Art: Louis Bourgeois
Jetzt arbeite ich seit Monaten an mir selbst und mir geht es schlechter, sagt ein Klient. Ich höre an dieser Stelle auf. Er will damit demonstrieren: Schauen Sie, was dabei herauskommt, wenn ich mich wirklich auf alles einlasse, was ich verdrängt habe. Was die Frage impliziert: War es nicht besser zu verdrängen?
War es das?
Der Klient hat sich gewöhnlich damit begnügt sich zu beklagen, vor seinen Ängsten wegzulaufen und seine Probleme mit Alkohol zu betäuben.
Indem er die innere Arbeit macht, muss er jetzt den Mut
und die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber aufbringen seine Aufmerksamkeit auf
die Erscheinungen seiner Probleme zu richten. Seine Probleme müssten, um sie zu lösen, nicht abgelehnt,
sondern ein würdiges Gegenüber werden aus dem er Wertvolles schöpfen kann
damit es ihm mit der Zeit besser geht. All das Verdrängte, alle Selbstlügen, die so lange
unterdrückt wurden, brauchen Kontakt, sie
brauchen Nähe, Mitgefühl und Liebe. Um dahin zu gelangen braucht es Bereitschaft auch Unangenehmes auszuhalten und die Einsicht, dass das, was jahrzehntelang im Argen lag, nicht in kurzer Zeit anders wird und dass es mühsam ist all das zu be-und zu verarbeiten.
Wann immer wir uns lost oder blockiert fühlen, sind wir im
Widerstand gegen das Leben, das eine neue Version von uns verlangt, weil die
alte Version nicht mehr unserer Realität entspricht. Wir sind im Widerstand
gegen eine tiefe innere Wahrheit, die wir längst wissen, aber nicht sehen
wollen und schon gar nicht akzeptieren wollen.
Der Klient in der Mitte seiner Sechziger meint, er müsse unbedingt noch etwas Großes erreichen. Er hat Ideen, er macht Pläne und Konzepte, aber er kommt nicht ins Handeln. Immer wenn es an die Umsetzung geht ist er blockiert. Er tut dann nichts und macht weiter Pläne, ständig getrieben von dem Gedanken: Ich muss noch etwas Großes erreichen, bevor meine Zeit abläuft.
Dabei ignoriert er, dass es ihm an Vielem fehlt um das "Große" umzusetzen. Er ignoriert, dass er eigentlich gar nicht die Disziplin, die emotionale Stabilität und die Ausdauer hat um kontinuierlich dran zu bleiben.
Er ignoriert, dass er wenig Chancen mit seinem Projekt hat, weil der Markt übersättigt ist und es viele Jüngere in diesem Bereich gibt, die sehr erfolgreich sind.
Er weiß im Grunde – es ist für das „Große“ zu spät.
Er will
es aber nicht sehen. Er drückt sich vor der Bewältigung der anstehenden Entwicklungsaufgabe. Er will nicht (ein) sehen, dass das Leben jetzt etwas
anderes von ihm will – nämlich sich sich selbst zuzuwenden und das „Große“ in
sich selbst zu entdecken, um innere Ruhe, Zufriedenheit, Wertschätzung für sich selbst und Gelassenheit zu
finden. Er jagt einer Illusion hinterher, die mit der Version seiner selbst,
die er zu diesem Zeitpunkt seines Lebens ist, nicht kompatibel ist. Er will nicht wahrhaben, dass diese Lebensphase eine neue Version seiner selbst von ihm verlangt. Er verdrängt eine tiefe innere Wahrheit, nämlich, dass er im Tiefsten sein Leben als sinnlos und
unerfüllt empfindet. Er weicht aus, indem er sich auf etwas „Großes“ im Außen
fixiert, was seinem Leben dann noch einmal Sinn geben soll. Das wahre
Problem ist seine Angst ein misslungenes Leben gelebt zu haben. Die Aufgabe ist - den Weg nach Innen zu gehen und sich mit sich selbst und seinem Leben zu versöhnen und das Jetzt zu akzeptieren, um dann einen Weg zu gehen, der dem Menschen entspricht, der er in dieser Lebensphase ist. Seine Herausforderung wäre, würde er sie annehmen: Die Chance zur Entdeckung neuer Entwicklungs- und Erfahrungsufer, unabhängig davon, sich selbst und anderen "Großes" beweisen zu wollen. Er aber geht in den Widerstand und alles bleibt beim Alten.
Die Aufgabe ist nie unklar, sie
ist nur unangenehm.
Solange die Probleme und deren Ursachen, die durch die innere Arbeit ans Licht kommen, abgelehnt oder als „verschlimmert“ beklagt werden, sind wir im Widerstand. So gelingt weder die Versöhnung mit dem Verdrängten noch dessen Integration. Mit anderen Worten: Es braucht eine eine gewisse Toleranz und im besten Falle: Akzeptanz, Mitgefühl und Liebe für unser Leiden.
Wir müssen aufhören wegzulaufen vor dem, was wir nicht sehen
wollen.
Es ist normal, dass sich durch jede Art der inneren Arbeit belastende Erinnerungen, Symptome und Wahrheiten hervordrängen, die früher nicht wahrgenommen, bzw. verdrängt, abgewehrt oder abgespalten wurden und dass innere und äußere Konflikte verschärft werden. Das ist eine vorübergehende Verschlechterung, die es durchzustehen gilt. Nur brechen viele genau an dieser Stelle die Arbeit an sich selbst ab. Sie gehen, bewusst oder unbewusst, in den Widerstand und wenden sich wieder den vertrauten alten Überlebensmustern und Gewohnheiten zu – eben auch der Verdrängung, der Abspaltung, der Betäubung und der Selbstlüge. Mit dem Ergebnis: Die ganze Arbeit hat nichts gebracht, außer der fälschlichen Annahme: Es geht mir schlechter damit.
Man kann nichts verändern, was man nicht akzeptiert und was nicht nahe genug ist.
Der Widerstand aber scheut sich vor wahrer Nähe mit sich selbst.

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