Dienstag, 9. Dezember 2025

Die Allgegenwart des Todes

 

Der Mensch hat eine sehr begrenzte Wahrnehmung des Todes, bis er selbst damit konfrontiert ist. So faszinierend die Vorstellungen über den Tod sein mögen, so sind sie doch imaginär. Vor allem sind diese Vorstellungen psychologische Abwehrmechanismen, die dazu dienen, sich der Angst vor dem eigenen Tod nicht stellen zu müssen und ihn stattdessen zu verdrängen, abzuspalten, zu ignorieren oder mit spirituellen Konzepten die Herrschaft über ihn zu erlangen. Statt sich ihre Angst vor der Realität des Zerfalls, dem Sterben und dem Tod bewusst einzugestehen und sie durchzuarbeiten, werden Menschen wegen irgendwas ängstlich. Wann immer wir etwas leugnen, abspalten, verdrängen oder mit Süchten betäuben, sucht es sich andere Plätze und Objekte im Leben, an denen es uns mit all dem konfrontiert. Die Allgegenwart des Todes gehört zum Leben. Es macht Sinn uns mit unserer Endlichkeit auseinanderzusetzen, um uns dem Lebens und dem, was wir im Leben (noch) gestalten wollen, bewusster zu widmen. Ein erfülltes Leben kann die Angst vor dem Tod mildern.

Sonntag, 7. Dezember 2025

Woher nehmen Sie die Kraft?

 


Neulich fragte mich eine Klientin woher ich die Kraft nehme, zu tun, was ich tue und was mich antreibt.

Ja, woher nehme ich sie? Was treibt mich an?

 

Es gab in meinem Leben viele Momente, wo ich kurz davor war, alles hinzuwerfen. Ich hatte alles gegeben, doch die Dinge bewegten sich nicht in die Richtung, die ich erhofft hatte. Es gab Momente da schlug das Schicksal hart zu und das so kurz hintereinander, dass ich dachte, Gott oder wer auch immer, will mich vernichten. Das waren Momente wo ich das Gefühl hatte, es zerbröselt mich. Es hat mich nicht zerbröselt, aber es hat mich verändert, in immer anderer Weise. Irgendwie habe ich immer weitergemacht. 

 

Mein Geheimnis? 

Aushalten, Durchhalten, Weitergehen, auch ohne zu wissen wo ich lande.

Gehen, einfach gehen. Oft ging ich allein. Kein schönes Gefühl. Die Angst ging mit. Die Angst vor dem Unbekannten, die Angst es nicht zu schaffen, die Angst wieder einen Schlag verpasst zu bekommen. Egal, ich ging mit der Angst einfach weiter. Es gibt einen Teil in mir, der immer weitermacht, der stärker ist als die Angst. Ich ging oft mit der Angst. Und mit der Zeit lernte ich zu akzeptieren, dass sie ein Teil von mir ist. Ich habe sie nicht mehr als meine Feindin gesehen, sondern als etwas, das zu mir gehör. Ich habe den Widerstand gegen sie aufgegeben, nicht mehr gesagt: Ich will dich nicht haben!, sie nicht verdrängt und nicht abgewehrt. Und je mehr ich sie da sein ließ, desto milder und kleiner wurde sie und ich wurde ein bisschen größer. Groß genug um mich dem zu stellen, was das Leben in den schwierigen Phasen von mir wollte. Und genauso mache ich es mit der Trauer und dem Schmerz. Wenn sie da sind, sind sie da und ich lasse sie da sein. Ich muss sie nicht wegmachen, weil ich weiß, was ich schwächen will wird stark und was ich verkleinern will, wird größer. Bodo Schäfer schrieb einmal: „Die meisten Menschen geben kurz vorm Ziel auf.“ Das erlebe ich oft in der Praxis. Sie geben auf, wenn sie ihr Ziel nicht schnell genug erreichen. Ich sehe es so: Die meisten Menschen geben auf, WEIL sie ein Ziel im Fokus haben und nicht den Weg. Der Weg erfordert Hingabe, egal was passiert und nichts zu erwarten und dankbar zu sein, für das, was wir haben - unser Leben. 

Ich habe mich an mein „Warum“ erinnert, wenn die Zweifel kamen und die Hoffnung eine fragwürdige Größe wurde

Manchmal habe ich die Hoffnung für mich selbst sogar verloren. Dann bin ich ohne Hoffnung weitergegangen. Immer nur für diesen Tag, nur für heute und bin gegangen. Mein „Warum“ ist meine größte Kraftquelle. Was mich antreibt ist mein „Warum.“ Ich weiß, warum ich morgens aufstehe, ich weiß, warum ich tue, was ich tue. Ich tue es, um der Liebe willen. Der Liebe zum Leben selbst, seiner Schönheit, die mich immer wieder tröstet und der Liebe zu meinem Sohn und zu meiner Arbeit. Ich tue es mit Liebe zu dem, was mir an Gaben geschenkt wurde, an Fähigkeiten und Potenzialen. Und das ist viel. Ich bin reich beschenkt und ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Und weil ich das weiß, gehe ich achtsam damit um und wertschätzend und mache etwas damit. Etwas, das über mich selbst hinausgeht, was andere erreicht, die es vielleicht brauchen können.

Mich an dieses „Warum“ zu erinnern, gibt mir die Kraft auch in schweren Momenten weiterzugehen. Egal wie oft mir das Leben Steine in den Weg legte, mein Warum ließ sich nicht darunter begraben. Dazu muss ich bewusst gar nichts tun, es ist einfach in mir. Es ist mein innerer Kompass, dem ich vertraue und dem ich folge, egal was andere sagen, meinen oder über mich denken. 

Ich vergleiche mich nicht, wenn, dann mit den früheren Versionen meiner selbst, aber niemals mit anderen. Und auch das gibt mir Kraft. 

Ich bin ein Kind Gottes, einzigartig und ich gehe meinen ureigenen Weg, so wie jeder Mensch, ohne mich zu vergleichen. Der Vergleich ist ebenso unsinnig wie schädlich. Indem wir uns mit anderen vergleichen, verleugnen wir unseren eigenen Weg. Und unsere Weg entsteht indem wir ihn gehen. Einfach gehen. Bis es an der Zeit ist zu gehen. Geh wohin dein Herz dich trägt, habe ich zu meinem Sohn, als er ein kleiner Junge war, gesagt. Er tut es, ich tue es und auch das gibt mir Kraft. 

 
"Am Abend unseres Lebens wird es die Liebe sein, nach der wir beurteilt werden, die Liebe, die wir allmählich in uns haben wachsen und sich entfalten lassen, in Barmherzigkeit für jeden Menschen."
 
Frère Roger

 

Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de

 

 

Dienstag, 2. Dezember 2025

Was in Beziehung krank wurde, kann nur in Beziehung heilen

 



 
„Es ist die Beziehung, die heilt, die Beziehung, die heilt, die Beziehung, die heilt – mein professionelles Rosenkranzgebet.“
Dieser Satz stammt aus dem Buch des Psychoanalytikers Irvin D. Yalom mit dem Titel „Die Liebe und ihr Henker“. Ich habe alle seine Bücher gelesen. Jedes einzelne hat mich viel gelehrt über Menschen, ihre Sorgen, ihr Leid, ihre Kämpfe und über die Arbeit mit Menschen. Vieles was er an Fällen beschreibt erkenne ich in meiner eigenen Arbeit wieder. Yalom ist ein außergewöhnlicher Schriftsteller und ein außergewöhnlicher Therapeut, mit unorthodoxen Methoden. Wenn er schreibt: „Es ist die Beziehung, die heilt", meint er damit die Beziehung zwischen Klient und Therapeut. 
 
Man weiß, dass diese Beziehung für den Therapieerfolg von hoher Bedeutung ist
Nur ein sicheres, tragendes Fundament aus Wertschätzung, vorurteilsfreier, nicht bewertender Annahme, Achtsamkeit, Vertrauen, Empathie und gegenseitigem Respekt ermöglicht es dem Klienten, sich vollkommen zu öffnen, intime Details preiszugeben und an schwierigen Themen zu arbeiten. Manche Menschen erfahren sogar zu ersten Mal in ihrem Leben eine gesunde Beziehung, die dann, aufgrund dieser heilsamen Erfahrung der positiven Interaktion, als Modell für künftig gesündere Beziehungen im weiteren Leben dienen kann. Eine starke therapeutische Allianz, die als partnerschaftliche Zusammenarbeit wahrgenomen wird, ist sogar entscheidend für tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen.
 
Irvin D. Yalom betont in seinen Büchern immer wieder die offene und authentische therapeutische Beziehung in der der Therapeut eine Rolle spielt, die der eines guten Freundes ähnelt. Er sieht diese enge Verbindung als zentral für die Überwindung von Problemen an. Im Gegensatz zu dem, was man angehenden Therapeuten in der Interaktion mit Klienten beibringt - nämlich professionelle Distanz zu wahren, plädiert Yalom für Authentizität und Offenheit. Er übt Kritik an der rein „anonymen“ Therapie. Er weicht von der traditionellen, anonymen Rolle des Therapeuten ab und betont den unschätzbaren Wert einer persönlichen, menschlichen Interaktion. Der Therapeut sollte sich öffnen, um eine echte Verbindung zu schaffen. Das kann bedeuten, auch seine eigenen Erfahrungen zu teilen, um dem Patienten zu helfen, seine Probleme aus einer neuen Perspektive zu betrachten. 
Für Yalom ist Therapie Begegnung auf Augenhöhe.
Und so sehe ich das auch. Was in Beziehung krank wurde kann nur in Beziehung heilen und eine Beziehung ist nur dann heilsam, wenn sich zwei Menschen auf Augenhöhe begegnen. Der Klient, der vor mir sitzt ist kein Fall, er ist ein Mensch wie ich.
 
 
„Kenne alle Theorien, beherrsche alle Techniken, aber wenn du eine menschliche Seele berührst, sei einfach nur eine weitere menschliche Seele."
C.G.Jung
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de
 
Zur besseren Lesbarkeit habe ich das generische Maskulinum verwendet. Die verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.

Sonntag, 30. November 2025

Einen Abschluss machen

 


Am Jahresende tragen viele von uns weit mehr Belastungen mit und in uns herum, als wir uns vielleicht bewusst sind. Das können sein: Längst überfällige Entscheidungen, unerledigte Aufgaben, anhaltende Themen und Probleme, für die wir bisher keine Lösung finden konnten, nicht abgeschlossene To-Dos, Türen, die wir längst schließen sollten und die wir noch immer halb offen stehen lassen.
Diese mentale Last sitzt nicht nur in unserem Geist, sie raubt uns Energie und stresst unser Nervensystem.  Im Dezember neigt sich das Jahr dem Ende zu. Ich finde, ein guter Monat um alles, was unerledigt ist, so gut wie es uns möglich ist, zum Abschluss zu bringen, innezuhalten und uns zu fragen: 

Was will ich nicht ins nächste Jahr mitnehmen?

Was will ich jetzt abschließen?

 

Dazu sind folgende Fragen hilfreich:

 

Was oder wer raubt mir Energie?

Was oder wer bringt mich immer wieder aus dem Gleichgewicht?

Für wen oder was habe ich keine Kapazitäten mehr frei?

 

Welches Projekt macht keinen Sinn mehr, weil es bis jetzt, trotz meiner Anstrengungen, keinen Erfolg hatte?

Welches Ziel, für das ich vergeblich gekämpft habe, darf ich sein lassen?

Was ist die größte Illusion, die ich mir mache?

Worauf warte ich schon zu lange vergeblich?

 

Was oder wer interessiert mich nicht mehr, auch wenn ich denke es oder er müsste mich noch interessieren?

Was will ich nicht mehr tolerieren?

Was kann ich ausmisten, was nicht mehr zu mir und meinem jetzigen Leben passt?

Was oder wem bin ich entwachsen?

Welche Gewohnheiten dienen mir nicht mehr oder schaden mir sogar?

Welche längst überfällige Entscheidung will ich treffen?

Wie würde es sich anfühlen, wenn ich dies oder das sein lasse?

 

Wenn du all diese Fragen beantwortet hast, könntest du dich fragen

Was würde mich jetzt interessieren?

Was könnte ein Funke sein, durch den ich mich wieder lebendiger und leichter fühle?

 

Finden wir heraus, was sich gut für uns anfühlt, und lassen wir den unheilsamen Rest hinter uns. Klarheit entsteht, wenn wir aufhören, uns selbst zu belügen, uns unserer selbst bewusst werden und zielgerichtet zu handeln und dazu gehört auch Dinge endgültig abzuschließen, um den Raum zu öffnen, damit Neues in unser Leben treten kann.

 

 

 

Samstag, 29. November 2025

Jetzt reiß dich doch mal zusammen!

                                                                   Malerei: A.W.


Wenn jemand in einer schweren emotionalen Situation ist, ist eine Phrase wie: „Jetzt reiß dich doch mal zusammen!“, weder hilfreich für den Betroffenen, noch zeugt sie vom Versuch Verständnis zu zeigen. Vielmehr zeugt sie von einem Empathiedefizit und weckt den Eindruck, dass die Gefühle des anderen nicht ernst genommen werden.

Jeder Mensch hat seine eigenen Kämpfe und Herausforderungen. Wer vorschnell zu solchen Phrasen greift, neigt dazu den individuellen Kontext und die emotionale Befindlichkeit und Bedürfnisse anderer zu übersehen. Er geht von sich selbst und seinem begrenzten Denkrahmen aus, dem es nicht gelingt über das Eigene hinauszublicken.

Wer sich zusammenreißen soll, hat das in den meisten Fällen längst lange und oft genug getan. Irgendwann kommt der Punkt, an dem sich das Zusammenreißen erschöpft, dann, wenn die Seele gewisse Situationen oder emotionale Belastungen, wenn sie lange genug anhalten, nicht mehr ertragen kann. Anstatt Unterstützung anzubieten, Betroffene aufzufordern, sich mal zusammenzureißen, tut nichts für sie, außer, dass es den emotionalen Druck erhöht.

Menschen, die über längere Zeiträume hinweg chronischem Stress oder großen Belastungen ausgesetzt sind, können sich irgendwann nicht mehr zusammenzureißen, sie sind seelisch am Limit. Chronische Belastungen können zu einer Erschöpfung der emotionalen Ressourcen führen, was das "Zusammenreißen" nahezu unmöglich macht. Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist aufgebraucht. Ein Zustand physischer und emotionaler Erschöpfung, der oft durch anhaltenden Stress verursacht wird, kann Menschen daran hindern, ihre Emotionen zu regulieren und Lösungen zu finden. Auch Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, haben oft Schwierigkeiten sich in belastenden Situationen zusammenzureißen.  Bestimmte psychische Erkrankungen, wie Angststörungen oder Depressionen, können die Fähigkeit zur emotionalen Regulation erheblich beeinträchtigen. Menschen mit Zwängen und Angstzuständen fällt es schwer sich selbst zu beruhigen, was das Zusammenreißen erschwert. Bei Depressionen kann es zu einem Gefühl der Antriebslosigkeit und tiefer Hoffnungslosigkeit kommen, was das Zusammenreißen unmöglich macht. Und das sind nur einige Beispiele.
In solchen Fällen ist professionelle Unterstützung notwendig, um die emotionale Stabilität wiederherzustellen.

All das sehen jene, die vom Zusammenreißen sprechen nicht.
Sie gehen von sich selbst aus. Sie argumentieren aus einem Ich heraus, das all das nie erfahren hat und unfähig oder derart ignorant und von Hochmut besselt ist, dass es ihm nicht gelingt über die eigene Erfahrung und das eigene begrenzte Bild von Welt hinauszudenken. Meist haben diese Menschen wenig Kontakt mit unterschiedlichen Lebensrealitäten oder es fehlt ihnen schlicht und einfach der Wille den anderen als das zu sehen, was er ist – ein eigener Mensch mit eigenen Gefühlen und keine Blaupause für das Verhalten, die Entscheidungen, die Strategien, Lösungsmöglichkeiten oder die Entwicklung eines Individuums.

Jetzt reiß dich doch mal zusammen!
Mit Phrasen wie diesen sollte man sich zurückhalten.

 

Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de

Donnerstag, 27. November 2025

Einzigartig und nicht ersetzbar

 




Wenn es dir seelisch nicht gut geht, ist die vorweihnachtliche Zeit nicht einfach zu ertragen. Wenn du einen Verlust erlitten hast, kann diese Jahreszeit deine Trauer verstärken. Die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit, die vertrauten Rituale, die Tage an denen Freude und Leichtigkeit zu deinem Leben gehörte. All die Echos von dem, was verloren ist, machen das Herz schwer. Da ist Sehnsucht, Traurigkeit, Einsamkeit, Angst, Wut, Erschöpfung ja vielleicht sogar Scham darüber, dass du dich nicht dankbar fühlst, für das was noch da ist, trotz dem Verlust. Du könntest dich von den Menschen getrennt fühlen, die dich nicht verstehen oder deine Gefühle nicht nachempfinden können. Du könntest dich noch mehr in dich selbst zurückziehen, weil du denkst, so wie du dich fühlst mag keiner in deiner Gesellschaft sein. Du verkriechst dich vielleicht immer öfter drinnen während draußen die Menschen auf den Weihnachtsmärkten feiern. Du fürchtest dich vielleicht vor den Feiertagen oder du fühlst dich wie ein Alien, der mit all dem nichts zu tun hat. Dir wird wieder schmerzhaft klar: Was war ist vorbei und mit dem was war, ist ein Teil von dir verschwunden. Und so ist es auch.
 
Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, ist es nicht nur der Verlust dieses Menschen, der uns zutiefst erschüttert. Wir verlieren den Teil in uns, den nur dieser Mensch in uns zum Leben erwecken konnte und der nun verschwunden ist. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr wird uns bewusst, wie wahr das ist. Es gab Seiten an uns, die nur dieser Mensch kannte. Seiten, die nur dieser Mensch aus uns herausholte. Seiten an uns, die wir nur diesem Menschen gegenüber zeigen konnten. Seiten an uns, die sich nur im Raum des vollkommenen Vertrautseins entfalten konnten.
Wenn dieser Mensch nicht mehr da ist, verstummen diese Seiten in uns. Wir vermissen nicht nur diesen Menschen, sondern auch den Menschen, der wir waren, an seiner Seite. Und wir spüren es in den kleinen Momenten. Wenn wir Worte nicht mehr sagen, die wir gesagt haben, wenn wir Gedanken für uns behalten, die wir in Worte fassen konnten, wenn wir Gefühle unterdrücken, die wir offenbart haben, wenn wir Erinnerungen nicht mehr teilen können. Wir vermissen den Teil in uns, der sich nur mit diesem Menschen zeigen und lebendig sein konnte. Dieser Teil unserer Selbst ist mit diesem Menschen verloren. Wir vermissen nicht nur diesen Menschen, wir vermissen Teile unserer selbst. Und wir wissen nicht, wie wir sie wieder zum Leben erwecken können.
Und vielleicht ist das auch gar nicht die Aufgabe.
Vielleicht ist es okay, sie dort zu lassen, wo sie einst waren.
In Erinnerung an diesen Menschen und an uns, die wir mit ihm waren. 
Einzigartig und nicht ersetzbar.
 
Es ist okay. Nichts was mit deiner Trauer einhergeht bedeutet, dass du in dieser Zeit etwas falsch machst. Es gibt keinen richtigen Weg, die vorweihnachtliche Zeit zu erleben, sei
ehrlich, mitfühlend und gütig zu dir selbst.
So gut du es kannst. 
 
Kontakt: aw@wende-praxis.de
 

Mittwoch, 26. November 2025

Das Glück in der Einsamkeit

 



Heute morgen lese ich in Facebook: Immer mehr Menschen sind alleine glücklich. Sie wollen keine Beziehung mehr. Sie feiern ihr Alleinsein, manche romantisieren sogar die Einsamkeit, wobei die Meisten das eine mit dem anderen verwechseln.
Was ich in der Praxis täglich erlebe spricht andere Worte. Immer mehr Menschen, unabhängig vom Alter, vereinzeln und immer mehr Menschen leiden unter schmerzhafter Einsamkeit.
Die Zahl der Singlehaushalte hingegen steigt. Dies untermauert oben genannte Behauptung. Aber nur insofern, dass immer mehr Menschen allein leben. Ob sie das feiern, wage ich zu bezweifeln. Fakt ist: Viele Menschen werden immer beziehungsunfähiger. Die einen weil sie zu viele Enttäuschungen erlebt haben und sich vor neuen Verletzungen schützen, die anderen weil ihnen Freiheit, Selbstverwirklichung und Erfolg im Leben wichtiger sind als eine Beziehung.
Wenn ich beides genauer betrachte und beide Abwehrformen in ihrer Entstehung zurückverfolge, stelle ich fest, dass sie letztlich einem Bedürfnis nach Liebe entspringen, das sich gebrochen hat an den Erfahrungen von Enttäuschung, Zurückweisung, Schmerz, Trennung, Verlust. Angesichts dessen flüchten die einen in unbrauchbare Lebensphilosophien - was bleibt noch anderes übrig als die Einsamkeit in den Himmel zu loben? Während die anderen die Flucht nach vorne in die grandiose Besonderheit und Vereinzelung auf Kosten liebevoller Beziehung antreten. Phantasien der eigenen Großartigkeit sollen die Einsamkeit kompensieren. Ob diese Strategien auf Dauer erfüllend sind ist zu bezweifeln. Möglicherweise könnte das Glück in der Einsamkeit immer mickriger ausfallen.