Donnerstag, 20. September 2018

So einfach und doch so schwierig

Foto: A. Wende

"So einfach und doch so schwierig."
Ich lese diesen oder ähnliche Kommentare häufig unter meinen Texten.

Ja so ist es. Es ist so einfach und es ist auch so schwierig.
Nur warum ist es so schwierig all das Wissen darüber wie es uns besser gehen könnte umzusetzen?
Logisch wäre doch – ich weiß wie es geht und tue es, damit es mir besser geht, als es mir geht.
Woran scheitert es schon im Ansatz?

Menschen sträuben sich gegen Veränderungen jeder Art. Dieses Sträuben ist in uns allen angelegt, es ist sozusagen Teil unserer Natur – der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Was wir kennen und was wir gewohnt sind gibt uns ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit, auch dann wenn es uns frustriert oder sogar unglücklich macht. Es scheint, dass das Festhalten an Vertrautem uns mehr Überlebensvorteil bietet als das Eingehen eines Risikos mit unbekannten Folgen. Es ist also eine menschliche Gewohnheit Dinge und Situationen festzuhalten, die bekannt und vertraut sind. Nicht loslassen zu können bedeutet, da ist Verlustangst im Spiel. Diese Angst ist eine sehr alte Angst, denn das Gefühl des Verlustes trägt Spuren der Vergangenheit in sich, wie jedes Gefühl übrigens. Die Angst vor Veränderung, die immer auch Verluste bedeutet, bildet eine Schutzfunktion, die uns vor einem möglichen Scheitern, vor Enttäuschungen oder vor Verletzungen bewahren soll. Verständlich, aber in manchen Fällen sehr hinderlich.

Angst ist ein starkes Gefühl. Vielleicht sogar das stärkste Gefühl überhaupt. Während meiner jahrelangen Arbeit mit Menschen habe ich den Eindruck bekommen, dass die Angst stärker ist als die Liebe zu uns selbst und zu anderen.
Wer Angst hat hält sich an allem fest, was er kennt. Das erklärt auch warum Menschen oft bis an ihr Lebensende am Leiden festhalten, eben weil sie es kennen. Es ist ein vertrautes Gefühl und sie wissen wie sie in ihrem Leid denken fühlen und sich verhalten müssen, sie haben sich schließlich jahrelang darin geübt und in ihrem Leidraum eingerichtet. Sie halten es dort aus und man wundert sich warum, und wenn man sie fragen würde, man bekäme keine Antwort, außer vielleicht: „Ich kenne es ja nicht anders“. Genau: Bekanntes schafft Sicherheit. So banal ist das.

Ein weiterer Grund weshalb Veränderung so schwer ist, ist das Wegsehen von dem was ungut ist.
„Nicht das Wegsehen, sondern das Hinsehen macht die Seele frei“, schreibt der Philosoph Theodor Litt. Er hat Recht, nur indem wir hinsehen können wir erkennen was mit uns ist, nur durch hinsehen können wir mit dem arbeiten was wir sehen und dann verarbeiten, was wir sehen. Leider aber fehlt es bei vielen Menschen an der Bereitschaft hinsehen zu wollen, denn auch das macht Angst. Dann könnte man nämlich sehen, was da alles im Argen liegt und das tut weh. Wehtun soll es nicht. Hierbei geht es um Schmerzvermeidung.

Letztlich geht es bei jedem „Das ist so schwer“ einzig allein darum: Wir wollen Schmerz vermeiden und darum lassen wir es wie es ist.
Wir wollen um jeden Preis unangenehme Gefühle vermeiden, weil wir glauben sie sind etwas Negatives. Wie paradox, möchte man jetzt meinen, viele von uns haben doch negative Gefühle und ungute Lebensumstände. Oh ja, aber die kennen sie eben schon. Womit wir wieder bei der Macht des Vertrauten und des Gewohnten sind. Veränderung ist auch darum so schwer, weil der Mensch so schwerfällig ist und so wenig Bereitschaft besitzt, sich aus seinem Hamsterrad herauszubewegen. Erst wenn wir Menschen hohen Leidensdruck erleben oder echte Begeisterung für etwas verpüren, kommt der Antrieb etwas anders zu machen als wir es schon immer machen. Um alte Muster und Gewohnheiten zugunsten neuer Muster und neuer Gewohnheiten aufzugeben und Neues zu erlernen braucht es eine dieser beiden inneren Motivationen.
Aber es gibt es auch diejenigen unter uns, die keine dieser Motivationen brauchen. Das sind die, die mutig sind. Es sind die, die wissen: Mut bedeutet die Dinge zu tun, die sinnvoll und notwendig sind, obwohl man Angst hat und diese Dinge zu wagen und tun, mit und trotz der Angst.
Mögen es mehr davon werden.

Namaste Ihr Lieben


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