Malerei: Angelika Wende |
Ist das wirklich wahr?
Die große Frage, was die Wahrheit ist, hat die Menschen und damit auch die Philosophen aller Zeiten schon immer beschäftigt. Die meisten werden wohl mit Aristoteles übereinstimmen, der meinte, dass etwas, das von der Welt sagt, sie sei so und so, wahr ist, wenn die Welt auch wirklich so und so ist. Für Aristoteles ergab sich Wahrheit weiterhin daraus, dass viele Menchen mit einer Meinung oder einer Annahme übereinstimmen. Wenn also genügend Leute daran glauben, ist etwas wahr? Die Geschichte liefert haufenweise Beweise, dass die Masse nicht für die Tauglichkeit der allgemeingültigen Wahrheit prädestiniert ist. Was wäre Millionen von Menschen erspart geblieben, ohne die ins Verderben treibende Wahrheit Adolf Hitlers, mit der die Mehrzahl des deutschen Volkes übereinstimmte?
Wahrheiten auf die sich die Masse einigt, erzeugen allerdings Wirklichkeit. Es stellt sich nun aber wiederum als äußerst schwierig heraus genau zu sagen, was denn Wirklichkeit ist. Und schon haben wir das nächste Problem mit der Wahrheit
Was also ist wirklich wahr? Manche Theorien behaupten, dass Wahrheit in Kohärenz oder in Konsens besteht. Das bedeutet: Eine Aussage ist wahr, wenn sie keine inneren Widersprüche aufweist oder wenn Experten sich einig sind, dass sie wahr ist. Das ist wohl wahr. Würden wir diese Wahrheit anzweifeln, würden wir damit alle Erkenntnisse der Naturwissenschaften über den Haufen werfen und die Erde könnte dann ja doch eine Scheibe sein, weil ja nichts wirklich wahr ist. Auch die Medizin wäre auf verlorenem Posten. Aber Hand aufs Herz, wer würde die Wahrheit einer Herzerkrankung leugnen, die definitiv festgestellt wurde und nach den Wahrheiten der Medizin behandelt wird? In der Tat, es gibt also Wahrheiten. Der Spruch, dass nichts wahr ist, den so manche vermeintlich ganz Schlaue immer wieder gerne benutzen um die Wahrheit anderer in Frage zu stellen, sich aber keine Mühe machen diese Aussage überzeugend zu begründen, nach dem Motto: Hauptsache ich sage was, was die Wahrheit des anderen in Frage stellt, ist damit nicht wahr.
Natürlich gibt es Wahrheiten und natürlich gibt es eine Wirklichkeit in der wir leben, die wir jeden Tag spüren und sehen können und in der wir uns bewegen müssen um zu leben, unser Geld zu verdienen, unsere Wege von A nach B zu gehen, unsere Kinder zu erziehen, eine Reise zu buchen und so weiter. Was allerdings nicht heißt, dass nicht ein Jeder seine eigene Wahrnehmung und damit seine eigene Wahrheit über sich selbst, seine Mitmenschen und das Leben besitzt.
Für jeden ist die Wahrheit und damit die eigene Welt so beschaffen, wie er sie ob seiner Erfahrungen, seiner Konditionierungen und seiner Biografie sehen kann und über den Filter seiner ganz persönlichen Wahrnehmung aufnimmt und beurteilt. Können wir deshalb Wahrheit als Richtigkeit verstehen? Sicher nicht, sondern vielmehr ist sie eine innere Norm, nach der Menschen sich ausrichten und ihr Leben gestaleten. Unsere inneren Wahrheiten sind etwas Relatives und sie sind damit nicht unfehlbar. Wahrheit und Unfehlbarkeit sind zwei völlig verschiedene Dinge, denn unfehlbar bin ich auch dann nicht, wenn ich Recht habe, denn ich habe die Wahrheit nicht gepachtet.
Ein anderer hat die seine und wenn er sie mir ausreichend erklärt und begründet, ist meine Akzeptanz seiner persönlichen Wahrheit mein Eingeständnis, die Wahrheit nicht gepachtet zu haben, sondern sie eben nur als die meine zu besitzen. Das zeugt von Respekt und Wertschätzung. Übrigens, emotionale und geistige Mangelware in heutigen Zeiten. Hingegen gibt es das Phänomen, dass die Wahrheiten anderer nicht einmal überdacht werden, bevor sie vehement abgelehnt oder gar angegriffen werden. In Sekundenschnelle werden Reizwörter dazu benutzt um die Wahrheit des Anderen anzufeinden und die eigene Wahrheit dagegen zu setzen, ohne sich überhaupt die Mühe zu machen erst einmal zu überdenken, was da von einem selbst überhaupt in der ganzen Komplexität wahrgenommen wird.
Zwischen Reiz und Rektion liegt ein Raum, sagte einst Victor Frankl. Er würde sich wundern, wie winzig klein dieser Raum im digitalen Zeitalter geworden ist, so winzig, das für echte Kommunikation kaum mehr Raum bleibt. Jeder ist eine Insel. Jeder hat seine Wahrheit. Und jeder hat das Recht sie zu fühlen, zu denken, nach ihr zu handeln und sie auszusprechen. Sogar wenn sie Werten auf die sich Menschen geeinigt haben, widerspricht. Er muss sich nur bewusst darüber sein, dass er die Konsequenzen zu tragen hat.
Jeder hat seine Wahrheit und die brauchen wir auch. Unsere innere Wahrheit formiert unsere Identität. Sie schafft, ob der Bodenlosigkeit des Daseins ein Fundament auf dem wir gehen können, auch wenn die menschliche Existenz und das Leben instabil sind. Meine persönliche Wahrheit gestattet mir der Mensch zu sein, der ich geworden bin. Das heißt nicht, dass sie eine unveränderbare statische Sache ist. Innere Wahrheiten können sich ändern. Kluge Menschen verfügen über eine achtsame Wahrnehmung, die weit ist und offen für das Mögliche, ebenso wie für das Unmögliche. Kluge Menschen ändern ihre Wahrheiten gar bisweilen, dann nämlich wenn ihnen das Leben neue Erkenntnisse geschenkt hat. Und vor allem: Kluge Menschen greifen andere nicht für deren Wahrheiten an, weil sie um die Relativität der Wahrheit wissen.
ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber ich fand diesen Gedanken aufbauend und er klang etwa so:
AntwortenLöschenWirklichkeit (oder wahr) ist nur, was von dir aus deinem schöpferischen Geist heraus hier und jetzt hervorgebracht wird
Alles Gute und liebe Grüße
danke
LöschenAchte gut auf diesen Tag,
AntwortenLöschendenn er ist das Leben –
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf liegt alle seine
Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens,
die Größe der Tat,
die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das Heute jedoch, recht gelebt,
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glück
und jedes Morgen
zu einer Vision voller Hoffnung.
Darum achte gut auf diesen Tag.
Dschalal ad-Din Muhammad Rumi
ja!
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