Malerei: A.Wende
Zum Muttertag habe ich den unten stehenden Artikel geschrieben über Eltern, deren erwachsene Kinder sie verlassen haben. Ich habe diesen Artikel für alle Mütter und Väter geschrieben, die betroffen sind. Ein Artikel über die Kinder, die Eltern verlassen, wäre ein eigener. Auch ein Artikel über Eltern, die ihre Kinder verstoßen, wäre ein eigener.
Der Artikel hat manche so aufgeheizt, dass ich unschöne Mails von erwachsenen Kindern bekam, die ihn als Trigger für ihre nicht aufgearbeitete Wut genutzt haben und meinten, wie könne ich nur so etwas schreiben.
Ich kann.
Ich habe diesen Artikel geschrieben, weil ich in der Praxis immer wieder Fälle hatte, wo Elternteile zu mir kamen, weil sie betroffen sind. Es sind Menschen, die leiden, weil ihre erwachsenen Kinder sie verstoßen haben. Ich bewerte diese Menschen nicht und ich verurteile sie nicht. Würde ich das tun, hätte ich meinen Job verfehlt und meine Aufgabe nicht begriffen.
Ich kenne ihre Geschichten und ich kenne die Gründe, warum es zu dem Bruch kam. Die meisten dieser Menschen sehen sehr genau, wo sie Fehler gemacht haben. Und es tut ihnen von Herzen leid. Sie würden alles geben, um ihre Fehler zu korrigieren, aber man gibt ihnen keine Chance mehr.
Ja, es gibt narzisstische Mütter und Väter, es gibt Suchtkranke, die ihre Kinder vernachlässigen, quälen und emotional vergiften, es gibt Mütter und Väter, die ihre Kinder seelisch und körperlich missbrauchen. Es gibt das Böse in jedem Menschen.
Aber von diesen Menschen schreibe ich nicht. Keiner dieser Menschen, die ich kennen lernen durfte, ist narzisstisch, böse oder wollte seinem Kind bewusst Schlechtes. Sie haben Fehler gemacht, sie haben es nicht so gut gemacht wie das Kind es gebraucht hätte. Sie haben ihre Kinder nicht bewusst verletzt.
Manche haben ihre Kinder zu sehr verwöhnt, und kleine Narzissten aufgezogen. Manche alleinerziehende Mutter war überfordert und konnte ihrem Kind nicht all das geben, was es gebraucht hätte. Manche waren Helikopter Eltern, die so viel Angst um ihr Kind hatten, dass sie es mit ihrer Fürsorge erdrückt und fast erstickt haben. Manche waren traumatisiert und haben das unerlöste Trauma an ihre Kinder unbewusst weitergegeben.
Das sind nur einige Fehler, die Menschen in der Erziehung machen können. Das sind nur einige Schäden, die Mütter und Väter an Kinderseelen anrichten können. Es gibt vieles was einem Kind schadet, ohne, dass sich Eltern dessen bewusst sind. Sie wollen hinreichend gute Eltern zu sein und schaffen es nicht, genau die Eltern zu sein, die ein Kind sich wünscht und die es aufgrund seiner Anlagen braucht. Für das eine Kind reicht es, für das andere Kind ist es ungenügend, was es bekommt.
Es gibt keine perfekten Eltern, so wie es keine perfekten Menschen gibt.
Wir alle machen Fehler. Wir alle sind keine perfekten Menschen.
Ich selbst hatte keine liebenden Eltern. Sie haben mich wegegeben als ich ein Baby war. Meine Mutter sagte später einmal zu mir: Ich konnte dich nicht lieben. Als ich erwachsen war, haben sie mich verstoßen. Ich kenne auch die andere Seite, die des ungeliebten, verstoßenen Kindes. Ich habe gelernt damit zu leben und es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich hasse meine Eltern nicht, ich weiß, sie konnten nicht anders. Ich bin manchmal wütend, dass sie nicht anders konnten, aber ich verurteile sie nicht gnadenlos. Ich heiße nicht gut, was sie gemacht haben, aber ich habe ihnen verziehen und meinen Frieden mit ihnen und mir selbst gemacht. Was nicht heißt, dass ich nicht immer wieder traurig bin und mich nach liebenden Eltern sehne.
Ich bin selbst Mutter, ich habe Fehler gemacht und meinen Sohn zu sehr verwöhnt und ihm wenig Grenzen gesetzt. Ich wollte es besser machen als meine Eltern, eine besser Mutter sein. Mein erwachsener Sohn hat mir gesagt, was ich in seinen Augen falsch gemacht habe. Wir haben darüber geredet. Er war offen und ehrlich zu mir. Er war manchmal wütend auf mich, und auch er hätte mich verlassen können. Es hätte mir genauso passieren können wie den Eltern, über die ich schreibe.
Was ich damit sagen will? Es ist immer leicht den Eltern die Schuld zu geben, wenn Kinder sie verlassen.
„Die Mutter ist immer schuld“, den Spruch kennen wir alle.
Aber ist das wahr?
Nein, so einfach ist es nicht.
Wahr ist, jedes Verlassen hat seine eigene Geschichte und zu jedem Konflikt gehören, dann, wenn die Kinder erwachsen geworden sind, zwei Parteien.
Man löst den Konflikt oder man löst ihn nicht. Man versteht einander oder man versteht einander nicht. Man sucht einen Weg um zu verzeihen oder man verzeiht nicht. Man bleibt oder man trennt sich.
Eine Trennung ist oft dann der Weg, wenn das, was einem angetan wurde, so schmerzhaft, kränkend und unmenschlich war, dass es unheilsam, unerträglich und unverzeihlich ist. Dann ist sie notwendig und sinnvoll um sich selbst zu schützen und sich zu heilen. Oder es gelingt zu verzeihen und man beendet die Beziehung dennoch, weil verzeihen nicht bedeutet, es gut zu heißen und dass man weiter in der Beziehung bleiben muss.
Manche Trennungen wären vermeidbar und sie schaffen vermeidbares Leid.
Sie werden nicht selten vollzogen, weil nicht ehrlich und nicht genug geredet wurde. Sie werden vollzogen, weil Verletzungen nicht verarbeitet werden. Sie werden vollzogen, weil der eigene Anteil nicht erkannt und nicht anerkannt wird. Sie werden vollzogen, weil urteilen und verurteilen sich mehr Raum schafft, als Verstehen und Mitgefühl. Sie werde vollzogen, weil verzeihen und versöhnen nicht gelingt.
Und so werden Opfer zu Tätern.
Die Gründe für Trennungen sind so vielfältig und komplex wie es Menschen gibt.
Jede Trennungseschichte ist so individuell wie die Biografie und der Charakter der Menschen, die sie vollziehen. Keinem steht es zu von außen den Richter zu spielen.
Nicht nur Eltern formen Kinder, die Peergroup, die Schule, die Gesellschaft, die Gene und individuellen Anlagen formen Kinder. Auch da kann vieles falsch laufen, was dann als Schuld auf die Eltern projiziert wird.
Eltern waren auch einmal Kinder. Auch sie hatten Eltern, die etwas falsch gemacht haben. Sie waren Opfer und wurden zu Tätern an ihren eigenen Kindern.
Und so geht es weiter über Generationen, wenn die Urwunden nicht geheilt werden.
Urteilen ist leicht, verstehen ist schwer.
Ich bin für das Verstehen. Immer. Ich habe Mitgefühl, auch mit denen, die Fehler begangen haben.
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