du musst. ständig ist diese stimme im kopf, du musst. was muss ich müssen?, frage ich sie. sie antwortet ein bisschen weniger massiv, als ich sie gerade eben gehört habe: du musst funktionieren, arbeiten, dein leben organisieren, sein wie alle normalen leute, dich bemühen und was anständiges machen, viel geld verdienen, erfolg haben, was schaffen, was richtiges schaffen vor allem. kunst ist nichts richtiges, siehste doch, dass das nichts bringt, wann kapierst du das denn endlich? ich nicke schuldbewusst und trinke schluckweise schwarztee, den ich seit einer woche trinke, der mir nicht schmeckt, weil ich viel lieber kaffee trinke, aber das geht seit einer woche nicht, weil ich gastritis habe und nichts mehr normales verdauen kann, so was normales wie kaffee mit viel milch drin, zum beispiel. ich stecke mir eine zigarette an, wenn schon kein kaffee, dann eine rauchen, das ist dann wenigstens ein kleiner genuss zu dem labbrigen schwarztee, der mir aus dem hals heraushängt wie die übelkeit, die aus meinem bauch über meine speiseröhre in den mund kriecht und mir die sommertage versauert. ich rauche und denke, ich habe es satt, dieses müssen müssen und dass es mich keinen deut weiter bringt, schuldbewusst zu nicken, wenn die stimme mich zum tausendsten mal ermahnt.
ich will nichts mehr müssen, halte ich der stimme entgegen, die gerade zu einem lauten, das denkst auch nur du, anhebt. schnauze, sage ich, zugegeben es klingt ziemlich kleinlaut. ich ziehe den rauch in meine lunge, die wahrscheinlich genauso so grau ist wie mein gesicht heute morgen, weil ich vor magenschmerzen wieder nicht gut schlafen konnte. drauf geschissen, wer braucht schon schlaf. schlafen kannst du wenn du tot bist. dann musst du nichts mehr müssen, denke ich, und dass das auch der einzige vorteil am totsein ist, endlich ruhe im kopf und nichts mehr müssen.
wer redet dir das eigentlich ein und wie lange schon redet wer dir das ein, dass du musst, was du nicht müssen willst, frage ich mich und drücke die kippe in den noch jungfräulichen aschenbecher. also ich kann das nicht sein, sonst würde ich mich dagegen nicht so vehement wehren und meinem magen ginge es vielleicht auch besser. ich habe mein leben lang müssen müssen, da hatte ich gar keine andere wahl. wenn ich zurückblicke, gut getan hat mir das nicht wirklich, weil ich mit dem ewigen müssen auf der strecke geblieben bin. die anderen haben das natürlich nicht gemerkt, die müssen ja auch und die denken vielleicht auch nicht drüber nach, was sie alles zu müssen glauben und machen es einfach, so wie ich es auch gemacht habe, weil, es war eben so, und was eben so ist, darüber denkt man dann eben auch nicht nach. aber ich denke nach, schon eine ganze zeitlang denke ich nach. leider bleibt es beim denken, denn die stimme denkt auch und behauptet recht zu haben und verdammt, die kommt nicht von mir, ich weiß es ganz sicher. ich denke nur, dass sie von mir kommt und das gibt ihr die macht über mich. ich werde sie entmachten, beschließe ich und nippe am schwarztee, der in meinem magen ein lautes gurgeln verursacht, aber nichts besser macht. kein wunder, mit deinem kaputten magen musst du kamillentee trinken, das weiß doch jedes kind, meckert die stimme und ich sehe den erhobenen zeigefinger und den vorwurfsvollen blick meiner mutter. oha, jetzt weiß ich, woher die stimme kommt. weißt du was, sage ich, du hast keine ahnung, ich bin allergisch gegen kamillenblüten und ausserdem, ich muss gar nichts, nur weil du das meinst.
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