Freitag, 29. Juli 2011

BILD des Schreckens

Ich versuche sie mir vorzustellen, die Gesichter der Millionen Zeitungsleser, Online- und Fernsehgucker am fünften Morgen nach dem Unglück in Norwegen, wenn sie die neuesten Schlagzeilen goutieren wie das frische Brötchen vom Bäcker nebenan, mit leckerer Marmelade oben drauf und zufrieden ihren Kaffee schlürfen.


Schreckliche Bilder guckend und hassvolle Worte lesend, sitzen sie da und ich bin mir sicher, ohne jene menschliche Regung, welche die Natürlichste wäre: Ekel, Würgegefühl im Hals, ins Bad und Kotzen. Ich meine richtig Kotzen, ins Klo kotzen. Kotzen über die Schamlosigkeit der Medien, kotzen aus Ekel vor sich selbst, dass sie mit jedem Kauf dieser menschenverachtenden Schlagzeilendrescherblätter, mit jedem Einschalten des Fernsehers eine Heerschar von journalistischen Leichenfledderern unterstützen, die schamlos das Leid unzähliger Menschen ausschlachtet um es den Lesern und Zuschauern zum Fraß vorzuwerfen. Mit Mitgefühl hat das nichts zu tun was die da machen, oder glaubt das irgendwer? Das ist ein schamloses sich Weiden an dem was geschehen ist.


Die Medien machen das seit ewigen Zeiten und mit stetig wachsendem Erfolg, denn die Masse frisst und verdaut problemlos wie es scheint, unbeeindruckt vom Horror, der ihr plakativ ausgeschmückt und bestückt mit bunten Bildern und reißerischen Schlagworten serviert wird. Wohl bekomms!


Ja, es bekommt, das eigentlich Unbekömmliche der voyeuristischen Elendsinszenierung und die Medien bekommen das, was sie wollen: Geld.


Money makes the World go round und wie man dazu kommt spielt keine Rolle, da vergisst man doch Ethik, Moral und Achtung vor dem Nächsten. Menschen sind schon von jeher Kanonenfutter und jetzt werden eben die Opfer von Norwegen verheizt, damit die Masse was zu lesen hat, wird auch Zeit, ist ja Sommerloch und was kann da besseres passieren um die Verkaufszahlen hochzujagen als eine Katastrophe in der Blut fließt und viele Menschen sterben.


Zum Kotzen ist das, ich jedenfalls finde das zum Kotzen und bevor ich mich physisch übergebe, kotze ich es mit Worten aus, dieses Gefühl, das in mir ist, dieses Gefühl von Fassungslosigkeit und Entsetzen, das die Medien Wort für Wort, Foto für Foto, schüren und größer machen, so groß bis ein Mensch es nicht mehr aushalten kann und ich frage mich, wie halten die anderen das aus?

Online zeigt man private Videos des Schreckens. Na, das gucken wir uns doch mal an, der Schrecken ist weit weg, der geht uns nicht wirklich etwas an und hat ja auch mit uns nichts zu tun. Das ist fast so wie im Egoshooter Spiel, nur dass da echte Menschen sterben mussten, das ist halt so. Das Leben ist grausam und schrecklich und am besten ist es, wenn das weit weg ist, das Schreckliche.


Ist es das wirklich oder liegt es da, ist es da, in schwarzen Lettern und bunten Bildern direkt vor uns?


Bild online zeigt das Fotoalbum der "Mordmaschine" bestückt mit Kinderbildern des Attentäters. Ich frage mich, wem nutzt es was, darin zu blättern, wem nutzt es zu wissen warum dieser junge Mann zu dem wurde, was er ist, außer seinem Anwalt und dem Gericht, das ihn verurteilen wird. Den Angehörigen der Opfer nutzt es mit Sicherheit nichts.



Macht dieses Anprangern und Sezieren eines Menschen irgendetwas besser oder erträglicher und was nutzt Verstehen in diesem Fall? Wer maßt sich an im Blick eines Menschen das kranke Potential zu sehen? Die Bildzeitung maßt sich das an. Im Nachhinein ist das auch keine Kunst und manche glauben es auch noch, wenn da postuliert wird: Das ist kein Mensch, das ist keiner von uns, das ist eine Maschine. Ein verbal entmenschlichter Täter, eine Mordmaschine wie im Egoshooter Spiel, reduziert auf Töten. Wahnsinn aber auch, diese kalten Augen, dem Schönheitswahn war der auch verfallen, der "Teufelskiller". Teufel aber auch, das hätte doch einem auffallen müssen. Ist es aber nicht, denn der Mensch ist unberechenbar, eben weil er keine Maschine ist.


Es ist erschreckend wozu Menschen und nur Menschen fähig sind und es ist schrecklich was sich in Norwegen ereignet hat und es ist schrecklich wie der Schrecken weiter am Leben gehalten wird, wie er bewusst aufgeblasen wird um daran zu verdienen.


Tag für Tag wird der Schrecken aufs Neue inszeniert und sie setzen sich fest, diese Worte, diese Bilder, die die Medien in die Welt senden, setzen sich fest in den Gehirnen und das macht blind und taub für das, was eigentlich sein könnte - stille Trauer und Achtung vor den Toten und den Menschen, die sie betrauern.


Nein, diese Bilder und Worte verhindern kein weiteres Unglück, aber sie forcieren die fortschreitende Verrohung des Menschen durch die Medien, die vor nichts und niemandem mehr halt machen, die Menschlichkeit in den Boden stampfen indem sie das Elend als tägliches Unterhaltungsprogramm servieren. Und Millionen Menschen lesen das und gucken da hin und es ist schrecklich, das ihnen nicht bewusst ist, was sie da tun.


Nein, sie können nicht wissen was sie tun, sie können nicht wissen, dass sie mit jedem Kauf solcher Schmierblätter, mit idem Einschalten des Fernsehers, dem Klicken auf Onlineportale die Unterstützer eines mehr als fragwürdigen, pietätlosen Journalismus sind, ja, ihn so gar erst möglich machen, einen Journalismus, der nichts anderes im Sinn hat als seine Gewinne mit dem Leid der Welt nach oben zu treiben und Menschen, ob tot oder lebendig, zum Konsumgut degradiert - täten sie es sonst?


Was den Hass angeht - er wächst, parallel zum monitären Gewinn derer, die ihn ausschlachten und schüren, Tag für Tag.



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