Die Mehrzahl der Menschen
fühlt sich in irgendeiner Weise bedürftig. Auch ich spüre in einigen Bereichen meines
Lebens Bedürftigkeit. Nach einem lieben Gefährten zum Beispiel, der meine
Visionen teilt und an meiner Seite geht. Nach Menschen, die sich für die
gleichen Themen interessieren wir ich, nach Menschen, die mich inspirieren,
mich weiter bringen und begeistern, nach Menschen von denen ich lernen kann. Und
wenn ich ganz lange darüber nachdenke fällt mir sicher noch einiges ein wonach
ich bedürftig bin. By the way, es ist sehr
aufschlussreich sich einmal die Zeit zu nehmen, nachzudenken und aufzuschreiben
wonach wir bedürftig sind.
Bedürftigkeit entspringt
einem inneren Mangel. Dieser Mangel trägt bei jedem von uns einen anderen
Namen. Dem Einen mangelt es an Nähe, an Liebe, an Aufmerksamkeit und an Wärme, dem
Anderen mangelt es an Bewunderung, an Zuwendung und an Lebensfreude, dem Anderen
an Erfolg, Macht oder Geld.
Was macht das mit uns, wenn
wir einen Mangel verspüren? Was können wir tun?
Die Meisten denken über diese
Fragen erst gar nicht nach. Sie wollen, das wonach sie bedürftig sind vom
Anderen haben. Sehr viele Beziehungen basieren auf dieser Bedürftigkeit und der
inneren Überzeugung, sich das beim Anderen zu besorgen zu können, was wir uns selbst
nicht geben können. Besser, was wir glauben, uns selbst nicht geben zu können. Nun hat diese Strategie sich
beim Anderen holen zu wollen, was man so nötig braucht einen ziemlich unseligen Aspekt: Die Anderen sind auch bedürftig. Die Anderen spüren auch einen Mangel.
Sie fühlen genau das, was wir selbst fühlen und sie wollen genau das, was ihnen
fehlt, auch von uns haben.
So tun sich in den meisten
Fällen zwei Bedürftige zusammen, die ihren inneren Mangel durch den Anderen
füllen lassen wollen. Und schon sind wir bei den Erwartungshaltungen, die wie
uns die Erfahrung immer wieder zeigt, in den meisten Fällen mit einer mehr oder
weniger bitteren Enttäuschung endet.
Wenn ich zurückblicke auf einige Beziehungen, die ich in meinem Leben hatte,
so muss ich mir eingestehen, dass ich sehr oft genau das beim Anderen gesucht
habe, von dem ich mir selbst nicht vorstellen konnte, es mir zu geben. Und ich muss
erkennen, dass ich immer wieder an Menschen geraten bin, die das mit mir genauso
gemacht haben. Sie wollten etwas von mir, was sie sich selbst nicht geben
konnten und sie beklagten nach einer Weile, dass ich es ihnen auch nicht geben konnte und umgekehrt habe ich es genaus gemacht. Am Ende der Klage
kamen die Vorwürfe und die Schuldzuweisungen und manchmal sogar Bitterkeit und
Hass. Das war dann das Ende einer Illusion, die keiner von Beiden als
solche erkannt hat.
Die Wahrheit ist nämlich: Wir
finden beim Anderen nicht was wir brauchen.
Wir finden es vielleicht für eine
Weile. Am Anfang einer Liebesbeziehung bekommen wir die Zuwendung, die Wärme
und die Aufmerksamkeit, nach der wir so bedürftig sind. Wir sind für den Anderen ein Faszinosum. Und er ist es für uns. Wir sind voller
Energie, weil wir im Anderen das zu finden glauben, wonach wir so bedürftig sind.
Wir fühlen uns voll, wo vorher eine emotionale Leere war und nennen uns
glücklich. Das ist eine wundervolle Erfahrung. Ich bin für jede dieser
Erfahrungen in meinem Leben dankbar. Und weil unser Herz so voll ist, denken
wir: So soll es sein, so soll es bleiben. Aber irgendwann müssen wir erkennen,
dass es nicht so bleibt. Denn jetzt kommt der entscheidende Punkt: Was
passiert, wenn der Andere uns nicht mehr gibt, was wir brauchen? Was ist, wenn
seine Faszination nachlässt oder die unsere? Was ist, wenn er seine Liebe
zu uns verliert oder wir die Liebe zu ihm? Dann stehen wir da wie eine leere
Hülle. Die Zuwendung des Anderen fällt weg und wir fühlen uns leer. Wir fallen
emotional in ein tiefes schwarzes Loch. Wir stehen wieder alleine da mit
unserer Bedürftigkeit und weit und breit ist da nichts, was diesen Mangel
füllen kann.
Wir müssen erkennen, wir
haben dort gesucht, wo das, was wir brauchen, nicht oder eben nur für eine Weile
zu finden ist. Wir erkennen vielleicht sogar, dass die Liebe des Anderen eine Notwendigkeit
war um uns voll zu machen und nicht, wie es sein sollte, ein Geschenk, das wir
dankbar annehmen ohne mehr zu erwarten oder gar einzufordern, als der Andere zu
geben hat. Wir haben uns getäuscht, aber
nicht im Anderen, der sich in uns genauso getäuscht hat, wir haben uns getäuscht,
was uns selbst angeht. Und wir haben einander getäuscht. Die Meisten von uns brauchen
viele dieser Enttäuschungen um endlich zu begreifen, dass das, was sie erfüllt, das Herz, das sie wärmt, nicht bei anderen, sondern in ihnen selbst zu finden
ist - und ist es dort nicht, ist es nirgendwo.
Bedürftigkeit ist immer ein
Tauschgeschäft, verbunden mit der inneren Erwartungshaltung: Ich gebe dir und
du gibst mir, was ich brauche und umgekehrt, du gibst mir, dann gebe ich dir.
Nimmt der Andere sein Geben zurück nehmen wir unser Geben zurück. Den Wenigsten ist das bewusst. Sie verbringen
ein ganzes Leben mit dieser Art von Tauschgeschäften mit wechselnden Partnern. Aber
spätestens dann, wenn der Mangel wieder und wieder zu spüren ist, wird es
offensichtlich: Die eigene Leere, die eigene Bedürftigkeit ist nur durch einen
Menschen auf Dauer zu füllen und dieser Mensch sind wir selbst. Das was wir brauchen müssen
wir lernen uns selbst zu verschaffen, sonst sind wir auf ewig Abhängige. Wir leben fremdbestimmt von unserer
Unfähigkeit die Fülle in uns selbst zu spüren. Aber sie ist da. Sie ist in
jedem von uns. Nur - solange wir uns
nicht darum kümmern sie in uns lebendig werden zu lassen, leben wir ohne ein Gegenüber,
das uns auffüllen soll, wie ein Vampir – blutleer und bedürftig nach dem warmen
Blut der Anderen.
Aber was können wir tun, wenn
wir uns dermaßen bedürftig fühlen? Was können wir tun um dieses um
Zuwendung und Liebe kämpfen zu beenden?
Wir können uns eingestehen,
wie bedürftig wir sind. Das ist der wichtigste Schritt: Die eigene Bedürftigkeit
annehmen, akzeptieren, dass es so ist und dass es nichts Verwerfliches ist,
aber etwas, was es in uns zu heilen gibt. Wir können all die schmerzlichen Gefühle,
die unsere Bedürftigkeit in uns auslöst fließen lassen und uns unsere Trauer
darüber aufrichtig eingestehen. Was uns das bringt? Es
befreit uns vor immer neuen sinnlosen Versuchen andere zu benutzen, es bewahrt uns
vor weiteren Enttäuschungen, es befreit
uns von dem kindlichen Erwartung, dass Andere dazu da sind, unser Bedürftigkeit
auszugleichen oder gar zu beenden.
Damit übernehmen wir endlich
die Verantwortung für uns selbst. Wir übernehmen die Verantwortung für unsere Bedürftigkeit.
Wir lernen darauf zu verzichten, dass andere unseren inneren Mangel beheben und
wir lernen auszuhalten, dass dieses Gefühl des Mangels schmerzt. Wir lernen es mit uns selbst auszuhalten. Wenn wir das aushalten können haben
wir den entscheiden Schritt getan: Wir beginnen uns um uns selbst zu kümmern
und uns selbst das zu geben, was wir so nötig brauchen. Und mit der Zeit wird uns geschenkt,
was wir brauchen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen