Mittwoch, 2. November 2016

Wenn das Herz aus dem Takt springt




Dauerhafte berufliche Höchstbelastungen, wie auch andere psychische, vor allem konfliktbedingte Überlastungen gelten als Prädiktor von Herzerkrankungen. Belastung ist hier nicht nur als objektiver Faktor zu verstehen, sondern subjektiv empfundene chronische Überanstrengung. Wenn zusätzlich geringe psychosoziale oder ökonomische Gratifikationen erfolgen oder gar schwerwiegend empfundene Misserfolge, Niederlagen oder Krisen eintreten, steigt die Gefährdung.
So zu lesen in "Psychokardiologie heute" von Jochen Jordan, Benjamin Bardé, Andreas Michael Zeiher.

Viele Menschen kennen es: Herzstolpern, Herzjagen, Tachykardien, Extraschläge, Herzflattern. Manche haben sogar einen Infarkt des Herzens erleben müssen. Eine Herzproblematik ist, wie es die Psychokardiologin Despina Muth-Seidel und ihre drei Co-Autoren, in ihrem Buch "Leben mit Herzrhythmusstörungen" beschreiben, ist "Eine Welle, die dich im Inneren überrollt und deren Bedrohung du nie einschätzen kannst."

Herzprobleme machen Angst.
"Viele Menschen mit Herzproblemen haben die wahre Bedeutung des Begriffs Todesangst kennen lernen müssen und die innere Kälte der Einsamkeit in ihrer Herzerkrankung erfahren", schreibt die Autorin. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ja, so ist es. Wenn das Herz aus dem Takt gerät, wenn es immer wieder kurz aussetzt oder wenn es aus heiterem Himmel ohne Grund wie wild losrast, erleben wir den totalen Kontrollverlust. Das Erleben von Kontrollverlust ist eine traumatische Erfahrung, die das Leben auf einen Schlag verändert. Kontrollverlust: Dieses Gefühl ist das Hauptelement der Angst.

Ein Mensch mit einem Herzproblem ist plötzlich ein anderer Mensch als er es davor war. Das Leben ist anders als zuvor.
Vieles was vorher möglich war, was selbstverständlich war, ist es nicht mehr. Nicht selten werden Herzpatienten zu Angstpatienten. So wie auch Angstpatienten zu Herzpatienten werden können.
Der Kardiologe kümmert sich um das körperliche Problem aber ansonsten sind Betroffene weitgehendst allein gelassen. Allein mit deiner Angst, die Gesunde nicht im Geringsten nachvollziehen können. Heute weiß man längst, Herzrhythmusstörungen sind kein monokausales Problem, sondern ein ganzheitliches.

Herz und Seele sind untrennbar miteinander verbunden. Herzkranke brauchen nicht nur medizinische Hilfe, was sie vor allen brauchen ist seelischer Beistand.
Was nicht leicht zu bekommen ist, denn nicht jeder Therapeut versteht die Dramatik, die eine Herzerkrankung in sich trägt und nur in wenigen Städten gibt es Psychokardiologen, Spezialisten, die Betroffenen helfen mit der Angst um das unberechenbar gewordenes Herz umgehen zu lernen. Mit dieser Angst nicht allein gelassen zu sein ist viel wert.

Der angemessene und hilfreiche Umgang mit der Angst ist ein wesentlicher Faktor, denn nicht selten entwickelt sich gerade bei Herzrhythmusstörungen ein gefährlicher Kreislauf von Angst und Ryhthmusstörung. Sie kann zum Auslöser werden und Tachykardien triggern.

Das Buch, das ich Betroffenen an dieser Stelle empfehlen möchte, ist sehr hilfreich. Es hilft zwar nicht die Angst zu vertreiben, dazu braucht es oft professionelle Hilfe, aber es hilft zu verstehen. Ein Mensch, dessen Herz immer wieder aus dem Takt rast, braucht Verständnis und das Gefühl ernst und angenommen zu werden. Im besten Falle bekommt er Fürsorge. Gerade wenn das Herz sich meldet sind menschliche Wärme und Zuwendung immens wichtig. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie wenig es hilft, einem Menschen, der ein krankes Herz hat zu sagen: Lenk dich ab, mach dich nicht verrückt, komm mal wieder in die Spur, so dramatisch ist das doch nicht. Du packst das schon, denk halt nicht immer dran!

Im Gegenteil, solche Worte sind nicht hilfreich, sie versetzen den Betroffenen in ein Gefühl von Wut und Ohnmacht. Und das ist gar nicht gut für ein angeschlagenes Herz.

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