Neid ist eine der sieben Todsünden. Genau gesagt, die
sechste und trägt den schönen lateinischen Namen Indivia, was soviel bedeutet
wie Missgunst, Eifersucht und Neid eben. Neid ist ein unschönes Gefühl, es ist giftig wir Galle
und stößt dem, der ihn hat genauso auf wie bitterer Gallensaft.
Neid haben Menschen auf vieles, besonders auf das, was
andere haben und sie nicht. Eine interessante psychologische Facette des Neides ist der
Penis-Neid. Der Begriff Penis-Neid wurde übrigens von Sigmund
Freud geprägt. Seine Annahme, dass Frauen das männliche Geschlecht
unbewusst um den Penis beneiden ist eine bekannte und zugleich
bis heute umstrittene These der Psychoanalyse.
Was besagt diese These?
Nach psychoanalytischer Auffassung basiert der
Penis-Neid der Frau auf dem Gefühl der Unterlegenheit, das beim weiblichen Kind entsteht,
wenn es den Penis des Jungen entdeckt und feststellt, dass ihm selbst da etwas
fehlt, was der andere hat. Das bewirkt das Gefühl des Mangels, sprich – das weibliche
Kind kommt sich benachteiligt vor. Nun kommt es vor, dass dieses Gefühl des
Mangels bei manchen Frauen ein Leben lang unbewusst mitschwingt, auch wenn sie
rational längst begriffen haben, dass es sich dabei nicht um einen echten
Mangel, sondern einfach um die Andersartigkeit von Mann und Frau handelt.
Bei manchen Frauen allerdings wirkt der unterbewusste Penis-Neid,
trotz besseren Wissens, ein Leben lang störend in ihrem Verhältnis zum männlichen
Geschlecht. Besonders Frauen, die verbissen die Karriereleiter nach oben
klettern wollen und immer wieder an ihren männlichen Mitbewerbern scheitern,
die ihnen in ihren Augen allein aufgrund dessen, dass sie ein Mann sind, die
fetten Jobs wegschnappen sind Opfer dieser frühkindlichen Mangelerfahrung. Auch die im kollektiven
Unterbewusstsein tief verankerte weibliche Erfahrung der Unterdrückung und
Zurücksetzung in einer patriarchalischen Gesellschaft trägt zu einem, vom Neid gefärbten
Bild - der Mann hat traditionell den Vorrang - bei. Die Folgen des
Penis-Neides sind je nach Anlage, familiärer und frühkindlicher Prägung und
frühkindlicher sehr unterschiedlich. Manche Mädchen empfinden ihre
Sexualausstattung als so minderwertig, dass ihnen Sexualität selbst
minderwertig vorkommt. Andere wollen „männlich“ werden und suchen die
Kompensation ihres Komplexes in typisch männlichen Berufen oder sie treten in
eine mitunter lebenslange Konkurrenz mit dem Mann, um eine männliche Rolle zu
spielen.
Zusammenfassend gesagt, stellt der Penisneid eine Reaktion auf die größere
weibliche Passivität dar, vorausgesetzt die Psychoanalyse irrt nicht. Und die
Erfahrung sagt: meistens tut sie das nicht.
Aber gehen wir doch mal wie folgt an das Phänomen des
Geschlechterkampfes und fragen uns: Was erleben Mädchen in der Kindheit in
Bezug auf das andere Geschlecht?
Viele Mädchen erleben, dass Jungs mehr Freiheiten
zugestanden werden, mehr Mut, mehr Frechheit, mehr Aggression, mehr Kraft und
Stärke, so manche Schwester erlebt sogar, dass dem Bruder als Stammhalter
größere Wichtigkeit beigemessen wird als ihr selbst. Noch heute klafft die Erziehung
männlicher und weiblicher Kinder weit auseinander. "Barbies und Pistolen", um es
in ein knappes Bild zu packen, kennzeichnen den kindlichen Spielraum der Geschlechter.
In Zeiten von Multimedia ist das nicht anders, Mädchen spielen online Prinzessin
Lillifee und Jungs spielen Ball- und Ballerspiele. Welch männlich und weiblich getrennte Welt, könnte
man sagen, und in der Tat, so ist es auch, in der Regel jedenfalls. Man beobachte
einmal das Spielverhalten kleiner Kinder um sich von dieser Tatsache ein persönliches Bild
zu machen.
Fakt ist – noch heute werden Mädchen überwiegend zu weiblicher
Passivität erzogen. Empathie, Umsorgen, Milde, Verständnis und Häuslichkeit
stehen im Focus der Mütter, die das selbst erlernte an ihre Töchter
weitergeben. Das Mädchen geht ins Ballett und der Bub zum Fußball oder zum
Klettern, denn Jungs werden zu männlicher Aktivität und Durchsetzungsvermögen
erzogen, allenfalls wird ihre künstlerisch-kreative Ader gefördert,
vorausgesetzt sie haben kreative Eltern. Mainstream aber ist: Jungs sollen starke, erfolgreiche Männer werden, kleine Helden eben, die Papas und Mamas
ganzer Stolz sind. Dass Jungenseelen damit gänzlich überfordert sind, weiß man
zwar heute sehr wohl, was die traditionell konditionierten Erziehungsmuster
angeht, hat dieser gesellschaftlich geförderte Erziehungsstil, trotz besseren Wissens,
nichts Wesentliches dazugelernt.
Jungs haben rational betont, stark, mutig und pragmatisch zu sein und Mädchen sind bitte schön emotional betont, süss, lieb und am Besten
noch hübsch anzuschauen, damit es auch weiter stimmt in der heilen Welt der
Geschlechter und derer, die Kinder erziehen.
Machen wir noch einen kleinen Ausflug in die
Psychologie ...
Schon C.G. Jung befasste sich mit dem weiblichen und
dem männlichen Prinzip, der Anima, den unbewussten männlichen Zügen der Frau, und
dem Animus, den unbewussten weiblichen Zügen des Mannes. Für Jung waren
Anima und Animus Archetypen, präexistente Aspekte jeder Persönlichkeit, die als
unabhängige und autonome Größen in der Gesamtpersönlichkeit von Männern und
Freuen vorkommen. Aus Jungs Sicht sind Anima und Animus deutlich
unterscheidbare Unterpersönlichkeiten innerhalb der Psyche, die klar von der
uns bewussten Persönlichkeit getrennt sind. So beschreibt Jung beispielsweise
in seinen Schriften einen sehr rationalen, selbstbeherrschten Mann,
der zudem sentimental ist, als unbewusst „Anima betont” und beschreibt ihn als
„besessen“ von einem „weiblichen Selbst”, ähnlich beschreibt er eine
ansonsten nachgiebige, sogar unterwürfige Frau, die aggressiv und rational
betont agiert, als unbewusst „Animus besessen“, das heißt „besessen“
von den Qualitäten eines „männlichen Selbst”.
Zurück zum Penisneid: Eine Frau, die sich mit ihrer Anima, sprich ihrer
Weiblichkeit nicht „versöhnt“ hat und einen aggressiven Animus ausagiert, der vom Neid auf
das Männliche "besessen" (man könnte sagen überbetont, das klingt nicht so krass wie "besessen") ist, um Jungs Formulierung zu mildern, steckt in einer
Falle. Sie lehnt ihre weibliche Sanftheit ab und übernimmt männliche Attribute im Glauben damit in einer männlichen betonten Welt besser bestehen zu können, sie mutiert quasi zum Mannweib, lebt aggressiv ihre männlichen Anteile
aus und muss dennoch erleben, dass sie eine Frau bleibt und nicht im Männerspiel auf Augenhöhe mitspielen kann. Das führt unweigerlich zu Dauerfrust und dieser kann sich zu Missgunst, Eifersucht und
Neid auswachsen. Sie beneidet Männer darum, dass sie prozentual gesehen die
besseren Jobs haben, das höhere Gehalt, dass sie keine Kinder gebären und
aufziehen müssen, dass sie scheinbar pragmatischer und unsensibler sind, was ihnen das Leben scheinbar leichter macht. Es gibt sogar Frauen mit diesem Komplex, die Männer beneiden, weil sie, wenn sie älter werden nicht übersehen werden, sondern sogar noch interessant werden, so interessant,
dass sie sich den zweiten Frühling mit einer knackigen Geschlechtsgenossin
versüßen können, während sie ab Mitte Vierzig mit den Wechseljahren kämpft und
der junge Lover auch mit Geld nicht zu kaufen ist. Ausnahmen bestätigen wie
immer die Regel. Neuerdings konnte ich sogar miterleben, dass es Frauen gibt, die Mann wegen des Bartes, den er trägt, attackieren, indem sie jede Menge verbales Gift
verspritzen. Es ist ja auch in der Tat so was von ungerecht, was Männer alles können, während wir selbst schon zu Botox oder Lifting greifen müssten,
um der Senkung der Gesichtskontur Richtung Boden entgegen zu wirken, während Mann allein mittels eines gepflegten, die Kontur betonenden Bartes, kaschieren kann.
Wie dem auch sei, ich muss Freud im Großen und Ganzen beipflichten
und Jung sowieso, denn diese klugen Männer wussten wovon sie sprachen, waren doch die
Mehrzahl ihrer Patienten weiblich und wenn ich meine eigenen Erfahrungen
dazulege, beseitigt das den letzten Zweifel an ihren Thesen.
"Im nächsten Leben werde ich ein Mann!", das habe ich schon oft von meinen Geschlechtsgenossinnen gehört und das habe ich nämlich zugegebenermaßen auch
schon mal gesagt, dann nämlich, als ich wieder einmal an männliche Grenzen
stieß. In Wahrheit sind das natürlich meine eigenen Grenzen, die ich, je
älter ich werde, als solche erkenne. Ich lerne mich vor Projektionen zu hüten, die
keinem anderen schaden, außer meinem eigenen Seelenheil. Also, ob Penis oder nicht Penis, ob Mann oder Frau, Neid macht nichts
besser, nicht erfolgreicher und schöner macht er auch nicht, sondern allenfalls bitter und schwarzgallig.
Frauen, die bewusst an diesem Thema arbeiten, bekommen die Wucht der Disbalance zu spüren. Es braucht viel Mut und Durchhaltevermögen, weil Jahrtausende alte Strukturen individuell nicht so leicht aufzubrechen sind. Trotzdem glaube ich an das Potential des Individuums, in diesem Fall die Frau, die beginnt tiefgreifende Veränderungen auf den Weg zu bringen. Jetzt ist eine gute Zeit dafür und wir sind stark, wenn wir uns weibliche Macht eingestehen können. Ich arbeite daran...
AntwortenLöschenWoran ich nicht glaube ist der Penisneid per se, es sei denn als Auswuchs der patriarchalen Gesellschaft, in der die Frau immer in einer Falle sitzt und je nach Temperament einen Ausweg sucht oder schon lange resigniert hat. Schlimmste Auswirkung des Ungleichgewichts ist ja, dass es weder Frauen noch Männer glücklich macht. Es lohnte sich wirklich, wenn jede/r bewusst an diesem Thema arbeitete, denn fast jedes Problem lässt sich auf diesen Nenner runterbrechen...
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