Es ist wichtig und gut, offen und zugeneigt zu sein, sonst kann ich keine Empathie
entwickeln.
Es ist wichtig und gut, mich
abzugrenzen, sonst spült mich meine Empathie weg.
Der Begriff Empathie in der
Psychologie entstand erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der deutsche Psychologe
Theodor Lipps verstand darunter „ein inneres Mitmachen, eine imaginierte
Nachahmung des Erlebens des Anderen“.
Empathie beruht auf Resonanz.
Empathie ist die Fähigkeit mitzuschwingen und sich in die Gefühle anderer einzufühlen,
man hat Anteil am anderen Menschen, kurz: Man
hat Einfühlungsvermögen. Mitgefühl dagegen geht noch
weiter: Mitgefühl möchte aktiv dazu beitragen, dass es dem anderen besser geht.
Mitgefühl ist liebevolle Zuwendung und Fürsorge anderen gegenüber.
Empathie haben viele.
Mitgefühl ist schon seltener zu finden.
Sogar Menschen die unter einer narzisstischen
Persönlichkeitsstörung leiden, können sich in andere einfühlen. Sie können sehr
gut erkennen, was andere Menschen fühlen, denken und beabsichtigen, daher
können sie andere auch so gut manipulieren, sie empfinden jedoch kein Mitgefühl.
Empathen und mitfühlenden
Menschen fällt es oft schwer Grenzen zu ziehen. Sie sind derart empfänglich für
die Gefühle, Bedürfnisse und Nöte anderer, dass sie sich dabei selbst vergessen
oder an zweite Stelle setzen.
Oft liegt gerade bei Empathen,
die für allen und jeden Mitgefühl haben, genau darin eine innere Ambivalenz. Ihr
Mitgefühl für alles und jeden ist nicht selten eine Übertragung (unbewusste
Gefühle, Wünsche, Sinnesempfindungen oder Verhaltensmuster aus wichtigen
vergangenen Beziehungenwerden werden in gegenwärtigen Beziehungen aktualisiert
(Projektion) der eigenen fehlenden Erfahrungen von Mitgefühl durch andere auf
andere. Da ist ein innerer Mangel, der unbewusst dadurch erfüllt werden soll,
dass anderen gegeben wird, was dem Selbst fehlte oder fehlt. Da ist etwas gut
zu machen, wenn schon nicht bei sich selbst, dann durch das Mitgefühl für
andere.
Nicht selten entwickelt sich
daraus ein Helfersyndrom. Dem anderen wird die Hilfe gegeben, die sich das
Selbst wünscht(e) aber nicht bekommen hat und nicht bekommt. Manche betreiben
das bis zu Selbstaufgabe. Sie fühlen sich nur gut indem sie zu anderen gut
sind. Ihr Mitgefühl fungiert als Abwehr von innerer Leere, eigenen Bedürfnissen
und Ängsten. Sich selbst vergessen oder sogar aufzuopfern, zeugt jedoch davon,
dass diese Menschen Mitgefühl für sich selbst gar nicht empfinden können. Denn
wer schadet sich selbst, wenn er sich selbst mitfühlend erlebt? Niemand.
Echtes Mitgefühl bedeutet zuallererst
mitfühlend mit sich selbst zu sein. Sind wir das nicht, projizieren wir auf
andere.
Damit kommt es nicht aus einem vollen mitfühlenden Herzen, sondern aus
einem leeren Herzen, dass verzweifelt nach Fülle sucht. Dieses Herz spürt nicht
wo es selbst aufhört und wo der andere anfängt. Der Mitfühlende identifiziert
sich unbewusst mit dem, dem er Mitgefühl entgegenbringt, auch wenn er einen
Preis dafür zahlt – nämlich Selbstverleugung und Selbstausbeutung.
Mitfühlende Menschen, besonders
Menschen aus helfenden Berufen geraten dabei selbst oft an den Rand
ihrer Kräfte.
Sie geben anderen die Fürsorge, die sie sich selbst nicht geben und
brennen langsam ab wie eine Kerze. Compassion Fatigue (Mitgefühlsermüdung) Burnut und Depressionen sind die Folge. TherapeutInnen
und MedizinerInnen weisen empirisch belegt eine höhere Suizidrate auf als
die Allgemeinbevölkerung auf. Die Selbsttötungsraten sind nach den
Ergebnissen von 14 internationalen Studien sogar 2,5-5,7-fach höher als
bei vergleichbaren Nichtmedizinerinnen.
Der Psychoanalytiker Wolfgang
Schmidbauer beschrieb vor über 40 Jahren erstmals das Helfersyndrom in seinem
Buch „Hilflose Helfer“. Schmidbauer beschreibt wie Helfer sich selbst
blockieren und, nicht einfach das an sich anwenden können, was sie ihren
Klienten täglich raten.
Zitat: Nächstenliebe als
Beruf zieht jene Menschen an, die das Gefühl haben, zu wenig Liebe erhalten zu
haben. Jemand hilft, weil eigentlich
selbst Hilfe gebraucht wird. Ein Leben ganz im Sinne des Über-Ichs schützt das
Ich vor dem Erleben jeglicher Ohnmachtsgefühle. So kann das Helfen genutzt
werden, um den fehlenden Selbstwert zu erhöhen und Anerkennung zu erhalten. Da
das Bedürfnis jedoch so groß ist und die Quellen beschränkt sind (der
Selbstwert macht sich fast ausschließlich von außen über das Helfen als Zufuhr
fest), ist immer mehr Energie (Helfen) notwendig, um den nötigen Selbstwert
aufrecht zu erhalten. Da der Helfer aufgrund seines
Über-Ichs und seines Ich-Ideals keine negativen Gedanken und Gefühle zulassen
kann, steigt sein Aggressionspotential insgeheim immer mehr an und muss
letztendlich doch irgendwie eine Öffnung finden.“
Schmidbauer macht ausführlich
deutlich, dass zu viel Mitgefühl und in Folge das Helfersyndrom als Möglichkeit
fungiert, die narzisstische Kränkung der Kindheit, scheinbar zu bewältigen.
Empathie und Mitgefühl haben also
wie alles zwei Seiten.
Mitfühlend zu sein bedeutet
nicht alle Grenzen abzubauen. Gesundes Mitgefühl bedeutet nicht, dass wir es
immer allen recht machen, ihnen alles geben, was sie wollen und alles zulassen
was sie tun, auch wenn es unheilsam ist, für sie selbst und für uns. Es
bedeutet auch nicht immer lieb und nett zu sein. Und es bedeutet nicht alles zu
verstehen und alles zu entschuldigen.
Grenzen ziehen ist Ausdruck
des Mitgefühls mit uns selbst.
Angemessene gesunde Grenzen
ziehen macht einen gesunden Dialog und gesunde Beziehungen überhaupt erst
möglich. Zu wissen wo ich aufhöre und wo der andere anfängt, schafft Klarheit
und Augenhöhe. Grenzen ziehen heißt - sich selbst behüten, sich hüten vor einer
Vermengung des anderen mit sich selbst.
Ohne selbstmitfühlend Grenzen
zu ziehen landen wir in der Verstrickung und diese schafft immer Leid.
Grenzen ziehen schafft
Klarheit über uns selbst und in uns selbst.
Wo ist es mir zu viel?
Wo gebe ich mehr, als mir gut
tut?
Warum mache ich das?
Wo habe ich Verständnis, wo
es nicht angebracht ist?
Warum lasse ich zu, dass mich
Menschen immer wieder verletzen?
Warum suche ich Entschuldigen
für mieses Verhalten, und unterdrücke meine Missbilligung, meine Enttäuschung,
mein Verletztsein, meine Kränkung oder meine Wut?
Um diese Fragen zu
beantworten müssen wir bereit sein wirklich hinzuschauen und radikal ehrlich zu
uns selbst sein.
Klarheit über uns selbst und
Mitgefühl mit uns selbst führt dazu, dass wir wissen, woran wir sind - mit uns
selbst und mit anderen.
Gesundes Mitgefühl heißt also
nicht, dass wir keine Grenzen haben. Nur wenn wir unsere Grenzen achten, achten
wir wiederum auch die Grenzen anderer.
Zur Empathie
Auch
sie hat dunkle Seiten und zahlreiche unbeabsichtigte Konsequenzen. Mit
den verdrängten Aspekten der Empathie beschäftigt sich das Buch "Die
dunklen Seiten der Empathie" von Fritz Breithaupt, Professor für
Kognitionswissenschaften. Stichwort: Empathie um der Empathie willen.
Empathie heißt nicht, keine
Gefühle zu haben, keinen Ärger, Abneigung oder Wut zu empfinden. Empathie heißt
nicht, alles zu entschuldigen, alles zu verstehen und jedem, der rücksichtlos
anderen gegenüber ist und Menschen verletzt aufgrund seiner
Persönlichkeitsstörung, seiner Neurose oder seiner Egozentrik, zu
entschuldigen. Eine schlimme Kindheit ist kein Grund und schon gar keine
Entschuldigung sich anderen gegenüber respektlos ignorant und verletzend zu
gebärden.
Empathie heißt auch, nicht zu
glauben, alles was mir begegnet, ist ein Spiegel meiner selbst und ich bin selbst
verantwortlich, wenn mir Ungutes widerfährt.
Empathie spürt sehr genau, wo
etwas unheilsam ist.
Empathie und Mitgefühl mit
sich selbst ist ein Fürsorgliches zu sich selbst stehen, wenn nötig ein klares
Nein zu sagen und sich nicht in Illusionen zu verlieren, dass alle Menschen im
Grunde arme Opfer und gut sind. Und man sie doch in Schutz nehmen muss.
Nicht alle Menschen sind gut. Sie sich gut denken, macht sie nicht besser.