Dienstag, 30. April 2019

Nichtwissen



Foto: A. Wende

Dem Nichtwissen entspringen Fragen.
Je tiefer und bedeutsamer die Fragen, umso größer ist das Nichtwissen.
Das schwer Zugängliche ist Nichtwissen.

Es kann uns unruhig machen.
Es kann uns unsicher machen.
Es kann uns aus der Balance heben.
Nicht wissen was ist.
Nicht wissen was wird.
Nicht wissen was wir tun sollen.
Nicht wissen was wir wirklich wollen.

Und wir suchen nach Antworten.
Und wir wollen sie schnell.
Wir haben Schwierigkeiten das Nichtwissen auszuhalten.
So viele Schwierigkeiten, dass das Nichtwissen zu einem Problem werden kann.
Wir wissen nicht und haben zusätzlich ein Problem mit dem Nichtwissen.

Was, wenn wir bei den Fragen verweilen, anstatt schnelle Antworten zu wollen ... ?


Freitag, 26. April 2019

Das Leben ist endlich



Foto: A.W.

Die Angst vor dem Tod beschäftigt viele Menschen.
Der Tod ist das einzig Sichere was uns im Leben begegnet. Wir alle wissen unser Leben ist endlich. In manchen Lebensphasen, besonders in Lebenskrisen steht uns der Gedanke an den Tod deutlich vor Augen. In der Depression ist er sogar unser ständiger Begleiter. Der Gedanke an den Tod macht uns die Vergänglichkeit der Dinge schmerzhaft bewusst und er macht uns Angst.
Dennoch, wir planen und handeln obwohl wir nur kurze Zeit hier sind.
Das verlangt Mut und Vertrauen. 
Je öfter unser Vertrauen im Leben gebrochen wurde, desto schwerer ist es weiter zu vertrauen.
Wir haben Menschen vertraut, die uns sagten, sie lieben uns und wurden betrogen.
Wir haben an Menschen geglaubt, die sagten, sie glauben an uns und wurden enttäuscht.
Wir haben Menschen unsere Loyalität geschenkt und wurden verraten.

Menschen, Mitmenschen gehören zum Leben. Unser menschliches Miteinander ist Leben. 
Wir brauchen einander wie die Luft zum Atmen. Jeder Vertrauensbruch fühlt sich an wie ein kleines bisschen Sterben, ein Tod im Leben. Jeder Vertrauensbruch sägt am Baum des Vertrauens. Ast für Ast fällt ab. Manche von uns sind wie ein Stamm ohne Äste. Die Wurzeln verhungern. Das Vertrauen, das uns erdet wird brüchig. Am Ende fühlen wir uns entwurzelt - wir spüren Bodenlosigkeit.
In dieser Bodenlosigkeit irgendwo Halt finden ist schwer.
Wir machen die Begegnung mit dem Sterben im Leben.
Wir nehmen Abschied von dem Glauben, wir könnten uns an irgendetwas tatsächlich festhalten.
Wir erkennen die Wahrheit: Wir können es nicht.
Wir schmecken die Bodenlosigkeit und sie ist bitter auf der Zunge.
Wir sehen sie mit aller Klarheit.

Jetzt können wir bewusst eine Wahl treffen: Ja, das Leben ist bodenlos.
Ja, das Leben ist endlich.
Es wird mit dem Tod enden. Dem meinen und dem meiner Lieben, aber ich kann trotzdem jeden Moment hieneinspringen und mein Leben leben, im Gewahrsein wie kostbar es ist. Ich kann jeden einzelnen Moment bewusst (er) leben, eben weil ich weiß, dass alles vergänglich ist.
Ich kann weiter vertrauen, weil es mir gefällt zu vertrauen.
Ich kann die Bodenlosigkeit akzeptieren anstatt ihr Widerstand zu leisten.
Ich kann vertrauen, dass ich niemals tiefer falle als in Gottes Hand.

Mittwoch, 24. April 2019

Die Furcht der Befürchtung


Foto: A.Wende

Die Furcht der Befürchtung
macht verkrampft
erlaubt uns nicht entspannt zu sein
schickt uns in die Zukunft
erlaubt uns nicht im Jetzt zu sein
färbt Denken und Fühlen dunkel
ändert nichts an dem was wir befürchten

Wenn die Furcht der Befürchtung über uns kommt
können wir sie aufmerksam betrachten
Im aufmerksamen Betrachten bleiben wir im Augenblick
Präsent
Gegenwärtig

Furcht ist nicht Jetzt
Furcht ist Projektion in eine Zukunft, die nicht ist.

Sonntag, 14. April 2019

Beziehung heilt nicht den inneren Mangel



Zeichnung A.W.
Je höher unsere Bewusstseinsstufe ist, desto mehr wissen wir was wir brauchen und was nicht, desto weniger machen wir Kompromisse, die unseren Bedürfnissen nicht entsprechen, auch wenn dies bedeutet wir leben allein, für eine Weile oder grundsätzlich. Ich kenne einige kluge und kreative Menschen, die alleine leben weil es ihnen nicht gelingt gleichgesinnte Menschen zu finden und sie lieber auf Gesellschaft verzichten mit der sie nichts Wesentliches teilen können, als ihre kostbare Zeit mit Oberflächlichkeiten und Zerstreuungen, die ihnen nichts geben, zu verschwenden. Diese Menschen können ihr Alleinsein genießen. Das ist ein Gefühl innerer Freiheit.

Andere Menschen können das nicht. Sie empfinden das Alleinsein als einen Zustand dunkler Einsamkeit, immer kurz davor in tiefe Depression verfallen oder sie zu haben. Menschen, die Alleinsein und nicht in Beziehung sein, nur schwer ertragen können sind Erwachsene, die von ihrem inneren Kind auf eine höchst unschöne Weise beherrscht werden. Meist sind es die gespeicherten kindlichen Gefühle der Zurückweisung, des Verlassenseins, der Ausgrenzung aus einer Welt, in der wir uns als Kind alleine nicht zurechtfinden, die im Alleinsein getriggert werden. Vielleicht ist es dieses Gefühl durch ein einmaliges Erlebnis entstanden, vielleicht aber auch durch viele Erlebnisse, in der Abweisung empfunden wurde.

Für die im limbischen System unsere Gehirns gespeicherten Gefühle ist es nicht von Bedeutung ob wir tatsächlich nicht angenommen und geliebt wurden oder ob wir das nur so empfunden haben. Die inneren Überzeugungen: „Ich bin nicht gewollt, ich habe keinen Platz, mich will keiner, ich bin nicht liebenswert", lassen sich nicht wegdenken, eben weil sie auf gespeicherten Gefühlen beruhen, die damals genau so gefühlt wurden.

Menschen, die das Alleinsein als schmerzhaft empfinden sind immer darauf bedacht in Beziehung zu sein. Kaum ist eine Beziehung zu Ende suchen sie schnell die nächste. Die ist dann meist auch nicht von langer Dauer. Beziehungen zerbrechen schnell, wenn es nicht um Liebe und Fülle geht, die dem anderen entgegengebracht wird, sondern um die Kompensation inneren Leere und innerer Einsamkeit.

Der Mangel des inneren Kindes soll von einem anderen weggemacht werden, sprich: Die innere Leere soll gefüllt werden, die innere Einsamkeit durch Zweisamkeit nicht mehr gespürt werden. Eine Erwartungshaltung die darauf wartet, dass von Außen gelöst wird, was innerlich im Argen liegt.
Nur dass das nicht geht. Genau das zeigt die gelebte Realität solcher Beziehungen meist ziemlich schnell. Dies führt dann zur Bestätigung der unguten inneren Überzeugungen, die ja noch immer da sind, weil sie nicht bewusst sind. Das Drama geht in den nächsten Akt. Ist die Trennung vollzogen kommt es zur Bestätigung und Verfestigung folgender destruktiver Überzeugungen: “Ich werde benutzt, keiner liebt mich. Ich bin zu anstrengend, der andere lässt mich fallen. Ich bin wirklich nichts wert und das obwohl ich mich aufgeopfert habe und alles für den anderen getan habe." Dies ist eine bittere Interpretation des Ganzen, die leider nicht wahr ist, auch wenn Betroffene das zutiefst glauben.
Wahr ist, Liebe kann man nicht bekommen, wenn man damit einen Zweck verfolgt, nämlich die innere Leere füllen zu wollen.

Wer leer ist hat nichts zu geben und das spürt der andere instinktiv und wendet sich irgendwann ab. Oder anders herum, wenn Menschen, aus einem Mangel heraus agieren, wird ihr inneres Loch niemals gefüllt werden können. Enttäuscht wenden sie sich dann von dem ab, der ihnen die Fülle, die sie so dringend brauchen, nicht geben kann. Ein Teufelskreis ohne Ende. Es sei denn wir beginnen uns uns selbst zuzuwenden, sprich diesem verstörten Kind im Schatten unserer Seele, das nichts mehr braucht als einen, der es endlich sieht in seinem Drama.

Dieses Kind braucht einen starken reifen inneren Erwachsenen, an den es sich wenden kann, der es endlich wahrnimmt und es ernst nimmt und der es an der Hand nimmt und mit ihm in seine tiefsten Ängste und seine dunkelsten Gedanken hinabsteigt.
Dieser reife innere Erwachsene muss herausgebildet werden, denn es gibt ihn noch nicht. Es gibt den, der dem Kind im Schatten blind folgt. Also muss dieser erst einmal sehend werden.
Damit beginnt die innere Kind Arbeit, die wenn sie getan ist, einen Weg in die Freiheit bahnt.

Mittwoch, 10. April 2019

Sein

Foto: A.W.
 
Widersprüchliches
brüchiges
zerbrechliches
fragwürdiges Sein.
Auch das akzeptieren.
Macht das Leben leichter.

Dienstag, 9. April 2019

Wahrheit ist auch ...

Foto: A.W.

Die Wahrheit ist nicht immer Klarheit.
Die Wahrheit ist auch Zweifel.
Ist auch Zerissensein.
Ist auch unsicher sein.
Ist auch keinen Fluchtweg finden.
Ist auch weglaufen und nicht wissen wohin.
Ist auch vor der Wand stehen, wo kein Fluchtweg mehr bleibt.

Die Wahrheit ist auch ausweichen.
Ist auch, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist und das Nichtwissen, was genau nicht stimmt.
Ist auch Angst und aus Angst keine Worte finden oder Worte verdrehen und Unwahrheiten sagen.

Die Wahrheit ist auch Unsicherheit und Kopflosigkeit.
Ist auch auch sinnloses Bemühen Linderung zu finden, wenn alles schmerzt.
Ist auch der Versuch sich vom eigenen Leben abwenden zu wollen.
Ist auch Schmerz vermeiden wollen und wegsehen.
Ist auch wissen was du willst und wissen, dass du es es nicht bekommen kannst.
Ist auch wissen, dass etwas mit dir nicht stimmt und nicht wissen wo im Kern der Fehler steckt.

Die Wahrheit ist auch das Bild, das du von dir selbst hast zerbröckeln zu sehen.
Ist auch Ursprünge, Ursachen und Lösungen nicht zu sehen.
Ist auch dich mit der Unwahrhaftigkeit anzufreunden.

Samstag, 6. April 2019

Wer bin ich?



Foto: A. W.

Wer bin ich?
Ein Mensch, der sein Leben als einen Weg inneren Wachstums begreift, der Hingabe an ein Ideal lebt, das vielleicht sogar bewusst als Utopie erkannt wird, aber trotzdem und unter großen Opfern diese Utopie weiter verfolgt, wird nicht aufgeben.
In seinem Innersten ist er weitsichtig und zuversichtlich.
Er weiß, dass früher oder später ein Wandel eintreten wird, wenn auch nur in ihm selbst.
Er hat Beziehungen aus denen er in irgendeiner Weise lernen kann, auch wenn dies manchmal mit Schmerz einhergeht. Er findet auch in diesen Beziehungen eine Bereicherung für sein eigenes Leben und Anstöße für seine Entwicklung.
Er braucht weniger das Lernen aus Büchern. Er hat genug gelesen. Er weiß, er lernt unendlich viel mehr aus den Beziehungen zu Menschen, in denen ihm der Abgleich mit seinen eigenen Überzeugungen möglich wird und die Konfrontation mit den eigenen Grenzen, die ihn dazu bewegt, sich immer neu zu definieren um zu wachsen.
Er weiß, dass lieben und geliebt werden das größte Geschenk ist und vielleicht sogar der höchste Sinn des Lebens. Er wird die Liebe hüten, leben und pflegen. Er handelt in Liebe.
Er weiß, die Antwort auf die Frage: "Wer bin ich?" findet er in seinem Handeln und Wirken.

Donnerstag, 4. April 2019

Lieben und geliebt werden




Einen Tag vor meinem sechzigsten Geburtstag stellt sich mir wieder einmal die Frage nach dem Sinn des Lebens. Ich bin der festen Überzeugung, dass einer der größten sinnstiftendenden Faktoren im Leben ist, geliebt zu werden.
Ein sinnlos empfundenes Leben ist meist die Folge einer Kindheit ohne Liebe. Daher geht das Empfinden der Sinnhaftigkeit des Lebens mit einer liebevollen Bindungserfahrung in der frühkindlichen Phase einher. Das Gefühl geliebt zu werden, gibt uns das Gefühl, dass es gut ist in der Welt zu sein. Wer dieses Gefühl als Kind nicht erfahren durfte fühlt oft eine große innere Leere, die mit nichts zu füllen ist.

Würde man mich fragen, was ist für dich der Sinn des Lebens, dann wäre meine Antwort: Der Sinn des Lebens ist lieben und geliebt werden.

Montag, 1. April 2019

Versöhnung mit der Endlichkeit




Kreativität ist wie das Leben Gegenpol zum Tod. Gegenpol zur Nichtbewegung, zum Stillstand. Tot ist tot. Rein physisch gesehen. Sterben ist auch im Leben möglich: „Wer es nicht kennt dieses stirb und werde, ist nur ein trüber Geist auf dieser Erde“, so etwa, frei nach Goethe. Manch einer stirbt unzählige Tode im Leben. Wozu? Um sich selbst immer wieder neu zu erschaffen? Können wir sterben üben? Sicher nicht. Loslassen vielleicht. Auch das ist eine schwere Übung. 

Aber was ist der Tod? Tod ist: Nichts ist mehr. Ich glaube nicht an Himmel und Hölle, auch nicht an Wiedergeburt. Das sind Konzepte um die Angst vor der Endlichkeit kleiner zu machen. Ich glaube an das Leben und den Versuch es so zu leben, dass ich am Ende sterben kann, ohne sagen zu müssen: „Ich hatte ein ungelebtes Leben.“ Ich glaube nicht an einen Nachschlag post mortum, ich glaube ich an Kreativität. Dadurch, dass sie Gegenpol zum Tode ist bedingen Kreativität und Tod, besser das Gewahrsein des Todes, als letzte Instanz des Lebens, einander. 

Im Ausleben seines kreativen Potenzials ist der Mensch selbst Schöpfer. Damit ist er Gott am nächsten. Kreieren, etwas erschaffen, aus uns selbst heraus, entspricht dem schöpferischen Prinzip. Auf diese Weise versöhnen wir uns mit der Endlichkeit in jenen Zeitspannen, wenn wir im Flow sind. Erschaffen ist ein sich wiederholender Prozess, ein immer neuer Versuch des kreativen Menschen der Versöhnung mit dem Hineingeworfensein in das Sein und das Nicht mehr sein.
"Muss ich denn sterben um zu leben?", singt Falco, kurz vor seinem Tod, als habe er ihn geahnt. Der Tod, die Katharsis des Künstlers? 

Etwas erschaffen entspringt dem Motiv etwas von sich selbst zu hinterlassen - nach dem Tod, ein mich Überlebendes. Ein Versuch des Geistes und der Seele dem Vergessen werden zu entrinnen, der Flüchtigkeit der Existenz ein Schnippchen zu schlagen. ES überlebt mich. ES dauert an, wenn ich nicht mehr bin. Ist Kreativität nicht der lebenslang währende Versuch dem Tod die Stirn zu bieten? Ein Machtspiel mit etwas, das Größer ist als wir, ein Kampf mit einem unbezwingbaren Gegner. Der Tod ist absolut. Ob er somit vollkommen ist, wer weiß das schon? Er ist das große numinose Etwas, das wie nichts anderes verbunden ist mit der Angst. Angst lähmt, Angst ist Starre. Tod ist Starre. Die Angst vor dem Tod ist der Boden aller Angst. Das Ungewisse macht uns Angst. Der Tod ist das absolute Ungewisse und zugleich die absolut einzige Gewissheit, die es gibt. Mit Gewissheit erreicht uns das Ungewisse des Todes. Er ist gewiss wie der Wandel und die Veränderung. Sterben und Tod, der letzte Wandel, die letzte Veränderung. Es gibt kein Entfliehen. 

Ich spekuliere erfolglos. Was weiß ich vom Tod und was maße ich mir an zu glauben. Alles Glauben und Denken in seine Richtung sind Krücken um ihm das Antlitz milder zu malen. Kopfgeburten, nichts weiter. Ich weiß nichts. Also... Kreativität als Versöhnung mit der eigenen Endlichkeit? Ein Agreement im besten Falle. Ein sagen können: Ich habe gelebt, ich habe mein Leben gestaltet, ich war Schöpfer in meinem Lebens. Und am Ende? Trete ich meinem Schöpfer gegenüber? Lächelnd vielleicht. Einverstanden vielleicht mit meiner Endlichkeit und dem was darüber hinaus von mir bleibt. Versöhnt das?