Montag, 18. Mai 2020

Hör auf damit!


Foto: Angelika Wende

Es gibt diese Momente wo mir zutiefst klar ist, wie sehr ich an etwas festhalte, was mir längst entglitten ist. Obwohl ich spüre, es ist vorbei, es hat seine Zeit überlebt, ich lasse nicht los. Ich halte fest, weil ich hoffe es wird doch noch gut, oder zumindest besser.

Ich halte nicht an Dingen fest, aber ich halte an Menschen fest, die ich mir vertraut gemacht habe. Ich bin nicht gut im Verlassen. Ich war es noch nie. Es braucht lange, bis ich verlassen kann.
Jeder Mensch, der mir begegnet ist, der mich begleitet, ist für mich ein wertvoller Mensch, auch wenn ich Ungutes oder sogar Schmerzhaftes mit ihm erlebt habe und erlebe. Ich kann Vieles verzeihen, weil ich Vieles verstehe und weil ich weiß, dass Menschen andere verletzen, weil sie selbst verletzt sind. Ich bin eine Weile wütend, wenn ich zugelassen habe, dass ich verletzt wurde, aber nach und nach löst sich die Wut auf. Ich bin traurig und dann kommt wieder das Verstehen.

Vielleicht, denke ich heute morgen, ist das meine Achillesferse - das Verstehen.
Der andere wertschätzt es oft nicht, dass ich ihn verstehe und ihm deshalb verzeihe, wieder und wieder. Ich bin wohl zu gutmütig. So gutmütig, dass ich dem anderen immer wieder eine Chance gebe. Vielleicht kann ich nicht anders. Vielleicht will ich nicht anders, weil ich keinen Menschen aufgeben will. Vielleicht ist es mein Ego, das das nicht will. 
Kann sein, es will gewinnen. Seine Überzeugung, wie die Dinge sein sollten, durchsetzen.
Es muss doch gut sein. Man muss doch gut zueinander sein.
Das dumme Ego, das nicht auf das Herz hört. Das sagt: Nein, es ist nicht gut. Spürst du es nicht, das Ungute? Spürst du sie nicht, die Traurigkeit? Spürst du sie nicht, die ohnmächtige Wut, weil dir ein Mensch zum tausendsten Male zeigt, wie wenig du ihm bedeutest, weil er dir zum tausendsten Mal weh tut?
Hör auf darüber hinweg zu spüren, sagt das Herz.
Heute Morgen höre ich es ganz laut: Hör auf damit!






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