Mittwoch, 24. Juli 2024

Aus der Praxis: Wenn das Ego stirbt

 

                                                                   Foto: pixybay

 
 
„Werde der du bist“, steht in Nietzsches Ecce homo“ als Aufruf zur Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung.
Wer bin ich? Was ist mein wahres Selbst?
Ich will ich selbst sein, ich selbst werden, zu mir selbst finden, ich habe mich selbst verloren, mein Selbst ist fragmentiert, ich kenne mich selbst nicht (mehr).
Das sind Wünsche und Gedanken, die wir alle kennen.
Bewusste Menschen, die sich auf den Weg zur Selbstkenntnis machen, suchen sich selbst und viele finden sich nicht.
 
Warum ist das so?
Weil das Es, das Ego, uns dabei im Wege steht.
"Du musst dein Ego auflösen!", oder ganz radikal: "Du musst dein Ego töten!, gilt als Voraussetzung um zum wahren Selbst zu finden und damit beginnt das Problem.
Wie etwas auflösen was zur Struktur unserer psychischen Instanzen gehört, was einen Sinn und eine Aufgabe hat, was zum Überleben dient, uns das Überleben seit Kindesbeinen sichert, was auf Bedürfnisse verweist und uns hilft unser Leben überhaupt zu gestalten? Ohne Ego könnten wir nicht einmal unsere überlebensnotwendigen Bedürfnisse stillen und würden zugrunde gehen. Stirbt das Ego, stirbt der Körper.
Was aber sein kann und das kann äußerst schmerzhaft sein: Ein Teil des Egos stirbt.
Das geschieht indem wir durch eine Entwicklung, die ihren Höhepunkt erlangt oder ein plötzlich ins Leben einbrechendes erschütterndes Ereignis, einen Weckruf oder eine tiefe Erkenntnis die Identifizierung mit dem eigenen Ego aufgeben müssen, indem wir plötzlich hinter die Fassade des Egos blicken und erkennen, wo es uns nicht mehr nützt oder sogar schadet.
Wir können es nicht mehr. Wir identifizieren uns nicht mehr mit den alten Gefühlen und Gedanken, die das Ego erschaffen hat, denen wir lange geglaubt haben und ihnen automatisch im Überlebensmodus gefolgt sind. Das Bild, das wir von uns hatten, hält der Illusion von uns selbst nicht mehr stand, das Wollen, das uns beherrscht hat, funktioniert nicht mehr, weil wir erleben müssen, dass wir so, wie wir drauf waren, plötzlich im Jetzt nicht mehr klar kommen. 
 
Das geschieht häufig wenn wir in eine Krise gleiten oder wenn wir in einen anderen Lebensabschnitt übergehen, wenn Vertrautes zusammenbricht, wenn was uns Halt und Sicherheit gab verloren ist, wenn wir hinfällig, alt und krank werden, wenn Werte zerbröseln und Überzeugungen der Realität nicht mehr standhalten, wenn alle Ego-Mechanismen versagen, die uns bisher dienlich waren. Das geschieht, wenn wir nicht mehr der oder die Starke, die Schöne, der Tolle, der Erfolgreiche, Wonderwoman oder Superman sind, die uns unsere Ego vorgegaukelt hat und die wir irgendwie auch waren, und wir erkennen müssen, das unser Wollen an innere und äußere Grenzen stößt. Unser Wollen prallt am Jetzt-Zustand ab.
 
Wir wissen nicht mehr wer sie sind, was wir noch wollen wollen, wozu wir da sind, was der Sinn ist. Wir wissen nicht mehr, wohin mit uns. Etwas fühlt sich an wie Sterben. Was in Wahrheit stirbt ist das alte Ego. Das tut verdammt weh und das ist schmerzhaft. Wir spüren, da geht die alte Identität zugrunde. Wie eine neue aussieht, davon haben wir keinen blassen Schimmer. Also kämpfen wir um die alte Identität aufrecht zu erhalten, merken aber, egal wie sehr wir kämpfen, es funktioniert nicht – das alte Ego geht zugrunde und die alten Überlebenstrategien mit ihm.
 
Was jetzt?
Das muss man erst einmal wirklich gefühlt begreifen um etwas tun zu können. Man muss begreifen, dass das alte Ich stirbt, weil es seine Zeit überlebt hat.
Mi einem: Ich lasse das jetzt einfach los, gelingt diese Transformation den meisten von uns nicht. Schön wäre es, funktioniert aber nicht, denn unsere Überlebenstrieb bekommt es mit der Angst zu tun. Wir haben ja noch keine neuen Strategien um die alten zu ersetzen.
Wir müssen diese erst einmal finden und installieren um eine neue Identität überhaupt formieren zu können, um uns selbst neu finden zu können, aber wir fühlen uns nur so wie wir jetzt in diesem Moment der Zeit sind – gefühlt halbtot innerlich.
Da klafft ein Loch von dem wir nicht wissen wie wir es füllen sollen, denn diese Erfahrung ist brandneu. Wir müssen sie erst einmal erfahren, sprich: uns selbst anders erfahren als wir uns über Jahrzehnte erfahren haben. Uns selbst anders sehen und begreifen als wir es gewohnt sind. Einen neuen Blick auf uns werfen und erforschen was da sonst nicht ist, was wir nie zuvor gesehen haben, was uns ausmacht wenn das Alte stirbt.
Dieser transformative Prozess ist eine riesige Challenge.
Und ja, er macht eine Heidenangst. Aber wenn wir den Mut haben und trotz und mit der Angst da durch gehen, haben wir die Chance zu erkennen, wer wir wirklich sind, das volle Potenzial, das in uns schlummert zu wecken, unsere Ganzheit zu erkennen und zu entfalten, was da noch ist, außer dem alten Ego Trip. Wir haben die Chance zu erkennen, dass wir mehr sind als unser Ego dachte. Dann erst kann Wandlung stattfinden. 
 
"Wenn das Ego stirbt, erwacht die Seele"
- Mahathma Ghandi 
 
 
Wenn Du Dir Unterstützung in diesem Prozess wünscht, schreib mir jetzt eine Mail unter: aw@wende-praxis.de
 

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