Samstag, 16. Dezember 2023

Ich kann es nicht akzeptieren ...

 



„Ich kann nicht akzeptieren, dass es vorbei ist“, sagte gestern ein verzweifelter Klient zu mir. „Ich weiß ja, dass ich es nicht ändern kann und es akzeptieren muss, aber ich kann es nicht.“
So wie meinem Klienten geht es vielen von uns.
Akzeptanz ist verdammt schwer. Auch wenn der Kopf weiß, wir haben keine andere Wahl, wir sind absolut machtlos, der Bauch und das Herz kommen nicht mit. Weil es weh tut. Weil es schmerzt, weil wir es so wie es ist, nicht haben wollen.
„Gibt es denn da keine Technik?“, fragte mich mein Klient.
„Nein, die gibt es nicht“, antwortete ich.
 
Akzeptanz ist keine Technik, sie ist eine andere Sicht dessen, was ist.
Akzeptanz bedeutet nicht, dem was ist, zuzustimmen. Wir müssen es nicht gut finden. Akzeptanz bedeutet nicht, dass wir keine belastenden Gefühle mehr haben, sondern sie da sein lassen und ja zu ihnen sagen, anstatt dagegen anzukämpfen oder sie weghaben zu wollen.
Für die meisten ist das die schwerste Übung.
Keiner will sich verletzt, gekränkt, gedemütigt, verlassen, wütend, einsam, traurig oder ohnmächtig fühlen. All das sind Gefühle, die sich nicht gut anfühlen. Aber genau darum geht es bei der Akzeptanz auch – was sich nicht gut anfühlt, zu akzeptieren. Auch wenn wir es nicht wollen, manches müssen wir einfach aushalten. Auch eine schwere Übung.
Wer hält schon gerne aus, was weh tut?
Wenn wir körperliche Schmerzen haben, nehmen die meisten Schmerztabletten, für seelische Schmerzen gibt es keine Tabletten, die sie wegmachen. Das müssen wir selbst machen.
Akzeptanz ist keine willentliche Entscheidung, die wir auf Knopfdruck herbeiführen können. Etwas akzeptieren ist ein Prozess mit einer ganz eigenen Dynamik, in dem wir lernen mit den Umständen, die uns das Leben gerade serviert, umzugehen im Gewahrsein: ich kann daran jetzt nichts ändern, und - nichts bleibt wie es ist. 
 
Akzeptanz ist die Bereitschaft, uns nicht mehr gegen ungewollte Ereignisse und den damit verbundenen Schmerz aufzulehnen, sie zu bekämpfen oder verändern zu wollen. 
Akzeptanz ermöglicht das Erleben und Erfahren dessen, was gerade ist, so wie es ist. Sie entspricht der inneren Haltung - es ist, wie es ist - inklusive unsere emotionalen Reaktionen darauf. Sie verdrängt nicht, auch nicht den Schmerz und nicht die Angst. Sie nimmt an, bedingunglos, im Bewusstsein nichts ändern zu wollen. Akzeptanz ist die Haltung, die uns rettet, wenn wir vor einem Problem stehen, das nicht gelöst werden kann, einer Situation, die unveränderbar ist.
Geduld gehört dazu.
Geduld mit uns selbst und dem, was wir fühlen und nicht fühlen wollen. Und ja, es fühlt sich schrecklich an. Akzeptanz braucht Geduld mit den Tränen und der Sehnsucht nach Erlösung. Geduld mit den durchweinten Nächten und den miesen Tagen, an denen wir uns durchquälen, immer das im Kopf, was wir nicht akzeptieren können. Es ist okay. Wir können es noch nicht. Es ist okay. Es wird dauern. Es ist okay. Und wissen: Wir sind auf dem Weg. Und nein, es gibt keine Abkürzung. Es ist okay. Aber es gibt Hilfen, die wir nutzen können um das Schwere etwas leichter zu machen.
 
Atmen.
Bewusstes Atmen beruhigt den Körper, das Nervensystem und den Geist. Bewusst atmend im Moment sein. Die Ruhe des Augenblicks spüren. Konzentration auf das, was jetzt ist. 
 
Den Focus umlenken auf das Jetzt.
Weg von den Gedanken an das Vergangene. Weg von: Was wäre wenn?, hin zu: Was ist jetzt in meinem Leben, dem ich Aufmerksamkeit schenken könnte oder will? Auf ein Ziel fokussieren, etwas Neues lernen, neue Dinge ausprobieren. 
 
Schreiben, ein Tagebuch führen.
Das was wir nicht akzeptieren können aufschreiben. Unsere Gefühle aufschreiben. Bilanz ziehen und überlegen wozu es vielleicht gut ist, was ist. Was wir daraus lernen können. Und neue Handlungsspielräume andenken: Was liegt in meiner Macht, was kann ich selbst tun, damit es mir besser geht?
 
Ein Dankbarkeitstagebuch führen.
Das lenkt den Blick auf die guten Dinge und Aspekte, die es in unserem Leben auch noch gibt und holt sie ins Bewusstsein. 
 
Bewegung.
Raus gehen, egal wie das Wetter ist. Sport machen, den Körper auspowern und anschließend das wohlige Gefühl genießen.
 
Was mir hilft:
Mich mit Biografien beschäftigen von Menschen, die ich bewundere, und erfahren, wie diese Menschen Krisen und Schmerz überwunden haben. 
 
Reden.
Aussprechen was ist. Einem Menschen gegenüber, der achtsam zuhört. Indem wir die Dinge aussprechen, entlasten wir uns. Alles Ausgesprochene verliert seine Schwere und Bedrohlichkeit.
Nur was wir aussprechen, was Ausdruck findet, kann heilen.
 
Akzeptanz verdrängt nicht. Sie nimmt an. Akzeptanz beendet den inneren Kampf und befreit uns, damit wir unsere Energie in Aktivitäten investieren können, die uns weiter bringen.
Akzeptanz ist ein Prozess, der nicht im WARUM stecken bleibt. Sie fragt: WOZU ist es gut? Die Frage nach dem Warum ist destruktiv - die Frage nach dem Wozu ist konstruktiv. Denn mit der Frage Wozu? beginnen wir das Unveränderbare loszulassen um dann, wenn wir wieder zu Kräften gekommen sind, neue Wege zu suchen und das Leben neu zu gestalten. 
 
 
"Die Dinge verändern sich, egal, ob wir das nun wollen oder nicht. Wenn wir darauf bestehen, dass alles so bleibt, wie es ist, oder wenn wir das wegstoßen, was wir nicht mögen, dann lassen sich Veränderungen auch nicht aufhalten.
Es führt nur zu weiterem Leiden."
 
Jack Kornfield

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