Sonntag, 2. Februar 2025
Um was geht es wirklich
Montag, 27. Januar 2025
Geradewegs gegen eine Wand
Malerei: A.Wende
„Beschleunigte Prozesse werden dort problematisch werden, wo sie unser Weltverhältnis so verändern, dass es zu Entfremdung vom eigenen Dasein führt“, so der Soziologe Hartmut Rosa sinngemäß.
Wir sind mittendrin in diesem Prozess der Entfremdung.
Höher, schneller, weiter. Selbstoptimierung, Prozessoptimierung und Maximierung als Maßstab. Und wir vergessen dabei: Ein zu schnelles und zu hohes Tempo in allen Lebensbereichen führt zu Überforderung und Anpassungsstörungen. Immer im Außen, immer im Funktionsmodus, immer informiert sein, überall mitreden können, nichts verpassen. So leben unzählige Menschen.
Die Folge – sie verpassen sich selbst und sind irgendwann ausgebrannt.
Wie Rosa richtig sagt – Selbstentfremdung, vom eigenen Dasein entfremdet.
Von Oben betrachtet:
Funktionierende menschliche Teilchen einer sich selbst überholenden Geschwindigkeit.
Das Gefühl für das Wesentliche schwindet im selben Maße wie diese Teilchen durchs Leben hetzen und rennen.
Alles ist flüchtig.
Flüchtig werden Headlines gelesen, flüchtig werden What´s App geschrieben, flüchtig wird im Internet gescrollt, flüchtig wird getextet, anstatt geredet. Ich war entsetzt als mir neulich ein Klient erzählte, er habe vom Tod der Mutter via Textnachricht erfahren.
Das ist nicht wahr habe ich gedacht, und doch es ist wahr.
Die Selbstentfremdung und die Entfremdung vom Nächsten gehen nebeneinander her.
Die Empathiebereitschaft und die Empathiefähigkeit uns selbst und anderen gegenüber sinkt.
Statt miteinander verbunden, verbinden wir uns mit technischen Geräten um uns verbunden zu fühlen. Ständig kleben wir an unseren Smartphones, als sei darin die Welt enthalten und sonst nirgendwo. Wir sind in Kontakt mit künstlicher Intelligenz, aber nicht mit uns selbst und unserem Nächsten.
Wohin führt das?
Vereinzelung, innere, äußere Isolation, Einsamkeit und Vereinsamung sind die Seuche unserer Zeit. Wir sind mehr und mehr emotional degenerierte narzisstische Wesen, die sich um sich selbst und um eine immer künstlicher werdende Welt drehen, bis uns schwindelig wird und der klare Geist aufweicht, ganz zu schweigen von den immer kälter werdenden Herzen.
Eine Welt wie ein Irrenhaus in der man nicht einmal mehr weiß, wer die Irren sind – die Insassen oder die Betreuer oder beide.
Wir leben in einem virtuellen Raum, in dem wir täglich millionenfach filterlos Reize aufnehmen und kein Raum zwischen Reiz und Reaktion. Wahllos wird temporeich konsumiert ohne das Konsumierte überhaupt verdauen zu können. Flüchtig wird Essen hineingeschoben ohne es überhaupt zu schmecken. Flüchtig werden Beziehungen geführt und wieder beendet, per Textnachricht oder indem geghostet wird.
Flüchtig sind wir in hoher Geschwindigkeit auf der Flucht.
Vor wem?
Vor uns selbst und wir merken es nicht einmal, eben wegen der rasend hohen Geschwindigkeit in der wir konsumieren und agieren.
Wo wir hinrasen? Geradewegs gegen eine Wand.
Sonntag, 26. Januar 2025
Innere Ruhe finde
Samstag, 25. Januar 2025
Aus der Praxis: Sich sorgen
Malerei: A.Wende
Freitag, 24. Januar 2025
Altern
Foto. A.Wende
Donnerstag, 23. Januar 2025
Geduld
Foto: A.Wende
Dienstag, 21. Januar 2025
"Ich kann nicht mehr!" Krisen im Alter
Malerei: Angelika Wende
Jeder Mensch kann in eine kritische Situation
oder in eine Krise geraten. Ich selbst habe in meinem Leben einige Krisen
durchlebt und bin jedes Mal stärker daraus hervor gegangen. Das gelingt nicht jedem Menschen und auch dem,
dem es immer gelungen ist mit Krisen fertig zu werden, kann an einen Punkt
kommen, wo er das Gefühl hat: "Ich kann nicht mehr!"
Im Chinesischen steht das Wort Krise steht wéi für Gefahr und Risiko, sowie das Zeichen jī für Chance und Gelegenheit. Eine Krise ist ein entscheidender oder ein gefährlicher Moment im Leben. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Wir meistern die Situation und überwinden die Krise und wachsen daran oder wir sind überfordert und zerbrechen daran.
Je älter wir sind, desto mehr Lebenserfahrung haben wir, auch was Krisen angeht.
Die meisten von uns haben alle Krisen irgendwie gemeistert. Je älter wir werden, desto stärker und resilienter werden wir, könnte man meinen, aber das ist nicht immer so.
Je älter wir werden, desto fragiler können wir werden, desto weniger Energie und Kraft steht uns zu Verfügung, die wir noch in jungen Jahren hatten. Wir haben viel erlebt und manches blieb nicht in den Kleidern stecken. Auch unsere Resilienz kann sich aufbrauchen. Dazu kommt, dass wir viele Verluste erlebt haben und je älter wir werden, desto mehr werden es. Wir verlieren Menschen, die uns Halt gaben und Menschen, die die wir lieben.
Viele ältere Menschen sind mehr und mehr auf sich selbst zurückgeworden. Ein neues soziales Umfeld zu schaffen, das die eigenen Bedürfnisse erfüllt und mit dem Resonanz möglich ist, fällt aus vielerlei Gründen nicht leicht. Kommt dazu noch eine schwere Krise, kommt der Moment, wo wir denken: „Ich kann nicht mehr!“
Dieser Gedanke ist ein Signal der Psyche, wenn alles zu viel wird.
Sich das einzugestehen kann eine Erleichterung sein.
Trennung, der Tod eines geliebten Menschen, Eintritt ins Rentenalter, eine schwere Krankheit, körperlicher Verfall, Überforderung oder Unterforderung, weil wir keine Aufgabe mehr haben, uns nicht mehr gebraucht fühlen, Langeweile, Leere, gefühlte Sinnlosigkeit, Sinnverlust, Einsamkeit und Vereinsamung sind typische Krisensituationen im Alter.
Findet sich kein Ausweg, kann all das in eine schwere Lebenskrise führen.
Wir fühlen Angst, Ohnmacht und Hilflosigkeit. Wir sind traurig. Wir spüren Wut. Wir resignieren. Wir sind hoffnungslos und verzweifelt. Vielleicht möchten wir nur noch auf dem Sofa liegen oder kommen kaum noch aus dem Bett.
Es gibt kein „Wozu“ mehr um am Morgen aufzustehen.
Diese Gefühle und Zustände sind sehr belastend. Sie drücken nach Unten.
Sie sind schwer auszuhalten.
Vielen Menschen, besonders Männern, fällt es schwer, um Hilfe zu bitten.
Es ist schwer zu sagen: „Ich komme gerade mit meinem Leben und mit mir selbst nicht zurecht.“ Manche Menschen machen deshalb Folgendes:
Sie ziehen sich zurück, sie lassen sich gehen, sie haben keine Tagestruktur mehr. Sie trinken zu viel Alkohol, sie fangen an zu rauchen oder rauchen mehr als früher. Sie essen zu viel und/oder zu ungesund oder sie essen kaum noch. Sie nehmen Psychopharmaka um die belastenden Gefühle zu betäuben. All das sind Suchtstoffe und unheilsame Verhaltensweisen, die schnell zur Gewohnheit werden, abhängig machen und auf Dauer zerstörerisch wirken.
Gefühle wie: „Ist doch auch schon egal!“ „Ich bin alt. Mein Leben ist eh nicht mehr lebenswert.“ Oder eben: „Ich kann einfach nicht mehr", sind nachvollziehbar.
Hört man genauer hin, steckt hinter dem „nicht mehr können“ oft ein: „Ich will nicht mehr.“
Hinter “nicht mehr können und “ nicht mehr wollen” stecken Gefühle und Gründe.
Diese gilt es zu herauszufinden.
Gefühle wie diese sagen uns auch: Bleib stehen und halte inne.
Sie signalisieren wie groß die Erschöpfung der Psyche ist.
Fast jeder Mensch empfindet manchmal so.
Das ist kein Zeichen von Schwäche.
Es ist ein Zeichen, dass die Krise jetzt
Gefahr signalisiert.
Ein Mensch, der nicht mehr weiter weiß, der nicht mehr können will, braucht Hilfe.
Wer nichts tut, bleibt in der Krise stecken. Die Spirale geht weiter nach Unten.
Doch woher Hilfe nehmen, wenn da vielleicht
keiner mehr ist, dem wir uns anvertrauen können? Wer hört zu? Wen interessiert
es? Wer ist wirklich bereit zu helfen? Wer ist bereit da zu sein, mitten in der
Krise, durch die Krise? Wer hat die Zeit, die Bereitschaft und die Kraft einen Menschen
zu begleiten, auf seinem Weg durch die dunkle Nacht der Seele?
Ich wünsche jedem, dass er einen Menschen hat oder findet, der ihn ernst nimmt, mit all seinen Gefühlen und Ängsten. Einen, der wirklich zuhört ohne zu bagatellisieren oder gut gemeinte Ratschläge zu geben, einen, der einfach da ist, der versteht und nicht bewertet.
Für viele Menschen die in einer Krise stecken, ist es schon eine große Hilfe über ihre Gefühle zu sprechen und vor allem: verstanden zu werden.
Das ist der Anfang die Chance zu nutzen, die sich in der die Krise bietet: Reden, Verständnis suchen und verstanden werden. Dann erst Lösungen finden um weiter zu machen.
Es gibt immer eine Lösung, die wir in der Krise allein nicht sehen können.
Dafür bin ich da, um zu verstehen und um Lösungen zu finden, wenn da sonst keiner ist.
Diese Woche biete ich wieder kostenfreie Erstgespräche an.
Wenn Du Hilfe brauchst, schreib mir dazu gerne unter: aw@wende-praxis.de.
„Es ist nie zu spät, das eigene Leben neu zu gestalten.
Selbst in den schlimmsten Zeiten können wir uns für einen Sinn entscheiden.“
Viktor Frankl
Montag, 20. Januar 2025
Aus der Praxis: Was nützt Erkenntnis?
Gemälde: Kerstin Lichtblau
Sonntag, 19. Januar 2025
Neue Wahrheiten
Zeichnung: A.Wende
Lange glaubten die Menschen, dass die Erde das zentrale Element im Weltraum sei und das Meer der Anfang vom Ende der Welt sei, bis der Astronom Galileio Galilei eine Entdeckung machte und behauptete, dass die Sonne der Mittelpunkt unseres Planetensystems ist und die Himmelskörper um die Sonne kreisen.
Galileio´s neues Weltbild aber widersprach dem, was die Menschen glaubten. Vor allem die Katholische Kirche wehrte sich dagegen, denn, was der Astronom sagte, widersprach der Bibel. Nach seiner Verurteilung durch die Inquisition der katholischen Kirche wurde Galilei verboten seine Lehre zu verbreiten.
"Eppur si muove!" - "Und sie bewegt sich doch!" soll Galileo Galilei gesagt haben, als er nach seiner Verurteilung den Raum verließ.
Heute wissen wir, er hatte Recht. Seine Entdeckung hat die Welt verändert.
Attackieren, ausgrenzen, verurteilen – Galileio´s Geschichte ist nur ein Beispiel dafür, wie Menschen reagieren und handeln, wenn etwas nicht in ihr Glaubenssystem passt und ihm widerspricht: Sie verschließen sich neuen Gedanken und Erkenntnissen, sie schließen die, die ihnen neue Wahrheiten anbieten aus, sie verurteilen sie und sie machen sie mundtot, so sie das können.
Das war früher so und das ist heute so.
Menschen werden unruhig, wenn man an ihren Glaubensmustern,
Überzeugungen, Vorstellungen und selbsterschaffenen Wirklichkeiten kratzt, wenn
einer an ihren Suggestionen und Automatismen rüttelt. Sie bekommen es mit der
Angst zu tun. Der Halt, der sie gehalten hat, könnte ins Wanken kommen,
die Welt, die berechenbar erschien, könnte unberechenbar werden. Strukturen
könnten sich auflösen, die alte Wahrheiten wie Leim zusammenhalten. Ihre
selbsterschaffenen Götter könnten sich als Illusion erweisen.
Bloß alles beim Alten lassen.
Bloß nichts Neues zulassen.
Auch wenn das Alte längst überkommen ist und zu nichts Gutem geführt hat.
Bloß nichts ändern.
Jeder der seine eigene Wahrheit hat, die alte Denkweisen in Frage stellt und es wagt sie zu äußern, geht auf dünnen Eis. Er macht sich unbeliebt, er macht sich angreifbar, er passt nicht in die Welt so wie die Masse sie zu sehen gelernt hat. Wer es wagt alte Glaubensmuster, Konzepte und Therorien in Frage zu stellen oder gar neue Einsichten und Wahrheiten zu verbreiten, geht das Risiko ein, attackiert ausgrenzt und ausgestoßen zu werden.
Wer selber denkt ist suspekt. Er fällt aus dem Rahmen des Denkrahmens, auf den sich das Kollektiv geeinigt hat.
Er hat die Wahl zu schweigen oder weiter seine Wahrheit zu vertreten und für sie einzustehen. Viele dieser freien Denker schweigen dann, denn als Ausgestoßener lebt es sich schwer. Manche aber schweigen nicht, so wie Galileo Galilei es getan hat. Er und all die anderen, die ihre eigenen Wahrheiten suchen, finden und für sie einstehen, haben meinen tiefen Respekt, denn sie sind es, die uns weitergebracht haben und weiter bringen.
Wie sagte Galileio einst?
„Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass der selbe Gott, der uns mit Sinnen, Verstand und Vernunft ausgestattet hat, von uns verlangt dieselben nicht zu benutzen."
Genauso sehe ich das auch.
Freitag, 17. Januar 2025
Spirituelle Co-Abhängigkeit
Mittwoch, 15. Januar 2025
Selbstwirksamkeit
Malerei: A.Wende
Dienstag, 14. Januar 2025
Verletzlichkeit
Verletzlichkeit bedeutet nicht, dich selbst zu verlieren.
Verletzlichkeit bedeutet, von einem Ort der inneren Stärke heraus zu teilen.
Verletzlichkeit ist eine Entscheidung, deine Authentizität zu offenbaren
und dabei in deiner Würde und Selbstachtung verankert zu sein.
Montag, 13. Januar 2025
Was ist dran am Klischee vom intelligenten, glücklichen Einzelgänger?
Foto: A.W.
Eine Studie aus dem British Journal of Psychology zeigte vor einigen Jahren, Hochintelligente Menschen, the extremely intelligent, genannt, erfahren weniger Zufriedenheit in sozialen Kontakten. Damit stehen sie im Gegensatz zur Mehrzahl der Menschen, bei der Sozialisation mit anderen Menschen einer höheren Lebenszufriedenheit gleichkommt.
Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen einander, das haben zahlreiche Wissenschaftszweige belegt. Der Reiligionsphilosoph Martin Buber brachte es auf den Punkt: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Der Mensch wird am Du zum Ich“, denn nur in Beziehung zu einem Du kann sich unser Ich entwickeln. Mit "Du" meinte Buber dabei unsere Mitmenschen als auch Gott, im Sinne von: Das „ewige Du“.
Wie aber steht es um die intelligenten Einzelgänger, brauchen sie kein Du, keine Begegnungen, und wenn, warum ist das so?
Laut obengenannter Studie sind viele intelligente Menschen Einzelgänger. Sie vermeiden weitgehend soziale Kontakte. Die Autoren der Studie, Norman Li, ein Evolutionspsychologe an der Singapore Management University und Satoshi Kanazawa von der London School of Economics, haben sich mit der Frage beschäftigt, wie sich Intelligenz, Freundschaft und Bevölkerungsdichte auf das Glücksgefühl der Menschen auswirken. Ihr Fazit: Intelligente Menschen fühlen sich glücklicher, wenn sie ihre Zeit nicht mit anderen verbringen müssen.
Der Grund: Sie können Aufgaben besser alleine lösen und ziehen es vor selbstständig die Herausforderungen des Lebens zu meistern. Ihr Fokus liegt auf Autonomie im Gegensatz zu Fremdgesetzlichkeit, Fremdbestimmtheit und Bindung, also der Abhängigkeit von fremden Einflüssen bzw. vom Willen und den Erwartungen anderer. Aufgrund ihres starken Autonomiebedürfnissen sind ihnen Beziehungen weniger wichtig. Manche von ihnen, so eine Aussage der Studie, empfinden Beziehungen sogar oft als Klotz am Bein.
Unser Maß an Intelligenz beeinflusst die Art, wie wir die Welt sehen.
Ein Mensch mit einem hohen IQ und ein Mensch einem niedrigen IQ sehen nicht dieselbe Welt. Die Person mit dem höheren IQ erkennt und versteht komplexe Informationen, Zusammenhänge und Muster, die die Person mit dem niedrigen IQ nicht sieht. Er ist fähig abstrakt zu denken, Dinge schnell zu erfassen, zu verarbeiten und daraus angemessene Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese Fähigkeit umfasst kognitive Prozesse wie Wahrnehmung, Lernen, Erinnern, kritisches Denken und eine hohe geistige Leistungsfähigkeit bei Entscheidungsfindungen und im kreativen Lösen von Problemen.
Von diesen Menschen, die diese Fähigkeiten besitzen, gibt es nicht allzu viele. Was dazu führt, dass jene, die sie besitzen, oft Einzelgänger sind.
Ann Clarkson von der Mensa International, der weltweit größten und bekanntesten Hochbegabtenvereinigung, sagte dazu einmal Folgendes: „Es ist belegt, dass sich sehr intelligente Menschen manchmal von den Menschen um sich herum isoliert fühlen, weil sie die Welt anders sehen und wahrnehmen. Es ist schwer, jemanden zu finden, der Informationen genauso verarbeitet wie du, wenn dein Gehirn so funktioniert, wie das von nur zwei Prozent vom Rest der Weltbevölkerung.“
Mit anderen Worten: Wer besonders intelligent ist, ist allein, ein Einzelgänger.
Da aber alles mehrere Seiten hat, gilt auch hier: Das Thema ist komplex.
Der postulierte Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Intelligenz stimmt so pauschal nicht. Das würde im Umkehrschluss heißen: wer sozial integriert ist, gesunde Beziehungen führt und Freunde hat, ist nicht sonderlich intelligent. Auch unter Hochintelligenten gibt es sozial integrierte Menschen, die erfüllende Beziehungen haben. Man hüte sich wie immer vor Verallgemeinerungen. Wahr allerdings ist, es ist schwer, mit jemandem zu kommunizieren, der nicht dieselbe Welt sieht, die wir sehen.
Eine Ursache dafür, dass intelligentere Menschen oft Einzelgänger sind, liegt u.a. am Kommunikationsspektrum. Jeder Mensch kann am besten mit einem Gegenüber kommunizieren, das einen ähnlich hohen IQ und ein ähnliches Kommunikationsspektrum hat.
Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Menschen können ihn verstehen, was dazu führt, dass man sozial isoliert ist, dann nämlich, wenn man absolut keine Begabung für Small Talk hat und diesen als sinnlos, ermüdend und langweilig empfindet. Während sich die meisten Menschen für banale Dinge interessieren und darüber endlos reden, machen sich intelligentere Menschen über wichtigere und komplexere Dinge Gedanken. Sie gehen in die Tiefe, haben einen hohen Anspruch an Details, nehmen wahr, was anderen gar nicht auffällt und meiden alles, was nur die Oberfläche kratzt. Pseudothemen ohne Nährwert sind für sie reine Zeitverschwendung.
Vielen intelligenten Menschen mangelt es an Menschen mit ähnlicher Intelligenz.
Sie isolieren sich dann, auf Grund der Tatsache nicht
verstanden zu werden.
Sie wählen aufgrund dessen, dass sie keine Resonanz finden, ihr Einzelgängertum selbst, nach dem Motto: „Besser allein, als schlecht begleitet.“ Ihr unerfüllter Anspruch zwingt sie in die Isolation.
Intelligente Menschen machen zudem immer wieder die Erfahrung, dass sie oft nicht verstanden oder sogar missverstanden werden, dass man ihnen sagt, sie seien seltsam, kompliziert, überempfindlich und anstrengend.
Wozu sollen sie sich dann austauschen?
In Folge ziehen sie sich, aufgrund wiederholter Zurückweisung, in ihre eigene Welt zurück. Viele intelligente Menschen sind nicht einmal introvertiert, sie finden einfach keine Verbundenheit, sprich Menschen, die ähnlich wahrnehmen, denken und fühlen. Sie sind auch nicht unbedingt sozial inkompatibel, sie genießen Gesellschaft, wenn inspirierende Gespräche stattfinden.
Fakt ist auch: Je höher die Intelligenz, umso höher sind in der Regel die Selbstansprüche. Werden diese nicht erfüllt, wachsen Frust, Enttäuschung und Selbstzweifel. Was wiederum auch zum inneren Rückzug führen kann. Je intelligenter, desto mehr Gedanken sind im Kopf, und das heißt auch, desto mehr wird gegrübelt. Was nicht immer heilsam ist.
Eine kanadischen Studie mit dem Titel: "Intelligence and emotional disorders:
Is the worrying and ruminating mind a more intelligent mind?", die den Zusammenhang
zwischen Intelligenz und emotionalen Störungen untersucht hat, kam zu dem Ergebnis,
dass das Grübeln tatsächlich ein Grund dafür ist, warum besonders intelligente Menschen
die Einsamkeit bevorzugen.
Zudem zeigte die Studie, dass es einen Zusammenhang zwischen Angst- und Depressionen
mit Intelligenzmessungen gibt. Laut der Studie machen sich Menschen mit hoher Intelligenz
mehr Sorgen. Infolgedessen haben sie ein höheres Angstniveau und entwickeln häufiger
Angststörungen wie z.B. die GAS (Generalisierte Angststörung).
Schließlich sind intelligente Menschen oft sensibler, heißt: Verwundbarer.
Da jeder Kontakt die Möglichkeit beinhaltet, verletzt zu werden, neigen sie zu sozialem
Rückzug, was zur Vereinsamung führen kann.
Intelligente Menschen, die noch dazu hochsensibel sind, fühlen sich zudem häufig missverstanden und damit nicht anerkennt und ausgegrenzt.
Daher meiden Sie Gespräche und Kontakte, die negative Gefühle auslösen.
Das Klischee vom intelligenten, glücklichen Einzelgänger kommt bei genauerer Betrachtung ins Wanken.
Ich kenne, auch durch meine Arbeit, einige intelligente Menschen, die oft einsam und traurig sind. Sie leiden unter einer inneren Einsamkeit, die C.G. Jung einmal so definierte: „Einsamkeit kommt nicht davon, keine Menschen um sich herum zu haben, sondern davon, unfähig zu sein, die Dinge zu äußern, die einem wichtig sind oder seine eigenen Standpunkte zu vertreten, die andere als unzulässig finden.“
Es ist also nicht so, dass hohe Intelligenz uns per se zum glücklichen Einzelgänger macht, und dass sie generell zu einem gelingenden Leben führt, es macht auch nicht unbedingt Spaß allein zu sein. Das Klischee vom intelligenten Einzelgänger ist eine hochkomplexe Sache, es ist u.a. die Reaktion auf die Umwelt, verbunden mit vielen Parametern der Persönlichkeit und der Psyche, wozu übrigens auch die Bindungsangst und Bindungsstörungen gehören, welche dann als „Splendid Isolation des einsamen Genies “ stilisiert und romantisiert werden.
Manchmal ist es auch einfach bequemer intelligenter Einzelgänger zu sein, nach dem Motto: Am Gipfel bleibt die Lage überschaubar.
Mein Fazit: Intelligenz ist leider nicht genug für ein gelingendes Leben.