Eine problematische Eigenart
des Menschen ist es, wenn er sich in einer Krisensituation befindet, dass er außer der Krise
nichts mehr anderes im Focus hat. Er befindet sich nicht in der Krise – er ist
die Krise. Er steckt so sehr in der Krise, dass er sich vollkommen mit ihr
identifiziert und eine Art Tunnelblick entwickelt, der geradewegs in das
schwarze Loch fällt, das wir alle kennen und fürchten.
Da ist diese schwarze Tiefe,
die uns zu verschlucken droht, die uns Angst einjagt, der wir nicht zu
entkommen glauben. Es ist das Gewahrsein des Bodenlosen, das uns um den klaren
Verstand bringt. Wir sind gelähmt, bewegungsunfähig und finden keine
konstruktiven Lösungen mehr.
Anstatt uns die Zeit zu
nehmen um uns bewusst und ruhig mit dieser Tiefe zu befassen, beginnen wir zu
graben. Wir suchen nach Gründen, die uns hierher gebracht haben, wir fühlen uns
schuldig, wertlos, als Versager, wir klagen uns selbst an, wir jammern uns
selbst und anderen die Ohren voll. Ununterbrochen ziehen destruktive Gedanken
durch unseren Geist. Wir fühlen uns schrecklich. Eine andere Variante ist
die Betäubung, um die unguten Gefühle nicht spüren zu müssen , die uns so zu
schaffen machen. Viele Menschen konsumieren dann Substanzen wie Psychopharmaka,
Schlaftabletten und/oder Alkohol. Aber auch das hilft keinen Deut weiter, denn
jede Betäubung hat auch mal ein Ende. Am
nächsten Tag ist alles beim Alten und das schwarze Loch ist immer noch da. Wir verlieren
immer mehr Kraft und werden immer hilfloser.
Mit oder ohne
Betäubungsversuche - das Affengeschnatter im Kopf, wie es die Buddhisten so
treffend nennen, kennt keinen Anfang und hat kein Ende. Wir sitzen vor dem Loch
und sind völlig aufgelöst. Anstatt inne zu halten und
unsere Gedanken und Gefühle zu überprüfen bewegen wir uns immer weiter nach unten
indem wir graben und grübeln bis das Loch uns verschluckt.
Bewegen wir uns mit diesem Denken in eine Richtung, die aus
dem Loch herausführt?
Nein, sagt der gesunde
Menschenverstand, der das aber nicht mehr erkennt, weil er vom Affengeschnatter
komplett verwirrt ist.
Was ist hilfreich?
Es hilft den Zustand erst
einmal einfach zur Kenntnis zu nehmen.
Ohne zu bewerten ist da ein
Loch, das sich vor mir auftut. Nichts weiter. Ein Loch ist ein Loch. Wenn ich
nichts Bedrohliches hineindenke ist es nur ein Loch. Und Punkt.
Gut ich sitze also vor dem
Loch.
Im Moment ist das so.
Ich habe im Moment noch
keine Idee. Ich habe keine Möglichkeiten, die mich von diesem Loch wegholen.
Ich habe im Moment noch keine Mittel und keine Werkzeuge um mein unheilsames Denken
zu beenden.
Ich stecke fest. Aha. Es ist
okay.
Das bedeutet, dass ich im
Moment noch nicht sofort aus meiner Position heraus muss.
Vielleicht ist dieses
Loch genau das, was ich im Moment brauche. Vielleicht ist das Leiden, das ich
durch dieses Loch erfahre genau das, was ich schon lange mit mir herumtrage und
es unterdrücke. Jetzt wo ich es spüren kann, hilft es mir meine Wahrheit zu
erkennen und mein Leben in eine andere gesündere Richtung zu bringen. Vielleicht liegt in meiner
Bewegungsunfähigkeit die Chance endlich zur Ruhe zu kommen und das zu erkennen und zu lassen, was
mir nicht mehr gut tut. Vielleicht liegt am Boden
des Loches gar nicht das, was ich hineinfantasiere. Vielleicht sollte ich
offener werden für das Unbekannte, das Unkontrollierbare im Leben und das
Klammern aufgeben. Vielleicht sind große Bewegungen im Moment gar nicht nötig, weil
mir dazu die Kraft fehlt und ich mich nur weiter antreiben würde, hin zu etwas
was mir nicht (mehr) entspricht.
Vielleicht liegt am Boden des Loches die alles
entscheidende Frage: Wie aufrichtig will ich mit mir selbst sein?
Auf diese Weise hören wir
auf kopf- und sinnlos zu graben. Wir lenken wir unsere Gedanken in einen
offenen Raum – denn genau der liegt in diesem Loch – ein offener Raum, den wir
dann sehen, wenn wir die Angst vor dem Loch loslassen können und es als das
erkennen was es auch ist – eine Chance
in der Krise.
Liebe Angelika, ich glaube, dass ein solcher Text entstehen kann, nur so entstehen kann, wenn Mensch halt gerade nicht in einer Krise steckt... Steckt Mensch drin, stecke ich drin, kann ich es nicht als Chance sehen. Dann kommen die schwarzen wände des schwarzen lochs unaufhaltsam auf mich zu und werden mich, früher oder später, zerquetschen.... Dann habe ich nicht die Kraft, mir den Boden des lochs anzusehen, dann will ich, dass es aufhört, endlich aufhört! Ich will dann einfach weg, weglaufen, nicht ausharren, nicht ausgeliefert sein...
AntwortenLöschenWenn es mir einigermaßen gut geht, versuche ich es so zu sehen und zu verstehen, wie Du es schreibst...
Danke für Dich und Deinen Blog!
Namaste
Liebe Anopnym,
AntwortenLöschenich weiß, dass ein solcher Text auch und gerade dann entstehen kann, wenn ein Mensch in der Krise ist, denn ich bin es gerade. Aber ich habe gelernt auch in der Krise wach zu bleiben. Was mir dabei hilft ist Meditation.
Liebe Grüße
Angelika
Danke für den Tipp
AntwortenLöschen:-)
AntwortenLöschenLiebe Frau Wende,
AntwortenLöschenich glaube auch, dass ein solcher Text nur dann entstehen kann, wenn man bereits einmal oder mehrere Male vor einem solchen schwarzen Loch gesessen ist.
Zuerst kann man diesen Zustand auch überhaupt nicht verbalisieren, ausdrücken - man weiß nur, dass man irgendwie feststeckt und gerade irgendetwas blockiert.
Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre wunderbaren und auch heilsamen Worte -
auch wenn man immer wieder in alte Muster oder Denkweisen zurückfällt oder denkt,
zurückzufallen, dann weiß man auch, dass dieser Zustand auch wieder vorübergeht. Auch wenn man erstmals diesen Zustand anschauen und aushalten darf (muss).
Durch die enge und hohle Gasse schreiten bis man den Teil in sich erkennt, der gesehen werden möchte - den wir bisher noch nicht gesehen haben. Da kann es ganz schön eng und ungemütlich zugehen - aber das Aushalten lohnt sich. Das erfahre ich gerade im Moment - auch mit Hilfe Ihrer wunderbaren Worten - sie berühren mich und sie helfen mir, bei mir selbst zu bleiben. Auch wenn es sehr viel Mut und Kraft und Geduld kostet. Der Weg zu mir selbst ist es mir wert.
Bleiben wir bei uns, wenden wir uns aktiv selbst zu und halten einfach unsere Wahrnehmung offen.
Versuchen das, was Innen ist, nach Außen zu tragen. Irgendwann kommt dann das zum Vorschein, was gesehen und geliebt werden möchte.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles Gute und eine schöne Chance - die haben Sie sich nämlich mehr als das verdient.
Schlafen Sie gut und bis bald,
Julia Bender
Liebe Julia Bender,
AntwortenLöschendanke für Ihre berührenden Worte.
Alles Liebe für Sie!
Namaste
Angelika Wende