Freitag, 23. Juli 2010

Ich male

Nein, ich habe die Bildende Kunst nicht studiert.

Ich male trotzdem oder gerade weil ich sie nicht studiert habe. Ich male weil die Worte oft nicht ausreichen um meine Gedanke und Gefühle in Etwas zu packen, das sichtbar ist. Ich male weil ich in diesem Zustand des Tuns so sehr bei mir selbst bin, wie bei keiner anderen Tätigkeit. Wenn ich male denke ich, die immerzu denkt, nicht. Ich folge meiner Intuition, meiner inneren Stimme, meiner Befindlichkeit, meinen Gefühle und meiner Wahrnehmung von Welt. Am Ende ist da ein Bild gewordenes Etwas. Ich sehe was ich getan habe - unmittelbar, sobald der Prozess dieser Arbeit abgeschlossen ist.

Ich male weil es mir gut tut. Ich male zunächst für mich selbst. Das ist mir das Wichtigste. Nicht dass ich nichts zu sagen hätte oder zu sagen wünsche. Ich bin eine die sprechen muss. Mit Worten und in Bildern.

Ich weiß nicht, ob meine Bilder gute Bilder sind. Im Sinne von handwerklich ausgereiftem Können sind sie es sicher nicht. Es interessiert mich auch nicht ob sie gut sind. Sie sind einfach.

Was ist gut und schlecht? Was ist gute und was schlechte Malerei? Ich habe lang nach einer Erklärung gesucht. Ich habe unendlich viel gelesen, weil ich wissen will. Alles am Liebsten. Das ist jedoch unmöglich. Ich erkenne, je mehr ich weiß, desto unsicherer werde ich – desto weniger gelingt es mir zu unterscheiden zwischen richtig und falsch.

Eines weiß ich: gute Bilder machen etwas mit mir, mit uns. Gute Bilder berühren etwas in uns, irgendetwas – egal was es ist. Es geht um das Berühren.

Ich kann ohne die Kunst nicht leben. Die Kunst - sei es die Literatur, die Musik, die Malerei - hat mir schon oft das Leben gerettet. In der Nähe zur Kunst und besonders im schöpferischen Tun, wenn wir kreativ sind, etwas (er)schaffen wir Gott am nächsten. Ich fühle das so. Das ist meine Wahrheit. Ich erwarte nicht, dass sie geteilt wird. Ich bin ich und ich allein muss mich in meinem „In der Welt sein“ einrichten und leben.

Ich sehe die Welt um mich herum und was ich sehe gefällt mir nicht immer und nicht alles. Ich bin ein empathischer, leidenschaftlicher Mensch. Ich bin stark und doch dünnhäutig wie Pergamentpapier. Ich stumpfe nicht ab trotz schlechter Erfahrungen. Ich werde auch nicht gelassener im Vergehen der Zeit. Ich richte meinen Focus auf vieles. Ich liebe Schönheit. Ich bin ein Ästhet und ich wünsche mir dass der Mensch ist, was er sein könnte. Er ist es nicht. Ich bin es selbst nicht.

Ich male seit ich ein Kind bin. Besonders intensiv zu Malen begann ich durch meine Auseinandersetzung mit der mythologischen Figur der Medea.

Medea ist eine tragische Figur von höchster Ambivalenz, deren Geschichte man folgen kann, deren Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen man verstehen oder gar nachvollziehen kann bis zu dem Punkt, der sprachlos macht – die Hybris der Tragödie, die Medea zum Sinnbild des Bösen macht – der Mord an ihren Kindern.

Was fasziniert mich an dieser Geschichte? Medea ist eine Frau, die leidenschaftlich liebt und leidenschaftlich tötet. Medea Metamorphosen ist eine malerische Auseinandersetzung mit dem Thema Schuld, Liebe, Rache, Hass, Vergeltung, Tod. Eine Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau und den inneren Impulsen und Trieben, die wir außer Stande sind zu kontrollieren, wenn wir ohnmächtig und verzweifelt sind.

Ich habe mit Medea gelitten und mit ihr gehadert, ich liebe und hasse sie, ich bewundere und verachte sie. Verziehen habe ich ihr alles, nur eins nicht - den Mord an ihren Kindern. Zwei Jahre hat dieser innere Kampf mit Medea gedauert und noch heute gibt es Tage, wo ich Medea malerisch zu begreifen suche. Wenn ich nicht verzeihen kann, höre ich nicht auf bis es mir gelingt. Noch gelingt es mir nicht.Vielleicht weil ich mir selbst nicht verzeihen kann - meiner inneren Medea, die ihren Jason nie zur Rechenschaft gezogen hat. Rache schaufelt immer zwei Gräber. Verzeihen bedeutet innere Freiheit. Danach strebe ich.

Ich nehme mir die Freiheit zu malen, wie ich mir die Freiheit nehme mich ständig auszuprobieren und immer neu zu erfinden. Auch wenn ich scheitere. Ich versuche es immer wieder aufs Neue und das zählt für mich. Ich habe nur ein Leben und das möchte ich gestalten nach meinen Gedanken und Gefühlen und meinem Gewissen. Ich weiß, alles was ich nicht ausdrückt, drückt sich ein.

Alles was als Möglichkeit nicht genutzt wird ist Verweigerung gegenüber den Möglichkeiten des Lebens. Möglichkeiten - so sehe ich Leben. Ich weiß, dass ich der Kreateur meines Seins bin, aber ich weiß auch, dass es etwas gibt, das größer ist als wir. Ich schaue mir selbst beim Leben zu. Ich bin mir bewusst was ich tue, meistens. Auch wenn ich das scheinbar Falsche tue – und in den Augen anderer, die meine Gedanken, Gefühle und meine Handlungen bewerten. Ich versuche aus meinen Erfahrungen zu lernen - im Leben und in der Weise wie ich mich kreativ ausdrücke. Ich schaffe es nicht immer.

Mein Grundgefühl ist Liebe und der Wunsch zu verstehen. Ich liebe das Leben und ich liebe die Menschen, ebenso sehr wie ich sie manchmal nicht lieben kann. Ob ich mich selbst liebe weiß ich nicht. Ich halte es mit mir aus. Manchmal mag ich mich und manchmal nicht. Ich bin meine Beziehung – mein Spiegel - zunächst. Ich bin dankbar, dass ich Ich bin. Ich bin dankbar für alle die Möglichkeiten die in mir sind. Ich möchte keine andere sein. Ich habe keine Vorbilder, weder im Leben, noch in der Malerei. Ich bewundere Amadeo Modigliano, weil er radikal war auf seine ureigene Weise. Seine Bilder haben mich beeinflusst, ohne dass ich ihn zu kopieren versuche.

Meine Malerei ist ein Teil von mir. Sie ist Teil meiner Selbst-Verwirklichung. Ich strebe nach Vollkommenheit im Bewusstsein, dass sie unerreichbar ist. Darunter leide ich. Ich bin eine Perfektionistin, die akzeptiert hat, dass Perfektionismus ein hohes Ziel ist, das unerreichbar bleibt. So leide ich weniger. Im Anstreben von Perfektionismus liegt ein Fluch und ein Segen.

Der Hang zum Perfektionismus treibt uns an unser Bestes zu tun, uns zu entwickeln im Denken, Fühlen und Handeln. Andererseits liegt in ihm die Gefahr, dass man nie zufrieden ist. Das ist bei allen Dingen so, die man selbst tut und in denen der Mensch sich verwirklicht.

Ich habe Kunst nicht studiert, und ich leide manchmal daran, dass mir das Handwerk fehlt, das in Form zu bringen was mir an Inhalt wichtig erscheint. Ich male mit den Mitteln, die ich erprobt und gelernt habe, ich nutze und vervollkommne das, was ich beherrsche. Ich kann nicht alles lernen. Die Zeit die ich brauchen würde um mehr von diesem „Alles“ zu lernen habe ich nicht – weil das, was ich ausdrücken muss im Jetzt nach Ausdruck verlangt – ich bin ein ungeduldiger Mensch. Also arrangiere ich mich mit den Werkzeugen die mir vertraut und sicher sind. Leinwand, Acryl, Blatt, Stift, Kohle. Ich zeichne meine Motive manchmal vor und manchmal nicht. Besonders dann nicht, wenn ich mit dem Spachtel arbeite, dann ergibt sich das Motiv – vorwiegend sind es Köpfe, Hals, Rumpf. Köper abstrahiere ich. Hände fallen mir schwer. Ich versuche es nicht.

Ich habe für mich entschieden mich nicht zu sehr auf die Perfektionierung meiner Malerei zu versteifen, weil ich zuviel anderes habe, was mich beschäftigt und was ich tun will. Ich habe für mich entscheiden, dass das Unperfekte Charme und Persönlichkeit hat. Auch das ist Freiheit.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen