"In guten wie in schlechten Zeiten“, heißt es so schön.
Das gilt für Ehen ebenso wie für Beziehungen. So haben wir es zumindest kollektiv gelernt und verinnerlicht. Nur was, wenn die schlechten Zeiten kommen und die guten ständig oder für lange Zeit überwiegen? Was wenn der Partner psychisch schwer krank wird oder sich eine psychische Krankheit verschlimmert? Was wenn er eine Depression gleitet, in eine Angststörung, in eine Psychose oder in eine Sucht abrutscht?
Wie verheerend sich zum Beispiel eine schwere Depression auf den Partner auswirkt zeigen Studien. Über siebzig Prozent entwickeln Schuldgefühle und/oder fühlen sich sogar mitverantwortlich für die Erkrankung und die Genesung des Lebensgefährten. Sechzig Prozent reagieren frustriert, wütend und gereizt.
Wie kommt es dazu?
Häufiges Klagen, Jammern, Selbstmitleid, emotionale Unereichbarkeit und zunehmende Passivität im Lebensalltag führen dazu, dass der Partner eine lange Zeit mitfühlend, verständnisvoll und unterstützend reagiert und alles tut um den Erkrankten zu schonen.
Er gibt sein Bestes um dem Erkrankten und seinen Klagen Beachtung zu schenken und ihm zu helfen, irgendwann aber ist er seelisch und mental überfordert und die verstehende empathische Haltung wandelt sich in Ablehnung. Dies wiederum führt zu Schuldgefühlen. Die Ohnmacht nichts bewirken zu können wird abgewehrt und wandelt sich in passive Aggression oder Wut. In Wut auf die Krankheit, auf den Kranken und auf sich selbst, weil man doch weiß, dass der Andere nichts für seine Krankheit und was sie mit ihm macht, kann. Diese Wut führt wiederum zu Schamgefühlen. Ein Teufelskreis.
Die Beziehung zum anderen wird zunehmend negativ eingefärbt, was die Qualität einer Beziehung auf Augenhöhe weiter mindert. Bleibt die Krankheit unverändert bestehen oder verschlechtert sie sich sogar, vielleicht weil der Kranke sich keine professionelle Hilfe sucht oder diese aus welchen Gründen auch immer ablehnt, reagiert der Partner mit Frustration, Resignation und schließlich mit Erschöpfung.
Er zieht sich innerlich mehr und mehr zurück. Der Erkrankte, der geplagt ist von Schamgefühlen, Wertlosigkeit und der Angst für den Partner unattraktiv zu sein, fühlt sich dann zurückgewiesen und als Mensch abgewertet und unverstanden. Die Abwärtsspirale nimmt ihren Lauf.
Auch die Erotik wird durch eine chronische psychische Erkrankung beeinflusst, selbst wenn es keine körperlichen Beschwerden gibt, die zu Einschränkungen führen. Wir sind mehr als unser Körper und das zeigt sich dann. Der, den man liebte ist nicht mehr der Mensch, den man einst begehrte. Die Attribute, die ihn begehrenswert machten ebenso wie die Aufmerksamkeit, die er schenkte, lösen sich in der Erkrankung auf. Er hat keine Kraft mehr für den Partner und die Beziehung, er braucht alle Kraft für sich selbst. Sexuelle Lust, Leichtigkeit und Lebendigkeit gehen verloren ob der Schwere des Leides.
Der Kranke ist nur noch mit sich selbst und seinen Bedürfnissen beschäftigt. Der Partner leidet darunter, dass seine eigenen Bedürfnisse mehr und mehr in den Hintergrund geraten, nicht mehr gesehen und nicht mehr erfüllt werden. Er fühlt sich einsam und verlassen.
Der Helfer wird mit der Zeit selbst zum emotional Bedürftigen und bekommt zusehends weniger als er gibt. Die Balance in der Beziehung kippt vollends. Zurück bleiben zwei verzweifelte Menschen, die sich gegenseitig nicht mehr viel geben können.
Gehen oder bleiben?
Die Grenze zwischen Zuwendung und Selbstschutz, sprich Selbstfürsorge, ist eine große Herausforderung für den gesunden Partner.
Niemand verlässt eine Beziehung leichten Herzens, schon gar nicht, weil der Partner krank ist. Beziehungen sind das Elementarste was wir im Leben haben - die Beziehung zu einem geliebten Menschen, aber auch, und das vergessen viele - die Beziehung zu uns selbst. Und um die geht es in diesem Falle eben auch.
Der gesunde Partner sollte lernen sich trotz der Liebe und Zuneigung zum kranken Partner zu schützen. Er sollte lernen achtsam mit seinen psychischen, mentalen und physischen Kräften zu haushalten. Das erfordert das klare Erkennen der Grenzen der eigenen Belastbarkeit sowie Disziplin und Konsequenz im eigenen Handeln. Es geht letztlich immer um uns selbst und dass wir gut für uns sorgen. Und das hat nicht mit Egoismus zu tun.
"Make safe number one first," sagen die Fallschirmspringer. Was bedeutet: Nur wenn wir selbst seelisch stabil, mental und körperlich gesund sind, können wir auch für andere da sein.
Wer ausgelaugt ist hat nichts mehr zu geben. Gelingt die Selbstfürsorge nicht, führt der Weg im Zweifel unweigerlich in die eigene Krankheit, denn chronsiche Überforderung erhöht das Risiko für Depressionen, Burn-Out, Angststörungen und körperliche Erkrankungen.