Foto: A.Wende
Wir können vieles nicht kontrollieren und wir haben keine Macht über andere Menschen, egal was wir tun. Auch wenn wir unser Bestes geben, machen wir alle Erfahrungen im Leben, die wir uns nicht aussuchen. Es gibt sogar jede Menge Erfahrungen, die wir uns nicht aussuchen, dazu gehören auch die, die uns tief verletzen und die schmerzhaften. Solche Erfahrungen können uns, noch lange nachdem sie vorbei sind, schwer belasten. Was uns einmal den Boden unter den Füßen weggezogen hat, vergessen wir so schnell nicht. Tiefe Kränkungen und tiefe Enttäuschungen graben sich ein. Und sie verändern uns – unsere Haltung zur Welt, zu anderen und zu uns selbst.
Besonders tiefe Kränkungen stellen Wesentliches in Frage.
Unser Hirn und unsere Seele versuchen wieder und wieder irgendwie damit fertig zu werden, aber es gelingt nicht – die schmerzhafte Erfahrung der Vergangenheit hat uns im Griff und überlagert unser Jetzt. Schon am Morgen, wenn wir aufstehen, fühlen wir Schmerz, Trauer oder Wut. Diese Gefühle begleiten im schlimmsten Falle unsere Tage.
So lebt es sich schlecht. Und es geht uns schlecht.
Wir sind nicht fähig loszulassen. Wir werden mit dem, was geschehen ist, einfach nicht fertig, so sehr wir uns auch bemühen.
Vergiss es einfach! Lass endlich los! Mach einen Punkt! Was war ist vorbei. Du kannst es nicht ändern! Schau nicht zurück, es könnte dich etwas einholen!
All das sind Sprüche, die wahr sind, aber wir fühlen es nicht.
Für uns ist es nicht vorbei, wir müssen damit leben. Wir schauen zurück, auch wenn wir wissen, es ist sinnlos, weil es ja nichts ändert. Es schadet uns nur.
Ja, es ist sinnlos, aber wir können eins tun – wir können uns selbst fragen welchen Sinn wir dem, was geschehen ist, geben wollen. Sinngebung ist elementar wichtig für ein erfülltes, gelingendes Leben. Wenn wir das, was wir tun, als sinnhaft empfinden, sind wir zufrieden. Sinnhaftigkeit ist ein Lebensmotor und genau diese Sinnhaftigkeit kann uns helfen uns von den schmerzhaften Erfahrungen der Vergangenheit zu lösen.
Wir Menschen sind Sinnsucher und wir sind Sinngeber.
Wir können uns fragen, welchen Sinn wir dieser Erfahrung geben wollen. Auch wenn der erste Impuls ist – das war so sinnlos!
Sinngebung hat nichts damit zu tun ob es sinnvoll oder sinnlos war, Sinngebung hängt allein davon ab, wie wir die Dinge deuten und welchen Sinn wir selbst den Dingen geben wollen.
Das ist Schöpfertum.
Wir gestalten Sinn – darin liegt eine große Freiheit.
Jede Erfahrung kann uns etwas lehren, etwas erkennen lassen, etwas aufdecken, was uns nicht bewusst war, uns weiterbringen. Jede Erfahrung, auch die scheinbar Sinnloseste und Schmerzhafteste, birgt großes Wachstums- und Weiterentwicklungspotenzial, auch wenn wir gerne auf sie verzichtet hätten.
Wir können uns fragen:
Welchen Sinn will ich dieser Erfahrung geben?
Was kann sie mich lehren?
Über mich selbst, über andere, über das Leben?
Was in mir kann an dieser Erfahrung wachsen?
Was ist das Wesentliche, das ich erkenne, was ich ohne diese Erfahrung niemals erkannt hätte?
Was mache ich bewusst anders nach dieser Erfahrung?
Welche Kräfte hat sie in mir freigesetzt?
Welche Stärken habe ich in mir entdeckt oder entwickelt?
Wie will ich diese Erfahrung in mein Leben integrieren?
Sinngebung bedeutet, wir begeben uns raus aus der Opferrolle.
Wir schenken uns selbst Mitgefühl, Respekt und liebende Güte, wir werden kreativ und finden eine Lösung, um uns bewusst zu lösen, von dem, was uns in der Vergangenheit festhält.Wir würdigen uns selbst dafür, dass wir das Schmerzhafte durchgestanden haben und daran wachsen wollen – trotzdem, nein gerade wegen dem.
Wir geben dem Sinnlosen Sinn.
Wir nehmen ihm die Macht über unser Jetzt - das ist Selbstermächtigung.
Angelika Wende
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