. Besitzen wir diese Grundhaltung heißt das, wir haben Urvertrauen entwickeln können. Urvertrauen entsteht aus der Erfahrung, dass zwischen der äußeren Welt und den Bedürfnissen des eigenen Inneren eine hohe Übereinstimmung herrscht.
Neben dem Erleben des Vertrauens wird aber auch von jedem Kind das Misstrauen erlebt, indem z. B. die Mutter beginnt das Kind auch hin und wieder alleine zu lassen, um in einem anderen Raum zu arbeiten. Die Zeitspannen, in den das Kind alleine ist, fördern sein Misstrauen. Für eine normale Entwicklung ist dies aber notwendig, denn es ist wichtig, dass das Kind beide Pole – also Vertrauen und Misstrauen erfährt. Entscheidend aber ist, dass sich das Vertrauen stärker entwickelt. Ein gesundes Urvertrauen entwickeln wir dann, wenn Eltern, bzw. Bezugspersonen, kontinuierlich liebevoll, verlässlich und fürsorglich für uns da sind. Wenn Eltern oder Bezugspersonen ein Kind gefühlsmäßig ablehnen, es vernachlässigen oder sogar misshandeln, ist es nicht fähig Vertrauen zu entwickeln. Es misstraut der Welt und erlebt sie als einen unsicheren Ort.
Die erste Bedeutung des “Urvertrauens” geht auf Forschungen des amerikanischen Psychologen Harry Harlow zurück, der die Intelligenz und das Sozialverhalten von Rhesusaffen studierte. Nach dem Psychoanalytiker Erik H. Erikson dessen Entwicklungstheorie auf Sigmund Freuds Dreiphasentheorie basiert, aber auf acht Phasen erweitert ist, ist das Erlangen des Urvertrauens die erste Stufe des Stufenmodells unserer psychosozialen Entwicklung. Urvertrauen entwickelt sich im ersten Lebensjahr und steht dem Urmisstrauen gegenüber.
Erikson bezeichnet das Gefühl des Urvertrauens
als ein „Gefühl des Sich-Verlassen-Dürfens“, was heißt: Das Kind ist angewiesen
auf die Verlässlichkeit seiner Bezugspersonen. Werden ihm körperlicher Nähe,
Sicherheit und Geborgenheit verweigert,
entwickelt es Bedrohungsgefühle und
Ängste, da die weitgehende Erfüllung dieser Bedürfnisse für das Kind überlebenswichtig sind. Zum anderen
verinnerlicht es das Gefühl seine Umwelt nicht beeinflussen zu können und in
der Folge - ihr hilflos ausgeliefert zu sein. Hier entsteht
die Gefahr der Etablierung eines Ur-Misstrauens.
Das Kind entwickelt Ängste
des „Leergelassenseins“ und „Verlassenwerdens“. Da es die Zuverlässigkeit und
die Glaubwürdigkeit anderer nicht erlebt und so auch kein Vertrauen entwickeln
kann, entwickelt es auch kein Vertrauen in die Zuverlässigkeit seiner selbst. Geprägt
wird auf diese Weise ein Mensch voller Zweifel und Selbstzweifel, voller
Misstrauen gegen andere, ohne Selbstvertrauen und dem Gefühl innerer Leere.
Wer kein Urvertrauen aufbauen konnte ist ein
unsicherer, innerlich einsamer Mensch, der in seinem In-die-Welt-geworfen-Sein wie in einer Nussschale auf dem Ozean treibt, ohne Halt und ohne das Gefühl getragen zu werden.
Was, wenn uns dieser Vertrauensvorschuss aus der Kindheit fehlt?
Kann Vertrauen wachsen, gibt es eine Möglichkeit doch noch Vertrauen zu lernen?
Es ist ein
fundamentaler Irrtum, Vertrauen entstünde, wenn man es übt oder es immer wieder
neu versucht, es „verschenkt“, wie man landläufig sagt. So entsteht allenfalls Vertrautheit,
aber kein wirkliches Vertrauen. Vertrauen ist viel mehr: Es ist die Gewissheit,
sich auf Menschen verlassen zu können, auf das Leben selbst und vor allem: auf sich
selbst.
"Du musst mir einfach vertrauen!" Auch das hilft dem, der kein Urvertrauen erfahren hat, nichts. Vertrauen kann man nicht einfordern und nicht haben wollen. Jeder Versuch etwas gewaltsam herstellen zu wollen muss scheitern. Er bewirkt nämlich exakt das Gegenteil – inneren Widerstand.
Ein in der Kindheit nicht
erlangtes Vertrauen entwickelt sich wie eine Pflanze. Man muss es säen, es muss
wachsen und zwar freiwillig und allmählich, so wie es der Pflanze entspricht.
Und dennoch, auch dann bleibt Vertrauen, bei denen, die es nie gelernt haben,
eine zarte Blüte, die nicht
kräftiger wird allen durch Zeit. Auch ein hohes Maß an
gegenseitigem Vertrauen beispielsweise kommt nicht dadurch zustande, dass man
einander lange genug kennt. Gewohnheit ist zwar Vertrautheit aber Vertrautheit
ist noch lange nicht Vertrauen. Vertrauen ist keine
Frage der Zeit, es ist keine Frage des Wollens - es ist eine Frage des
Könnens – und manche Menschen können es aus all den oben aufgeführten Gründen
nicht oder nicht sonderlich gut.
Was bleibt? Nun, entweder ein Leben im Glashaus, in dem wir niemanden an uns heranlassen oder der
immer neue Versuch Vertrauen zu üben, getragen vom Mut und der Einsicht auch Enttäuschungen als sinnvoll
und lehrreich anzuerkennen. Und letztlich ist es doch so: Nichts im Leben ist sicher, außer,
dass nichts sicher ist. Lassen wir seine Endlichkeit einmal außen vor.
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