Sonntag, 31. Juli 2011

gedankensplitter 25


Keiner von uns kann sich selbst oder seiner Geschichte davonlaufen.
Wir können Distanz einnehmen, wenn uns das gelingt.
Distanz macht es leichter mit dem, was geschehen ist, umzugehen.
Aber das ändert nichts von dem, was war.
Wie überflüssig ist doch dieses Warum, Ausdruck der Verzweiflung und Hoffnung auf Trost durch Gewissheit.
Wir spekulieren erfolglos.

Samstag, 30. Juli 2011

ich habe einen traum





ich habe einen traum 
von einer besseren welt
für alle menschen

ich habe einen traum
von frieden, ruhe und harmonie 
in einer leisen welt

ich habe einen traum 
von gerechtigkeit, empathie und achtung 
unter den menschen

ich habe einen traum
von liebe, die sich ausbreitet 
gegen all den hass und die zerstörung

ich habe einen traum 
von der möglichkeit
dass jeder mensch zu dem wird, was ein mensch sein könnte –
ein wesen, das sich selbst entfaltet und anderen hilft sich zu entfalten

ich habe einen traum 
in dem wir der sind, der wir sein wollen
und wir einander sein lassen, was wir sind

.

gedankensplitter 24


Sie sagen ich und meinen sich, in einer erschreckenden Ausschließlichkeit, ohne Bezug auf den Anderen. Das Wir ist nur eine Ausweitung dieses Ichs, ein Mittel zum Zweck der Selbstbefriedigung. Es wird scheitern, dieses Deutschland. Die Krise ist die Folge eines schleichenden Prozesses, der schon vor langer Zeit seine Entwicklung begonnen hat. Wir haben vergessen, wer wir sind.

Das Fernsehen hat es uns ausgetrieben, das Internet hat uns verschlungen mit der Überfülle nutzloser Informationen. Alles ist zuviel geworden. Es wird weniger werden, der Prozess des Ausgleichens ist angelaufen und lässt sich nicht mehr stoppen. Ich spüre die Angst, wenn ich raus gehe. Ich spüre sie im Bus, auf der Strasse, beim Einkaufen im Supermarkt.

Sie tritt mir in Gestalt einer Lähmung gegenüber, in unsicherem Handeln, in der Zurückhaltung vor Investitionen, die nicht unmittelbar notwendig sind. Keiner weiß wohin und alle streben im beschleunigten Rhythmus ohne zu wissen wonach. 

Das Leben ein Rausch, voll gepumpt mit Reizwirkung.

Freitag, 29. Juli 2011

BILD des Schreckens

Ich versuche sie mir vorzustellen, die Gesichter der Millionen Zeitungsleser, Online- und Fernsehgucker am fünften Morgen nach dem Unglück in Norwegen, wenn sie die neuesten Schlagzeilen goutieren wie das frische Brötchen vom Bäcker nebenan, mit leckerer Marmelade oben drauf und zufrieden ihren Kaffee schlürfen.


Schreckliche Bilder guckend und hassvolle Worte lesend, sitzen sie da und ich bin mir sicher, ohne jene menschliche Regung, welche die Natürlichste wäre: Ekel, Würgegefühl im Hals, ins Bad und Kotzen. Ich meine richtig Kotzen, ins Klo kotzen. Kotzen über die Schamlosigkeit der Medien, kotzen aus Ekel vor sich selbst, dass sie mit jedem Kauf dieser menschenverachtenden Schlagzeilendrescherblätter, mit jedem Einschalten des Fernsehers eine Heerschar von journalistischen Leichenfledderern unterstützen, die schamlos das Leid unzähliger Menschen ausschlachtet um es den Lesern und Zuschauern zum Fraß vorzuwerfen. Mit Mitgefühl hat das nichts zu tun was die da machen, oder glaubt das irgendwer? Das ist ein schamloses sich Weiden an dem was geschehen ist.


Die Medien machen das seit ewigen Zeiten und mit stetig wachsendem Erfolg, denn die Masse frisst und verdaut problemlos wie es scheint, unbeeindruckt vom Horror, der ihr plakativ ausgeschmückt und bestückt mit bunten Bildern und reißerischen Schlagworten serviert wird. Wohl bekomms!


Ja, es bekommt, das eigentlich Unbekömmliche der voyeuristischen Elendsinszenierung und die Medien bekommen das, was sie wollen: Geld.


Money makes the World go round und wie man dazu kommt spielt keine Rolle, da vergisst man doch Ethik, Moral und Achtung vor dem Nächsten. Menschen sind schon von jeher Kanonenfutter und jetzt werden eben die Opfer von Norwegen verheizt, damit die Masse was zu lesen hat, wird auch Zeit, ist ja Sommerloch und was kann da besseres passieren um die Verkaufszahlen hochzujagen als eine Katastrophe in der Blut fließt und viele Menschen sterben.


Zum Kotzen ist das, ich jedenfalls finde das zum Kotzen und bevor ich mich physisch übergebe, kotze ich es mit Worten aus, dieses Gefühl, das in mir ist, dieses Gefühl von Fassungslosigkeit und Entsetzen, das die Medien Wort für Wort, Foto für Foto, schüren und größer machen, so groß bis ein Mensch es nicht mehr aushalten kann und ich frage mich, wie halten die anderen das aus?

Online zeigt man private Videos des Schreckens. Na, das gucken wir uns doch mal an, der Schrecken ist weit weg, der geht uns nicht wirklich etwas an und hat ja auch mit uns nichts zu tun. Das ist fast so wie im Egoshooter Spiel, nur dass da echte Menschen sterben mussten, das ist halt so. Das Leben ist grausam und schrecklich und am besten ist es, wenn das weit weg ist, das Schreckliche.


Ist es das wirklich oder liegt es da, ist es da, in schwarzen Lettern und bunten Bildern direkt vor uns?


Bild online zeigt das Fotoalbum der "Mordmaschine" bestückt mit Kinderbildern des Attentäters. Ich frage mich, wem nutzt es was, darin zu blättern, wem nutzt es zu wissen warum dieser junge Mann zu dem wurde, was er ist, außer seinem Anwalt und dem Gericht, das ihn verurteilen wird. Den Angehörigen der Opfer nutzt es mit Sicherheit nichts.



Macht dieses Anprangern und Sezieren eines Menschen irgendetwas besser oder erträglicher und was nutzt Verstehen in diesem Fall? Wer maßt sich an im Blick eines Menschen das kranke Potential zu sehen? Die Bildzeitung maßt sich das an. Im Nachhinein ist das auch keine Kunst und manche glauben es auch noch, wenn da postuliert wird: Das ist kein Mensch, das ist keiner von uns, das ist eine Maschine. Ein verbal entmenschlichter Täter, eine Mordmaschine wie im Egoshooter Spiel, reduziert auf Töten. Wahnsinn aber auch, diese kalten Augen, dem Schönheitswahn war der auch verfallen, der "Teufelskiller". Teufel aber auch, das hätte doch einem auffallen müssen. Ist es aber nicht, denn der Mensch ist unberechenbar, eben weil er keine Maschine ist.


Es ist erschreckend wozu Menschen und nur Menschen fähig sind und es ist schrecklich was sich in Norwegen ereignet hat und es ist schrecklich wie der Schrecken weiter am Leben gehalten wird, wie er bewusst aufgeblasen wird um daran zu verdienen.


Tag für Tag wird der Schrecken aufs Neue inszeniert und sie setzen sich fest, diese Worte, diese Bilder, die die Medien in die Welt senden, setzen sich fest in den Gehirnen und das macht blind und taub für das, was eigentlich sein könnte - stille Trauer und Achtung vor den Toten und den Menschen, die sie betrauern.


Nein, diese Bilder und Worte verhindern kein weiteres Unglück, aber sie forcieren die fortschreitende Verrohung des Menschen durch die Medien, die vor nichts und niemandem mehr halt machen, die Menschlichkeit in den Boden stampfen indem sie das Elend als tägliches Unterhaltungsprogramm servieren. Und Millionen Menschen lesen das und gucken da hin und es ist schrecklich, das ihnen nicht bewusst ist, was sie da tun.


Nein, sie können nicht wissen was sie tun, sie können nicht wissen, dass sie mit jedem Kauf solcher Schmierblätter, mit idem Einschalten des Fernsehers, dem Klicken auf Onlineportale die Unterstützer eines mehr als fragwürdigen, pietätlosen Journalismus sind, ja, ihn so gar erst möglich machen, einen Journalismus, der nichts anderes im Sinn hat als seine Gewinne mit dem Leid der Welt nach oben zu treiben und Menschen, ob tot oder lebendig, zum Konsumgut degradiert - täten sie es sonst?


Was den Hass angeht - er wächst, parallel zum monitären Gewinn derer, die ihn ausschlachten und schüren, Tag für Tag.



copyright angelika wende veröffentlichung und weitere nutzung nur mit genehmigung der autorin

Donnerstag, 28. Juli 2011

Ein Kind

Man denkt an alles Vieles, wenn man einem Kind das Leben schenkt. Es sind Gedanken an ein gutes Leben, das man ihm ermöglichen will, eine behütete Kindheit in der Geborgenheit einer Familie, das Glück, das man ihm schenken will und das man ihm wünscht. Lange bevor dieses Kind geboren wird denkt man an die Liebe, bedingungslose Liebe, diese eine Liebe, die niemals endet. Man will das Beste was man hat weitergeben an dieses wundervolle Wesen, das ein Teil von einem selbst ist. Mit einem Lächeln denkt man an das erste Lächeln in seinem Gesicht. Man spürt die ersten Berührungen seiner kleinen Hände, hört die ersten Worte, denkt an die ersten Schritte, die es macht, sieht seine strahlenden Augen, die die Welt entdecken werden.

Wenn dieses Kind geboren ist behütet man es, man achtet auf seine Bedürfnisse, man tröstet es wenn es schreit, weil es Hunger hat, oder weil es sich im Dunkeln allein fühlt, man pflegt es, wenn es Schnupfen hat oder Schmerzen. Man zeigt ihm den Weg, so gut man es kann, begleitet es auf dem seinen und erklärt ihm wonach es fragt. Das Kind wird zum Mittelpunkt des eigenen Lebens. Alles dreht sich plötzlich nur noch um diesen kleinen Menschen. In gewisser Weise ist es als bliebe man stehen, bis dieser kleine Mensch groß genug ist, um alleine gehen zu können.

Und irgendwann ist es groß geworden das Kind. Und auch dann denkt man an das Kind, immer denkt man an das Kind und man weiß, man muss es loslassen dieses Kind, dann wenn es Zeit ist, dass es die Verantwortung für sich selbst tragen kann. Man muss es loslassen, es seine Schritte allein machen lassen.

Loslassen ohne verantwortungslos zu sein.
Das ist das Schwerste, wenn man einem Kind das Leben geschenkt hat.

Dienstag, 26. Juli 2011

was frei sein will

da ist etwas drin
etwas tief verzweifeltes
wogegen nichts hilft
wofür alles ein balsam ist und nicht heilung
nichts das heilt
nur am leben hält was gärt
das frisst sich ein und darf es doch nicht
und alles was dagegenzusetzen ist
ist überleben müssen
eine weile länger
weil da anderes ist

was braucht
was nicht mehr gebraucht sein will
frei sein will
endgültig

Sonntag, 24. Juli 2011

eindringendes

drängen
dringend in mich eindringend
das drängt dringend vom aussen in mich
verdrängt mich vom ich
dringend verdränge ich das eindringende

es drängt mich zu mir

das unglück

an einem tag ist das leben die ansammlung der dinge, die wir tun und plötzlich kommt das unerwartbare - ein unglück.

das unglück, das ist der moment der das leben in zwei teile bricht, der moment in dem alles was es vorher gegeben hat zur erinnerung an eine blasse vergangenheit ohne konturen wird und den gedanken an wie weiterleben?, zur unmöglichkeit macht.

in jedem leben ist immer auch die möglichkeit des unglücks, im leben jedes einzelnen von uns. menschen, die ein unglück trifft, gibt es jeden tag, immer und überall auf der welt. es gibt so viel unglück.

das unglück schafft schmerz, es macht fassungslos, es lähmt, es macht wütend und immer hat es die frage nach dem warum zur folge.

das unglück hat norwegen getroffen, es hat ein ganzes land getroffen, so hören und lesen wir in den medien.

das unglück hat über neunzig menschen getroffen, das unglück hat uns alle getroffen, uns, die ganze welt und die ganze welt trauert um das schreckliche unglück, weil es so unfassbar ist, so überraschend kam, so unvorstellbar grausam ist, so unvorstellbar unmenschlich, so unvorstellbar gewalttätig und so unvorstellbar groß.


das unglück ist geschehen und die welt hält für einen kurzen moment den atem an. und dann wird kommentiert, in der presse, im fernsehen. die bilder des unglücks gehen um die ganze welt und die ganze welt liest darüber, sieht sich die bilder an, gibt ihnen raum im alltag, ist fassungslos, schockiert und wütend und voller hass auf den, der das unglück erschaffen hat.

das böse wird der welt bewusst und sie ist in allem unglück doch irgendwie beruhigt, dass der täter gefunden ist, sein bild in der presse und im fernsehen erscheint.

das böse hat ein gesicht und die welt darf es benutzen für die wut, die ohnmacht, den schmerz, die trauer und den hass, den sie empfindet. ja, es ist gut dieses gesicht zu haben, das man am liebsten zerstören würde, auslöschen, weil es das unglück gebracht hat über so viele menschen und die angst hat so groß werden lassen vor dem bösen, die angst die die welt sonst so gut verdrängt, wenn kein unglück geschieht.


und alle stürzen sich auf das böse und suchen zeichen und spuren, wann es denn angefangen hat und fragen sich warum es denn nicht gesehen wurde, beizeiten, das böse und das kommende unglück und antworten finden sich keine.

das unglück lässt uns antwortlos zurück, uns und die menschen, die es getroffen hat und anhalten lassen hat, mit einem schmerz, der uns unbegreiflich ist, uns, die wir das unglück nur in den bildern der medien sehen.


über neunzig menschen, die sterben mussten, kinder, die sterben mussten, weil einer es so entschieden hat und ich denke an all die anghörigen dieser menschen, die unendlich leiden, die leiden werden ein leben lang.

über das leid dieser menschen erfahren wir nichts. wir wissen darum, aber thematisiert in den medien wird es nur am rande. es würde auch nichts nützen es zu thematisieren, wir spüren es doch alle und reden besser nicht drüber, denn irgendwo wissen wir, leid ist unteilbar und keiner von uns kann es diesen menschen abnehmen. auch unser mitleid ändert nichts. das mitgefühl macht dieses leid nicht kleiner - es macht ohnmächtig, die, die es ertragen müssen und uns, die wir darum wissen.

nach all der fassungslosigkeit, dem entsetzen und dem schock über das unglück bleibt der welt nur der blick das böse.

das böse, dem wir die verantwortung geben können, gott sei dank, denn wir sind die guten und das ist gut so, dass die guten das böse ausfindig gemacht haben, das böse, das uns so schreckliches antut, das böse, ein junger mann, der voller hass ist und aus diesem hass heraus das unfassbar grausame getan hat, das menschen leiden macht und eine ganze welt in schockzustand versetzt.

noch tagelang wird man den spuren des bösen folgen in den medien wird man sie verfolgenund irgendwann wird es aufhören, dann, wenn wir genau wissen, wie und was da alles vorging in dem bösen jungen mann, dann, wenn wir genau wissen, warum der mann das getan hat, warum er dieses unglück über die welt gebracht hat und das leid über die familien, die ihr liebstes verloren haben und über das wir nichts hören, dann wird es aufhören.

was wir jetzt hören, laut hören, sind die stimmen der politiker, die norwegen ihr beileid bekunden und wir hören in diesem land die stimme der bundeskanzlerin die am ende ihrer beileidsbekundung ausspricht: "der hass ist unser gemeinsamer feind."

ja, der hass ist unser gemeinsamer feind.

der hass ist der feind in uns selbst, den wir nach aussen projizieren, den wir mit jeder projektion weiter pflegen, den wir füttern, so lange bis er auf uns zurückschlägt. der hass, den auch der böse junge mann in sich trägt.


der hass ist unsere gemeinsamer feind, weil diese welt niemals lernen wird, dass der hass die liebe getötet hat, längst schon. machen wir weiter mit dem hassen und dem kampf gegen den hass, damit er weiter der urgrund des unglücks sein wird. irgendwo, irgendwann, jeden tag, jede minute in dieser welt, die nie begreifen wird, dass sie erntet, was sie säat.

(c) angelika wende




Freitag, 22. Juli 2011

hamsterrad

es gibt tage, da geht mir alles auf die nerven, da kann mich nichts und niemand rausholen aus dieser unschönen stimmung.

ich weiß auch manchmal gar nicht warum mir alles auf die nerven geht. es ist einfach so, da kommen dann so viele gedanken in meinen kopf die sich widerstreben, die keinem einzigem strang folgen können, die laufen da drin rum wie hamster im rad und genauso fühle ich mich dann, wie ein hamster im rad.

früher dachte ich, ich muss da ganz schnell raus aus diesem hamsterradgefühl und dann habe ich alles versucht um dagegen anzukämpfen, ich bin sogar shoppen gegangen. half aber nichts. je mehr ich versucht habe da raus zu kommen, desto wilder drehte sich das rad und ich mich mit ihm und vor allem - um mich selbst.

heute sage ich mir, what the hell, auch das ist in ordnung, weil alles irgendwie in ordung ist, auch das hamsterrad. aber ich will dann in ruhe gelassen werden und einfach irgendwas machen was ich sonst nicht machen würde, zum beispiel dumm rum sitzen oder blöd aus meinen fenster starren und den vögeln beim zwitschern zuhören oder eine runde heulen.

ja, dieses hamsterrad hat schon seine berechtigung. später, wenn der anfall von alles geht mir auf die nerven vorbei ist, weiß ich wieder wie gut es ist, wenn ich alles um mich herum gern habe. was ich sagen will - ich frag mich nicht mehr warum etwas so ist, sondern wozu und das macht mir die hamsterradtage erträglicher.

aber, sprech mich bloß keiner an an diesen tagen ...

Mittwoch, 20. Juli 2011

Machtspieler ...

Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht“, sagte einst Abraham Lincoln. Gott hab ihn selig, den klugen Mann. Lincoln musste es wissen, hatte er als Politiker doch ständig mit Machtmenschen zu tun.

Machtmenschen und Menschinnen sind immer und überall. Besonders häufig findet man sie an exponierten Stellen, wo sie was zu sagen haben und sie tun meistens auch so, als hätten sie mehr zu sagen als sie in der Tat zu sagen haben.

Machtspieler - ich spar mir jetzt mal den Gender Kram mit INNEN hinten, versteht sich von selbst, dass ich auch weibliche meine - sind in den meisten Fällen ihrer Struktur nach Menschen, die sich in ihrem eigenen Selbstkonzept als klein, unbefriedigt, benachteiligt oder ohnmächtig in gewissen Lebensbereichen erfahren. Und das kann dieser Typus gar nicht haben.

Er kompensiert also den Mangel an allen Stellen wo das Leben ihm dazu nur die geringste Chance bietet. Üble Zeitgenossen in der Tat und Gott behüte, dass ich jemals wieder Opfer eines solchen Menschen werde. Aus Erfahrungen wird der Kluge eben klüger.

Ich habe es erlebt das Spielchen des Machtspielens und ich habe daraus gelernt. Zunächst dergestalt, das ich diese Protagonisten eines miesen Stückes, in dem sie sich als Hauptdarsteller inszenieren rieche, bzw. sehe und noch besser: spüre.

Ich sehe es an der Mimik des Gesichts, denn die zeigt mit zunehmendem Alter, genau den, der wir sind. Nebenbei, wir haben genau das Gesicht, das wir uns verdient haben.

Machtmenschen haben dieses typische "verkniffene, klein- und eng zusammenstehende Augen" Gesicht samt der dazu passenden verkniffenen Lippen mit einem verräterischen Zug nach unten Richtung Kinn. Es gibt noch andere physiognomische Erkennungsmerkmale, aber die Mühe will ich mich hier jetzt nicht machen.

Man achte zudem auf die Körpersprache, die oft extrem extrovertiert daher kommt. Des Weiteren achte man auch auf die Stimme, denn sie ist, wie Rufus Beck einmal so treffend sagte, das zweite Gesicht eines Menschen.

Die Stimme des Machtspielers klingt meist, trotz möglicher Tiefe (Brustton der trainierten Eigenüberzeugung) schrill, ist mehrere Oktaven zu laut und galoppiert Wort spuckend, als gäbe es Silberlinge dafür, im schnellen Duktus über alles hinweg, was sich nicht rechtzeitig in Deckung bringt. Zweck der Übung: Der andere soll nicht zu Wort kommen. Unterbewusstes Motiv: aus dem Gefühl heraus geboren, ich muss in der Kommunikation (die nur ganz selten ein echter Diaolog ist), die Fäden in der Hand behalten.

Meist sind Machtspieler auch Viel- und Gernsprecher. Sie reißen sich um jede Möglichkeit anderenetwas vorzutragen, was sie meistens nicht mal selbst erdacht haben, es sich aber als Selbsterdachtes an die Brust heften und als solches kommunizieren. Wie schamlos ist das denn?

Nun gut. Weiter: Bei der Machtdemonstration spielt ein Mensch einem anderen gegenüber seine Macht aus. Das geht am Besten wenn man in irgendeiner Weise vom Machtspieler abhängig ist. Der Machtspieler genießt und benutzt jede Form von Abhängigkeit. Er lässt uns spüren, dass wir von ihm abhängig sind und wir uns also seinem Willen zu unterwerfen haben. Er genießt seine Machtdemonstration wann immer er kann. Ich denke, das genügt als kurze Profilbeschreibung dieser Spezies , ist eh schon zu fast viel Beschäftigung meiner kostbaren Gedanken mit solch armen Seelen.

Die Frage ist: Wie reagiere ich stilvoll, wenn jemand seine Macht ausspielt?

Die Antwort lautet: Erst mal keine Angst zeigen, auch wenn man sie hat!

Denn: „Das Geheimnis jeder Macht besteht darin, zu wissen, dass andere noch feiger ist als wir.“ Dies erkannte einst ein deutscher Schriftsteller, dessen Name ich leider vergessen habe.

Das bedeutet im Umkehrschluss: Haben wir den Mut, das unangenehme Verhalten des Machtspielers einfach anzusprechen und ihm zu sagen, was uns stört und wir sein Spiel nicht mehr mitmachen werden!

Zweifelsohne erfordert das mehr als etwas Mut( aber der Mut steht ja bekanntlich immer hinter der Angst) jemandem, der Macht hat, derart entgegenzutreten. Aber, und das weiß ich auch aus eigener Erfahrung - es lohnt sich ganz gewiss. Denn der Machtspieler wird uns, wenn wir ihm seine Grenzen gezeigt haben, in Zukunft respektvoller behandeln.

Aufhören wird ein Machtspieler bedauerlicherweise dennoch nie, der sucht sich andere Opfer, aber er wird uns nicht mehr belästigen, denn nur, wenn einer ängstlich und demütig den Rücken beugt kann man ihm rein treten - nichts anderes ist das kleingeistige Motiv des Machtspielers. Irgendwie zu erbärmlich um so einen überhaupt ernst zu nehmen, finde ich.


(c) angelikawende

short cut 2

als tom beim rasieren in den spiegel sah wusste er es, so wie er es an jedem morgen wusste. er wusste, er würde anna nicht halten können. verdammt, er wollte es nicht wissen. mit jedem strich, den das rasiermesser über sein mit weißem schaum überzogenes kinn zog und die weißen stellen rot färbte, versuchte er es wegzuschaben dieses wissen, das nicht wegzuschaben war, das ihn in der dusche wieder überkommen würde, wie jeden morgen. wegzuwaschen war es auch nicht. er wusste es und es machte ihn wütend und wenn er lange genug wütend gewesen war, machte es ihn traurig. eigentlich gab es in seinem leben kaum noch andere gefühlszustände und dass es das nicht sein konnte, wusste er auch. 

er schrubbte seinen körper mit dem handtuch trocken bis er rot war wie der schalenpanzer eines gekochten hummers. er mochte hummer, am liebsten aß er mit anna hummer, überhaupt liebte er es mit anna zu essen. sie konnte genießen, sie war nicht wie manche andere frauen, die die lust am essen eintauschten gegen die lust an einem mageren körper. die mageren reduzierten sich so lange auf ihren körper, bis er fast verschwand und mit ihm die lust ihn zu benutzen. tom hatte viele frauen gekannt. eine wie anna hatte er nie gekannt und nie würde er sie kennenlernen, wirklich kennen lernen, das kennen lernen, was sie vor ihm verbarg und vielleicht auch vor sich selbst. 

jedes mal, wenn er glaubte ihr ein stück näher gekommen zu sein, zog sich sich wieder in sich zurück. mit jedem rückzug hatte er das gefühl, dass sie ihm entglitt und alles gewesene mit ihr. es war als müsse er immer wieder von vorne anfangen, als zerbröckle das vertraut gewordene an der zeit die zwischen begegnen und wiedersehen lag. die zeit ohne anna breitete sich aus in seinem raum, zog sich zäh hin. es kam ihm vor als würde sie stillstehen in einer tönung schmerzhafter endlichkeit.

er schlang sich das feuchte handtuch um die hüfte und ging in die küche. er brauchte einen espresso, schwarz und stark. stark wollte sie ihn, hatte sie gesagt, an diesem abend als sie sich hatte überreden lassen bei ihm zu übernachten, was immer seltener wurde in der letzten zeit. sie hatte ihn angesehen mit ihren traurigen grauen augen und gesagt, dass sie seine schwäche nicht ertrug, die sich zu der ihren legte. die ihre sei schon schwer genug auszuhalten. an diesem abend hatte er sich vorgenommen keine schwäche mehr zu zeigen. 

angewidert von seiner schwäche, die er vor sich selbst noch weniger als vor ihr verbergen konnte, sah er aus dem fenster. die wärme des sommers hatte sich in einen nasse schwüle verwandelt. seit tagen regnete es in strömen. der himmel stülpte sich wie eine graue decke über die stadt. wasser rann in kleinen bächen über die dächer der häuser. depremiert öffnete er das fenster und sah den schweren tropfen beim fließen zu. bevor anna da war, war er oft depressiv gewesen. er kannte diese stimmung, die ihn in aus heiterem himmel, scheinbar ohne jeden grund, in ein dunkles loch zog aus dem er dann tagelang nicht mehr herauskam. 

mit annas kommen waren die löcher seltener geworden. dieses unbestimmte gefühl von leere, das er so oft gefühlt hatte war verschwunden. auch der druck, den er immer auf der brust gespürt hatte, hatte sich aufgelöst. aber sie kamen wieder, die löcher und auch der druck auf der brust. es machte ihm angst. er durfte sie nicht verlieren. mit anna, das war ein leben und es war gut wie es war. so soll es bleiben, hatte er sich gewünscht und den wunsch ausgesprochen. aber sie hatte geantwortet, mit den wünschen sei es wie mit guten gedanken, sie scheren sich nicht um uns, sie erfüllen sich nicht, nur weil wir es so haben wollen. er hasste diese momente in denen sie nur noch resignation kannte und nichts anderes zuließ, nicht einmal die hoffnung auf die möglichkeit eines besseren.

der espresso blubberte auf dem herd. er schenkte sich eine tasse ein und setzte sich an den schreibtisch. was sie wohl jetzt tat, fragte er sich. er fuhr den laptop hoch um seine e-mails zu checken. die buchstaben verschwammen vor seinen augen.nichts lenkte ihn ab. jeder gedanke war anna, was sie tat, was sie fühlte, was sie dachte. sie war in seinem kopf und mit ihr die angst. diese angst die ihn lähmte und langsam auffraß. es nutze ihm nichts, dass er wusste, dass sie ihn klein machte, dass sie es war, die zwischen ihm stand und ihr. aber sie war da, die angst, hartnäckig da und sie baute sich auf wie eine wand, die sich tag für tag, stein für stein, höher zog. 

mit nervösen fingern zündete er sich eine zigarette an. er griff zum telefon. er musste sie anrufen, jetzt sofort. als er ihre nummer wählte spürte er den stein den er auf die mauer legte.


HERZ 22


du
ein hingreifender
zu mir hin
wohin du fasst 
ist schmerz
im warm deiner hände

wenn du sie von mir nimmst
sind sie kalt

dann bin ich die hingreifende
zu dir hin


Angst V



es ist die angst
die mich klein macht
und wenn du mich fragst wie sie heißt ...?

sie heißt erinnerung

short cut

anna stand auf wie jeden morgen, immer um die gleiche zeit. einen rhythmus haben, regelmäßigkeit, das hält das leben zu sammen, hatte ihre mutter gesagt, zu anna, als anna ein mädchen war, die mutter, die so ihr leben zusammenhielt, weil es keins war. keins, das sie sich gewünscht hatte, auch das hatte die mutter gesagt, die so viel hatte werden wollen und dann mutter geworden war und ehefrau. die mutter hielt das unerwünschte zusammen, dachte anna und dass sie nie hatte werden wollen wie die mutter.

der blick in den spiegel beim zähneputzen, das erkennen, dass sie der mutter immer ähnlicher wurde. eine weile hielten ihre augen den blick in sich selbst. sich selbst suchend und nicht findend, wandte sie sich ab, ging in die küche und füllte schwarzbraunes kaffeepulver in eine der gelbbraunen filtertüten, die gelbbraun war wie an jedem morgen.

sie nahm das vollkornbrot, auch braun, aus dem brotkorb, schnitt lustlos eine scheibe ab und strich dünn butter darauf. das braune nicht mehr aushalten könnend sah sie aus dem fenster.

die bäume trugen grüne blätter wie in jedem sommer. die regentropfen der nacht klebten darauf wie tränen. anna weinte ein bisschen, so wie jeden morgen, ohne genau zu wissen warum, wie jeden morgen.

Dienstag, 19. Juli 2011

leben lieben

noch ist es an der zeit nachzudenken ... wann wissen wir ob es liebe ist oder nur die hoffnung auf ein leben?
was ist leben? was ist mein leben, dein leben, sein leben, ihr leben, unser leben?
ich du er sie es leben ...wie geht leben?

ist lieben leben ist leben lieben liebend leben lebend lieben ..was lieben?

wen lieben? wofür lieben?

um zu leben...?

dämonen und quälgeister

es gibt menschen, die sagen, was immer wir im aussen anziehen, zeigt uns wie ein spiegel, das, was wir in uns tragen. ich stimme diesen menschen zu, denn ich weiß aus erfahrung, dass vieles, dem wir im aussen begegnen eine projektion der anteile unseres eigenen inneren ist.

man könnte also demnach meinen, wenn ich dämonen und quälgeister in mein leben ziehe, dann trage ich diese energie in mir, dann bin ich selbst dämonisch oder für irgendeinen anderen in meinem leben ein quälgeist. aber so einfach ist es nicht und ich mache es mir nie einfach, obgleich das einfach machen der einfachste weg ist mit leichtigkeit zu leben.

aber, was wenn es eben nicht so einfach ist und ich es mir nicht einfach machen will?

dann ist es doch möglich, dass der spiegel mir nicht einfach etwas spiegelt, was ich selbst bin oder was ich in mir trage.

was, wenn die anziehung auf verschiedene weise wirkt? dann ziehen wir entweder gleichartiges an, gegensätzliches oder etwas, das wir ablehnen, an.


wenn ich also einen dämon in mein leben gezogen habe, bedeutet das nicht automatisch, das ich auch einer bin, oder dass ich selbst ein quälgeist bin, obgleich mir solche qualitäten an mir selbst durchaus schon aufgefallen sind. oft quäle ich mich selbst. auch nicht gut.

aber dieser quälgeist im spiegel, der sehr lästig ist, könnte mir folgendes sagen, nämlich, dass ich exakt das anziehe, was ich unbedingt vermeiden will.

nun weiß ich auch aus erfahrung, dass alles was ich vermeiden will besonders starke gefühle erzeugt. und diese gefühle haben eine besonders starke energie. und diese energie zieht dann das an was ich allzusehr nicht will und ablehne. das abgelehnte drängt sich auf, gerade weil ich es aus meinem bewusstsein und meinem leben verdränge. das ist ungefähr so, wie die geschichte der frau, die immer wieder männer anzieht, die sie verletzten. genau diese männer will sie nicht, aber genau diese männer spazieren immer wieder in ihr leben - quälgeister.


der quälgeist ist eine provokation und zugleich ist er ein hinweis.

ein hinweis, der mir die chance gibt klar zu erkennen, was ich nicht mag und was ich nicht will, oder nicht mehr will. und ich kann mich wieder entscheiden, wohin ich mich entwickeln will. nämlich hin zur gelassenheit, hin zum nicht verdrängen, hin zu meinen dämonen, die mir das leben schwer machen, hin zur entscheidung sie noch einmal anzuschauen und hoffentlich endlich loszulassen.

Montag, 18. Juli 2011

sicher ...

ich wiege mich nicht in sicherheit
sicherheit ist keine wiege

sie ist eine illusion
die uns hin und her schaukelt

zwischen der zuversicht
und dem wissen

um die vergänglichkeit

klarheit

er war glücklich sein werk beendet zu haben. er sagte es allen um seine freude zu teilen. wenn man glücklich ist will man seine freude teilen. geteilte freude ist größere freude. alle freuten sich mit ihm, über das was er geschaffen hatte. er sagte, bald können es alle sehen und alle freuten sich mit ihm auf dieses bald.

die tage vergingen und immer wieder betrachtete er sein werk, das er in all den jahren geschaffen hatte. mit jedem neuen tag an dem er sein werk betrachtete, sah er es klarer. zuerst wusste er nicht was er mit der zunehmenden klarheit anfangen sollte, sie verunsicherte ihn. er dachte, das ist doch mein werk und ich habe so viele jahre daran gearbeitet und da war doch die freude es vollendet zu haben und sie war so groß.

er ließ sich zeit zum immer wieder betrachten, viel zeit.

irgendwann an einem morgen wusste er es: das war nicht mehr er. dieses werk war sein altes ich und dieses alte ich hatte sich gewandelt. er war ein anderer geworden.

und an diesem morgen wusste er, er würde ein neues werk schaffen, das dem entsprach, der er jetzt war.


(c) angelikawende

Freitag, 15. Juli 2011

flüchtig

flüchtige liebe
ich
auf der flucht
in ein niemandsland
wo mich
nichts findet
was flüchten kann

Donnerstag, 14. Juli 2011

gedankenplitter 22

was ich glaube muss nicht wahr sein
was wahr ist muss ich nicht glauben
was wahr ist muss nicht wahr sein
was glaube ist muss nicht wahr sein
was wahr ist muss nicht geglaubt werden
was ist wahr
was soll ich glauben...

Montag, 11. Juli 2011

perfekt

vielleicht, sagte er, erwartest du einfach zu viel. von dir selbst, den anderen, vom leben, von dem, was du tust. du neigst zum perfektionismus. aber wer immer alles perfekt machen will nimmt sich unendlich viel an möglichkeiten. perfektionismus ist oft nichts weiter als angst.

angst? sie sah ihn an, unverständnis im gesicht. ja, angst, sagte er, wenn du perfekt sein willst machst du alles so lang, arbeitest du an allem so lange, bis es in deinen augen richtig ist. aber nichts ist richtig genug, schön genug, komplett genug, fertig genug, gut genug, nichts ist perfekt, denn alles kann immer noch besser sein. es könnte besser sein, so denkt ein perfektionist.
und, sagte sie, das stimmt ja auch.

aber ja, sicher stimmt das, sagte er, aber dann wirst du das, was du tust oder schaffst immer festhalten, weil es dir als nicht perfekt erscheint. du wirst es bei dir lassen, egal ob es eine idee ist, ein bild, ein roman, ein musikstück. was in deinen augen nicht perfekt ist, hat keine chance von anderen gesehen zu werden.

aber was hat das mit angst zu tun, fragte sie wieder.
es ist, antwortete er, die angst loszulassen. es ist die angst sich einer kritik zu stellen, letzlich ist es die angst zu versagen und im grunde ist es die angst abgelehnt zu werden.


sie dachte eine weile nach, dachte an all die dinge, die sie angesammelt hatte, die geschichten und die romane die in schubladen lagen, die bilder, die an den wänden standen, die notizen über das was sie tun wollte, die in den beschriebenen seiten ihrer tagebücher waren. und dann fiel ihr ihr vater ein, für den nichts gut genug gewesen war, der an allem und jedem etwas auszusetzen gehabt hatte und wie verbittert er gewesen war am ende seines lebens.

und plötzlich hatte sie angst genauso zu werden wie er und so hatte sie nie werden wollen und ihr war klar, dass sie wählen konnte, zwischen der einen und der anderen angst. sie wusste, welche einfacher zu überwinden war.

(c) angelikawende

Samstag, 9. Juli 2011

der rote faden

mit nervösen fingern nahm sie eine zigarette aus der schachtel, die auf dem nachtisch lag und zündete sie an. in ihrem kopf schwamm der restalkohol, verband sich mit dem nikotin, das sie inhalierte zu einem schwall von übelkeit. sie drückte die zigarette aus und zog sich die decke über den kopf. im dunkelrot der laken fand sie die andere in sich, die, die immer geflüchtet war. die flucht zog sich wie ein roter faden durch ihr leben, wie ein seil, das man spannt, wenn man eine höhle mit unbekannten gängen betritt, um den weg heraus wieder zu finden.

sich auf einen anderen einzulassen bedeutete, gefährliches terrain zu betreten. zu schnell verlor sie sich im watteweichen wohlgefühl des nicht-mehr -allein-seins.

jedes mal wenn sie es gefühlt hatte war sie geflohen. jede bekanntschaft war nur eine kurze unterbrechung auf dem weg zu sich selbst gewesen. sie selbst, die die sie kennenlernen wollte wie nichts anderes, die sie verstehen wollte, weil es das einzige war an das sie sich halten konnte. wozu wusste sie nicht. es war so und das wozu würde sich ergeben, irgendwann. also wandte sie sich ab von dem fremden, das sie ihr vertraut gemacht hatte, legte ihre hand auf das seil und ging zurück aus der höhle in ihr leben, getrieben von der angst, dass das fremde, das sich so gut anfühlte, sie verschlingen könnte, um sie am ende doch nur wieder auszuspucken, ein weiteres verletzen, das sie nicht aushalten wollte. sie entschied, die zu sein, die verlässt. es machte nichts besser und sie wusste es.


copyright angelika wende

Donnerstag, 7. Juli 2011

Gespräch über Gott und die Welt


sie sah mich an, mit einem ausdruck zwischen wut und frust: wenn es mir gut geht ist das gottes verdienst, geht es mir schlecht ist es teufels werk. 

woher willst du das wissen?, fragte ich sie. 

steht in der bibel, sagte sie, nahm ihr glas und trank es in einem zug aus.

an welcher stelle steht das, fragte ich sie.

keine ahnung, meine mutter hat mir das so gesagt, antwortete sie.

wenn wir davon ausgehen, dass der mensch alle göttlichen und teuflischen anteile in sich trägt, dann ist er allein verantwortlich für sein handeln, dann entscheidet er, ob er gut oder schlecht sein will und handelt danach, das bedeutet, wir selbst übernehmen die verantwortung für unser leben. dann gibt es keine entschuldigungsgründe mehr und keinen gott und keinen teufel, dem wir die verantwortung zuschieben können.

du hast schon immer alles angezweifelt, schnautzte sie mich an, auch gott zweifelst du an. 

nein, das tue ich nicht, antwortete ich. wenn ich von eigenverantwortung spreche, bedeutet das nicht, dass ich gott anzweifle, im gegenteil, ich nehme ihn sehr ernst. 

er hat uns erschaffen, alles was wir sind, sind wir durch ihn und er bestimmt unser schicksal, sagte sie. 

wir sind nicht gut oder böse, weil gott es so will. gott will gar nichts von uns, er schenkt uns das leben.

und was ist mit all dem bösen, das wir erleben, all die wunden, die man uns zufügt? das will gott bestimmt nicht. das ist teufelswerk, fuhr sie mich an.

sie kam mir mit ihren vierzig jahren vor wie ein kind, dem man ein spielzeug wegnehmen wollte.

vielleicht machst du es dir zu einfach, sagte ich. wenn gott uns immer nur gutes schenken wollte, hätte er uns im paradies gelassen und da säßen wir und würden uns zu tode langweilen und wie äpfel schmecken wüssten wir bis heute nicht. ich musste grinsen. ich glaube nicht an ein paradies, nicht an einen himmel und genauso wenig an eine hölle. ich glaube nicht an ein ferngesteuertes leben. ferngesteuert von einem gott, der ab und zu schwächelt oder nicht hinschaut, wenn sich zu viel elend raum schafft, der straft oder belohnt. das ist für mich eine illusion.

ich habe lange nachgedacht, was gott für mich ist. für mich ist er schöpfer, er ist wie ein vater. ein vater, der seine kinder aus dem nest entlässt, um sie fliegen zu lassen, der ihnen alles mitgibt, was sie brauchen, um in der welt zu bestehen,  um sie dann in ihre eigene verantwortung zu entlassen. kann es nicht sein, das wir uns unsere eigene hölle schaffen, wenn der himmel uns nicht einlässt? wenn das göttliche in uns ist, nicht im vater im himmel da oben, sondern in uns, dann tragen wir die verantwortung dafür hier unten. in diesem bewusstsein entsteht eine energie, eine gute energie, denn wenn wir uns bewusst sind, dass das gute in uns selbst ist, dann werden wir es tun. das ist schöpfertum. 
stell dir vor, es ist nicht gott, der dafür sorgt, das dir weh getan wird. du selbst bist es der dir weh tut. es ist allein die energie von menschen im zusammenspiel miteinander, die gutes und böses schafft. was wir glauben und aussenden und wonach wir handeln hat auswirkungen, in jede richtung, im guten wie im bösen. wie fühlt sich das an?

beschissen fühlt sich das an, sagte sie weinerlich. 

ja, es verlangt aber nach einem anderen bewusstsein dem eigenen denken und handeln gegenüber. es verlangt güte, menschlichkeit und liebe von keinem anderen als von uns selbst, für uns selbst und andere. wenn wir die verantwortung für unser leben übernehmen, achten wir auf unsere handlungen, wir achten auf das, was wir für uns tun, was wir für andere tun, was wir an uns, an anderen tun. denkst du nicht, ein guter vater würde sich das für uns wünschen?

ich habe diese macht nicht, sagte sie, dazu bin ich viel zu klein. 

wenn du dich selbst klein machst, machst du gott auch klein. du missachtest die schöpfung, deren teil du bist. würde gott das für dich wollen? 

hm, keine ahnung, was gott will, sagte sie, sichtlich eingeschnappt.

wenn wir uns selbst achten und lieben, egal was uns widerfährt, dann begreifen wir unser leben als ein geschenk, ein wunder, eine reise voller lektionen, die wir lernen, wir begreifen es als ein abenteuer. wenn wir wissen, gott straft nicht und der teufel versucht nicht, erkennen wir, dass wir das alles machen, wir selbst und dass nur wir selbst es verändern können. wie fühlt sich das an?

beschissen, antwortete sie wieder.

ja, beschissen ist das, wenn man sich nicht mehr rausreden kann.

Mittwoch, 6. Juli 2011

zusammenhalten

sie wusste nicht mehr wann es angefangen hatte, das anstrengende, das das zusammensein mit anderen menschen in ihr auslöste. ein paar stunden hielt sie es aus, dann brach ihre kraft zusammen und sie wollte nur noch allein sein. ausatmen, das menschengesicht fallen lassen, ihre züge entspannen, sie sein, so wie sie war, in dem moment, der war, gerade jetzt. kein sich beziehen müssen auf ein gegenüber und auf erwartungen. erwartungen, die schon gar nicht, die machten es am schwersten. sie wusste aus erfahrung, wie unverständlich das den menschen, die sie kannte oder im laufe der zeit kennen gelernt hatte, war. die meisten dachten, es richte sich gegen sie, dass es nur für sie selbst war begriffen sie nicht.

auch der mann begriff es nicht. ganz gleich wie oft sie es ihm zu erklären versuchte, etwas in ihm empfand es immer noch als ablehnung. es schien ihr, als habe er angst, dieser unbedingte wunsch nach rückzug, würde ihn sie verlieren lassen. er fasste nach, bedrängte sie und sie fragte sich, warum er ihr nicht den abstand geben konnte. sie empfand es als verletzung ihres inneren, als übergriff auf etwas, was nur das ihre war. es gab tage, da hasste sie ihn für sein unverständnis und die weigerung sie als die zu begreifen, die sie war.

sie wusste, dass die meisten menschen nicht so waren, wusste, dass die meisten das alleinsein als eine art entbehren von einem gegenüber empfanden, fast als eine form von strafe. ihr war es ein inniges bedürfnis und es ständig aufs neue rechtfertigen zu müssen, raubte ihr kraft. es fiel ihr immer schwerer sich selbst zusammenzuhalten. es gab tage, wo sie den mann am liebsten für immer aus ihrem leben gestrichen hätte. sie tat es nicht, weil etwas in ihr wusste, entweder sie hielt es mit ihm aus, oder mit keinem, nie mehr.

Sonntag, 3. Juli 2011

2011

die zeit in der sie lebten hatte die dauer aus ihrem bewusstsein gestrichen. alles war flüchtig geworden. die dinge, die begegnungen, die beziehungen. ein neues jagte das alte, schon bevor das neue als selbstverständlichkeit eine chance hatte war es schon alt.

man gab sich keine mühe mehr dinge zu halten, zu behalten oder zu pflegen um sie zu erhalten, an beziehungen zu arbeiten, etwas aufzubauen was dauertüchtigkeit hatte.

achtung ließ man achtlos fallen. achtung war ein wort dessen bedeutung niemand mehr kannte. widersinnig, wie sie von nachhaltigkeit sprachen, wo sie nur noch als begrifflichkeit exisitierte. aber gerade in ihr lag die sehnsucht des modernen menschen, der spürte welchen verlust die permanente erneuerungsmaschinerie in sich trug. der verlust vom bleiben, vom behalten dürfen, vom aufbauen auf dem alten, was gut war und wert hatte, auch das alter, das wert war geachtet zu werden. die alten hatten kein stimmrecht mehr, denn sie wurden ausrangiert, nicht gesehen als keim der wissen in sich trägt und es hätte weiter geben können, hätte man es gehört oder hören wollen.

aber das hören fiel ihnen schwer, denn die welt war laut geworden, so laut, dass sich alles laute vermischte zu einem zu lauten, das wahrnehmung taub machte für sich selbst und den anderen.

sie lebten wie gefangene im netz einer nie stillstehenden, sich überholenden kommunikationsmaschinerie, klebten wie fliegen an ihren handys, i-phones und i-pads, die sie verbanden mit dem, was sie real nicht mehr verbinden konnten. das leben lief online neben ihnen her und an ihnen vorbei.

sie waren der täuschung anheim gefallen, dies sei das leben und die gesichter blickten auf technische flächen, fixierten den blick auf apps und bunte bilder anstatt auf ein lebendiges gegenüber.

sie wunderten sich, dass sie immer einsamer wurden in sich selbst, wo sie doch ständig am sms schreiben, am e-mail versenden und posten waren, ihr leben auf internetseiten transparent machten, damit andere an ihnen verdienen konnten.

sie hielten die liebe hoch auf internetseiten und verbanden sich virtuell mit jenen, die diese sehnsucht mit ihnen teilten.

auf strassen sah man obdachlose, die ihre hände den vorrübergehenden entgegenhielten, ein almosen erbettelnd. im namen der liebe hätten es so viele almosen sein können, dass keiner hungern musste. aber die liebe war im word wide web eingesperrt.

sie hatte sich in ein wort verwandelt, das sie nicht mehr fühlen konnten, weil es inflationär benutzt wurde und sie glaubten in der tat, es immer wieder zu schreiben würde es zum leben erwecken.

die liebe aber wusste, dass sie gelebt werden musste und wurde flüchtig wie die zeit, so flüchtig, das sie bald niemand mehr greifen konnte ...

Samstag, 2. Juli 2011

wozu

wozu habe ich meinen verstand
um zu verstehen

wozu habe ich meine gefühle
um zu fühlen

wozu habe ich mein herz
um zu lieben

wozu habe ich meinen geist
um alles in einklang zu bringen

wozu widerstreiten sie sich

...wer meint das leben erklären zu können
hat es nicht verstanden