Jede
Sucht ist ein Zustand des Verstandes, der aus der tief verwurzelten
Überzeugung kommt: Du kannst ohne dein Suchtmittel nicht leben. Sinn und
Zweck jeder Sucht ist, das gesamte Erleben oder Teile des Erlebens zu
betäuben und schließlich auszulöschen. Sucht ist eine physische
Repräsentation all dessen, womit der Süchtige nichts zu schaffen haben
will und für das er nicht die Verantwortung übernehmen will. Stattdessen wird alles betäubt, was er nicht fühlen, nicht sehen, nicht erleben und nicht wahrhaben will.
Der Prozess des Süchtigwerdens vollzieht sich schleichend.
Die
Verantwortung für das eigene Erleben wird nicht übernommen. Sie wird
auf das Suchtmittel übertragen. So wird nach und nach eine Überzeugung
bezüglich des Suchtmittels geschaffen um dessen Gebrauch zu
rechtfertigen. Das Suchtmittel übernimmt die Kontrolle über das Erleben.
Sucht wird durch das Bedürfnis Recht zu haben manifestiert. Die Sucht übernimmt die alleinige Macht über das Leben. Die
Eigenmacht wird abgegeben. Der Mensch ist vollends mit der Sucht
identifiziert. Er ist jetzt Opfer der Sucht und für nichts mehr
verantwortlich.
Die Einsicht des Süchtigen ist eine sehr dünne Membran – und sie ist alkohollöslich
Einsicht beim Süchtigen bedeutet nichts und doch lassen sich viele Co-abhängige immer wieder davon beeindrucken und wollen glauben, dass sich damit etwas ändert. Sie bleiben jahrelang oder sogar ein Leben lang Gefangene des eigenen Unvermögens „Nein“ zu sagen, zu einem Menschen, der sein komplettes Leben und das ihre mit seiner Sucht zerstört - trotz Einsicht.
Co-abhängige verstehen, verzeihen, entschuldigen, trösten, helfen, unterstützen, rechtfertigen, sie tun alles um sich selbst nicht die Hoffnung zu nehmen, dass es doch eines Tages besser wird und der Süchtige zur Einsicht kommt.
Die Einsicht kommt oft. „Ich versuche es ja“, kommt oft.
Und die Co-abhängigen hoffen weiter.
Hoffnung, in diesem Falle, ist bluten. Sinnlose Hoffnung blutet aus.
Sie kostet ungeheure Kraft und verbrennt Lebensenergie und am Ende das eigene Selbst.
Einsicht bei einem Süchtigen bedeutet rein gar nichts.
Es ist nur eine weitere Falle der Manipulation, die Süchtige perfekt beherrschen um den anderen bei der Stange und im Suchtsystem zu halten. Und der Co-abhängige tappt hinein.
Blind für die Wahrheit, die er eigentlich auch gar nicht sehen will, denn würde er sie sehen wollen, würde er begreifen, dass sein Bleiben das Suchtsystem nur weiter aufrecht hält und nichts verändert. Er ist weiter verstrickt.
Er will nicht begreifen: Der Einzige der seine Sucht stoppen kann ist der Süchtige selbst. Und zwar indem er selbst die Verantwortung übernimmt und etwas dagegen tut. Kein anderer kann das für ihn tun.
Hör auf zu sagen, du wirst es versuchen. Tu es oder lass es!
Es wird nichts getan. Es bleibt beim Wort „versuchen“.
Es wird weiter der Sucht gefrönt, einfach, weil der Süchtige süchtig ist.
Es gibt keinen anderen Grund.
Er hat tausend Gründe seine Sucht zu erklären und zu rechtfertigen, aber es gibt in Wahrheit nur einen einzigen: Er ist jetzt süchtig.
Es ist auch vollkommen egal warum und wieso. Es spielt auch keine Rolle warum und wieso er dahin kam. Kein „Warum“ ändert den Ist-Zustand, im Gegenteil - jedes Warum ist eine weitere Rechtfertigung um nicht aufzuhören und um den Co-abhängigen weiter an der Nase herumzuführen.
Soviel zur Einsicht des Süchtigen.
Es ist unerträglich dabei zusehen zu müssen, wie sich ein geliebter Mensch durch seine Sucht zerstört. Es ist die Erfahrung totaler schmerzhafter Ohnmacht. Ich habe es erfahren. Und ich habe lange Zeit vollkommen überfühlt, dass ich auch dabei zusehe, wie ich mich selbst durch meine Co-abhängigkeit zerstöre.
Und irgendwann kam meine Einsicht:
Einsichtige Worte, denen keine Taten folgen, sind die Fesseln meiner Verstrickung. Sie haben mit der Realität nichts zu tun. Ich begriff, dass ich gehen muss um mein Leben zu retten.
Die Einsicht des Süchtigen ist eine sehr dünne Membran – und sie ist alkohollöslich.
Die Einsicht des Co-abhängigen ist Ernüchterung.
Diese Ernüchterung ist erste Schritt um die zerstörerische Verstrickung zu lösen.
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