Mittwoch, 2. Oktober 2024

Aus der Praxis: Cmpliance

 

                                                                Foto: Pixybay


Menschen, die in Therapie gehen haben oft hohen Leidensdruck und wünschen sich sehnlichst eine Veränderung. Mit der Haltung: „Ich habe ein Problem und der Therapeut soll es lösen, beginnen manche von ihnen dann eine Therapie.
Nur mit dieser Haltung funktioniert das nicht.
 
Veränderung geschieht nicht in den Sitzungen, sie geschieht dazwischen. Allerdings nur dann, wenn das, was erarbeitet, verstanden und erlernt wird, auch umgesetzt wird. Therapie und Coaching brauchen Compliance.
Das Wort Compliance kommt aus dem Englischen und bedeutet: Einhaltung, Befolgung. Compliance bedeutet kooperatives Verhalten im Rahmen einer Therapie. Manche sprechen auch von Therapietreue. Gemeint ist damit das Einverständnis, die Einsicht, die Kooperationsbereitschaft und die Motivation des Klienten zur aktiven Mitarbeit. Diese Faktoren bestimmen wesentlich den Erfolg. Je höher die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung am therapeutischen Prozess und der Umsetzung dessen, was erarbeitet wird ist, desto erfolgreicher ist er. An Erkennen, Einsicht und Verstehen mangelt es in den wenigsten Fällen, an der Kooperation und der Umsetzung jedoch oft.
Ein Beispiel: Dem Klienten werden regelmäßige tägliche Achtsamkeitsübungen ans Herz gelegt um sich besser konzentrieren zu können, klarer zu werden und sich selbst regulieren zu lernen, er macht sie aber nicht.
Sitzung für Sitzung klagt er weiter über innere Unruhe und ein nicht enden wollendes Gedankenkarussell und meint, er habe das Gefühl, dass die Therapie nicht anschlägt
Auf die Frage: Machen Sie ihre Übungen?, kommt ein: Nein, irgendwie schaffe ich es nicht.
Der Klient wünscht sich Veränderung und „schafft“ es nicht, täglich ein wenig Zeit zu investieren um die Veränderung zu bewirken.
Einer Klientin werden Hausaufgaben bzw. Handlungsaufforderungen gegeben, wie z.B. die Übung, das eigene Verhalten zu beobachten und täglich ihre Gefühle und Gedanken aufzuschreiben. Die Hausaufgabe wird ein mal, zwei mal gemacht und dann nicht mehr.
Es kommt die Klage: „Jetzt komme ich seit Monaten ein Mal pro Woche in die Sitzungen und es ändert sich nichts.
 
Was soll sich ändern, wenn man selbst nichts ändert und kein Engagement zeigt?
Die Antwort ist: Nichts.
In beiden Beispielen mangelt es an Compliance.
Diese ist nur dann gegeben, wenn der Klient mitmacht, die Übungen und Hausaufgaben als sinnvoll und hilfreich begreift und sie dann auch kontinuierlich und konsistent durchführt. Nur so wird ein Veränderungsprozess auch in Gang gesetzt. 
 
Therapie ist kein passiver, sondern ein aktiver Prozess.
Sie ist kein Wunderheilmittel, sondern Hilfe zur Selbsthilfe und das bedeutet Mitarbeit. Ohne aktive Mitarbeit wird man nichts erreichen. Und das bedeutet Bereitschaft und zwar indem man sich sich selbst gegenüber verpflichtet, was hilfreich ist, auch zu tun und in den Alltag zu integrieren. 
 
Und ja, ich weiß, dass das nicht einfach ist, aber Therapie ist Arbeit und nicht immer angenehme Arbeit. Ich weiß auch, dass es Zeit, Geduld, Disziplin und Durchhaltevermögen braucht , dass es anstrengend ist das durchzuziehen und dass die Arbeit an uns selbst nicht sofort belohnt wird, es keine schnellen Erfolgsergebnisse und schon gar keine Spontanheilung gibt. Und ich weiß auch, bei fast allen, die eine hohe Compliance zeigen und aktiv mitmachen, wirkt diese Arbeit.
Slow and steady wins the race. 
 
"Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken."
Galileo Galilei
 
 
Angelika Wende

Dienstag, 1. Oktober 2024

Neu beginnen, oder der Zauber des Anfangs

 

                                                                          Foto: A. Wende

Manche, die das Neue beginnen, lassen alles Alte hinter sich und vertrauen, dem ZEN Spruch gemäß, darauf: „Spring und das Netz wird erscheinen." Mit anderen Worten: Du musst nicht alles wissen, bevor du anfängst. Das sind die Wagemutigen, die Abenteurer, die, voller Selbstvertrauen und Zuversicht. Sie machen einfach und sind überzeugt davon, es wird schon gut gehen. Das sind die Wenigsten. Die meisten von uns sind bei einem Neubeginn eher zaghaft. Sie sind orientierungslos, ängstlich, verunsichert und vor allem - sie wissen nicht, wie etwas Neues beginnen. Wie denn, Was denn? Womit denn?
 
Oft scheitern wir an den Erwartungen und den Vorstellungen, die wir vom Neuen haben. Das muss ganz anders sein als das Alte. Das muss etwas Großes, Großartiges, radikal Neues sein, ein krasser Shift, ein Schattensprung, eine totale Veränderung, etwas, was wir noch nie getan haben, wofür uns der Mut fehlte, und, und, und, Superlative eben. Aber so funktioniert das nicht mit dem Neubeginn, also bei den meisten nicht. Und so muss es auch nicht sein.
Es genügt uns heranzutasten, in kleinen Schritten, in kleinen Dingen, die wir neu finden, neu machen, ausprobieren und in den Alltag integrieren um etwas Neues in unser Leben einzuladen. Und da gibt es viele Möglichkeiten, ein Meer von Möglichkeiten.
Ich bin bereit für das Neue, heißt für mich: Ich bin bereit, kleine Dinge neu zu tun und zu erfahren. Ich bin bereit, kreativ zu denken und zu leben. Ich bin bereit, das Interesse am Leben zu bewahren und mich Neuem zuzuwenden.
 
Ich zum Beispiel liebe es neue Rezepte auszuprobieren. Ich will meine erste Udon Nudelsuppe kochen und recherchiere, was ich dazu an Zutaten brauche. Unter anderem ist das Sishimi Togarashi. Wie wunderbar das klingt, es zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich die Worte ausspreche. Ich spreche sie laut vor mich hin und denke, wie schön die Japanische Sprache ist. Dann gehe ich in den Asia Markt und hole es mir. Ich schaue all die Gewürze, Soßen und Essensdinge an und fühle mich wie Alice im Wunderland. Ich gönne mir regelmäßig eine Lomi Lomi Massage, ich mache eine Fahrt an einen Ort in der Nähe, den ich noch nie besucht habe. Ich räume die Wohnung nach Feng Shui um, mache Magic Cleaning und werfe alles Alte, was mich belastet oder an Unheilsames erinnert, weg oder verschenke es. Ich streiche die Wände in einer anderen Farbe. Ich arrangiere Blumen einmal anders, lerne Ikebana, die japanische Kunst des Blumensteckens. Ich lese wieder mehr Romane, anstatt nur Fachliteratur. Ich schreibe, weil ich das Schreiben liebe, egal ob es gedruckt wird oder nicht. Ich male, auch wenn meine Bilder keiner austellt, weil es mich in den Flow bringt. 
 
Ich probiere kleine Dinge aus, die ich noch nie probiert habe. Wenn nicht jetzt, wann dann? Zeit ist kostbar, jeder Augenblick in dem ich gesund bin, klar im Kopf bin, ist kostbar. Ich nutze und wertschätze ihn. Ich lebe jetzt und nicht in der Vergangenheit, auch wenn sie mich manchmal traurig macht und ich mich zurücksehne in die schönen Zeiten und manch Altes gerne noch in meinem Jetzt hätte. Es ist okay. 
 
„Der Gott der kleinen Dinge“, dieser Satz von Arundhati Roy fällt mir bei all dem, was ich an kleinen Dingen in meinem Leben neu mache, ein. Es gibt so viel Neues, was es zu erfahren gibt. Und das Erfahren macht etwas mit mir. Ich fühle Neugier, Spannung, Aufregung, Lebendigkeit, Experimentierlust und Freude, wenn mir etwas gelingt, wie die köstliche Udon Nudelsuppe, die ich an einem schön gedeckten Tisch mit einem warmen Sake genieße. Mein Handy ist dabei aus. Ich zelebriere die Zeit mit mir selbst, still und ungestört. „Und plötzlich weißt du, es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen“, schreibt Meister Eckhart, mehr noch: Du fühlst den Zauber.