Mittwoch, 3. Februar 2016
Dieses stark sein ...
"Ich fühle mich wie ein alter Ackergaul, ausgelaugt, krumm und buckelig, schwer und müde, sagte sie. Ich bin so unendlich müde vom Kämpfen, ich will mich ausruhen, aber es geht nicht, ich darf mich nicht ausruhen. Wenn ich mich ausruhe bricht alles zusammen. Ich muss für uns sorgen, für mich und mein Kind. Ich bin allein, ich war immer allein mit dem Kind. Der Vater hat sich nicht gekümmert, er hat uns allein gelassen, alles mir überlassen. Jetzt auch. Jetzt wo ich so müde bin, sind wir wieder allein und ich weiß nicht mehr wie ich weiter machen soll. Ich bin so müde. Ich kann nicht mehr!"
Ich hätte ihr sagen können wie stark sie ist, ihr sagen können wie stark sie all die Jahre gewesen war und dass sie da hinschauen soll, auf das, was sie schon alles geschafft hat und auf ihre Kraft und daraus neue Kraft schöpfen könne. Ich hätte ihr Mut machen können, ihr sagen können, dass Aufgeben keine Option ist, dass sie sich nicht aufgeben sollte, sich nicht in diesen müden Gedanken verfangen durfte, die müde Gefühle machen und dass es nur eine vorrübergehenede Schwäche war, gegen die wir gemeinsam etwas tun konnten.
Ich tat es nicht, weil es eine Lüge gewesen wäre. Ich tat es nicht, weil ich ihre Wahrheit sah. Die Frau war müde. So müde, dass jede Intervention nur einen weiteren Kraftakt für sie bedeutet hätte. Sie war so müde, dass sie kurz vor dem Umfallen stand. Sie war so unsagbar müde, dass ihr nur noch ein Wunder helfen konnte.
Ich war ratlos. Ich wusste nicht wie ich ihr helfen konnte. Ich wusste, jedes aufmunternde Wort wäre blanker Hohn gegenüber ihre müden Seele und ihren müden Körper gewesen. Ich sah ihr in die blassen Augen: "Ja, sie sind müde. Ich sehe es, ich fühle es und es tut mir leid." Ich nahm sie in die Arme. Die Frau ließ sich halten wie ein erschöpftes Kind. In jeder Faser meines Körpers spürte ich ihre Schwäche zu mir hin kriechen: "Wissen Sie, sagte sie unter Tränen: "Am meisten schwächt dieses stark sein."
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