Dienstag, 2. Januar 2018
Sich-Geschehen-Lassen
Was gehört zu mir, und was nicht?
Wer bin ich?
Was ist mein Selbst?
Gute Fragen, schwere Fragen.
Fragen, die ich in der Praxis oft höre.
Fragen, die je nach Lehrbuch und Konstruktionen vielerlei Antworten finden.
Worum geht es wenn diese Fragen auftauchen?
Es geht darum uns zu verstehen, warum ich bin wie ich bin. Zu wissen, warum ich so und nicht anders bin. Zu wissen, was mich ausmacht. Zu wissen, was ich will. Zu wissen, wer ich selbst bin?
Wer ist das denn, dieses wahre Selbst?
Die Psychoanalyse ist voll von Konstruktionen über das was es ist, dieses Selbst, jedoch, keiner hat es je gesehen und alles was wir darüber lesen können sind Erfahrungen, Gedanken und Thesen kluger Menschen.
Dieses Selbst ist ein so hochgehängter Begriff, der was eigentlich erklären soll?
Wer ich wirklich bin, wenn ich alles abschäle, was da in mir haust an Teilpersönlichkeiten, an Bewusstem und Unbewusstem. Das Selbst ist im Grunde nichts anderes als die Mitte unserer Persönlichkeit, um es einmal ganz einfach zu sagen. Es ist der Teil in uns, der da ist seit Anbeginn an, als noch keiner an uns herumgebogen und gezogen oder sonstwas mit uns gemacht hat. Wie er war, daran erinnere ich mich nicht. Jemand von Euch etwa?
Das Selbst ist ein numinoses Etwas an das ich im Laufe der fortschreitenden Entwicklung nicht mehr herankomme oder nur sehr schwer. Es ist der Teil, den wir alle, die auf dem Weg sind, suchen.
Und trotz Suchens finden wir ihn nicht oder wir bekommen eine leiese Ahnung oder wir verlieren ihn immer wieder oder immer mehr.
Wie wäre es damit?
Ich bin das Ganze.
Ich bin das Ganze, auch wenn ich es nicht exakt definieren und analysieren kann.
Ich muss das auch nicht. Es genügt mich zu fühlen und zwar als Ganzes.
Denn genau dann, wenn ich das kann und zulasse was ich da alles fühle, komme ich zur gefühlten Erkenntnis, dass sich da zwar eine ursprüngliche Einheit meiner Psyche in Teilaspekte aufgliedert, sich dann aber wieder zu einem komplexen System zusammenfügt - zur Ganzheit nämlich.
Bevor wir also verbissen zu diesem Selbst hinstreben, wäre es doch sinnvoller zu fühlen, wer wir im Ganzen sind, mit allem, was wir sind und mit allem was uns ausmacht. Wer wir sind mitsamt den eigenen Möglichkeiten und mitsamt den eigenen Schwierigkeiten.
Das ist ein wichtiger Schritt hin zu uns selbst, sprich zum Sich-Selbst-Annehmen.
Das Werden zu dem, der ich bin, ist im Grunde gar nicht so schwer, wenn ich mich selbst annehmen kann, denn dieses Sich-Annehmen hat viel damit zu tun sich geschehen zu lassen.
Sich-Geschehen-Lassen.
Und das bedeutet nicht der total entspannte, vor Gelassenheit strotzende, glückliche Mensch zu sein, der keine Probleme mehr hat. Das Werden zu dem, der wir sind, heißt nicht, dass wir keine Schwierigkeiten mehr haben und keine Neurosen mehr und keine Ängste mehr oder dass wir unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit ein für alle Mal erlöst haben: Es bedeutet nichts anderes als sich selbst wahrzunehmen mit allen Aspekten der eigenen Persönlichkeit und diese zu integrieren, anstatt sie abzuspalten. Das bedeutet auch: Es geht nicht darum, Gefühle zu bekämpfen, zu verdrängen, zu dissoziieren, sondern darum einen Weg zu finden, mit ihnen präsent zu sein.
Das verstehe ich unter einem menschlichen Reifungsprozess.
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