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Ich schäme mich, ich bin so traurig, wenn ich an meine Kindheit denke, dass ich vor Selbstmitleid zerfließe.
Diese Worte, sagte eine Klientin.
Viele von uns schämen sich, wenn sie Selbstmitleid empfinden. Selbstmitleid ist etwas, was sich nicht gehört, was abgelehnt wird. Dann kommen Sprüche wie: Selbstmitleid ist erbärmlich, schwach, würdelos. Komm ins Selbstmitgefühl!
Ich sehe das anders.
Es ist vollkommen okay mit sich selbst Mitleid zu haben. Wir leiden ja in diesen Momenten an uns selbst. Wofür also sollten wir uns schämen? Wofür uns schuldig fühlen, weil wir dieses Leid fühlen und ihm Raum und Ausdruck geben?
Wer sagt das?
Ich wünsche mir, dass Sie vergessen, was man ihnen über Selbstmitleid erzählt hat, bitte ich meine Klientin. Es ist vollkommen okay, dass sie das kleine Mädchen, das sie waren, bemitleiden. Sie erwarten ja nicht, dass jemand anderes ihnen das Gefühl abnimmt. Sie fühlen es. Sie be-mit-leiden den Teil in ihnen, der gelitten hat. Sie sind mit ihm, fühlen mit ihm, verbunden durch ihr Selbstmitleid. Sie betrauern dieses Kind in sich selbst, das leiden musste. Selbstmitleid setzt diese Trauer frei. Endlich darf sie fließen. Das ist Teil ihrer Genesung.
Wenn wir uns krampfhaft bemühen kein Mitleid mit uns selbst zu haben, betrügen wir uns selbst. Wir betrügen uns um das Recht unsere Kindheit zu betrauern. Unser Inneres Kind bleibt genauso allein und verlassen wie es damals war. Unterdrückte Trauer verstopft den Kanal, den wir öffnen müssen, um zu genesen. Gefühle wie Selbstmitleid und Trauer müssen ausgedrückt werden, um uns nicht weiter selbst so mies zu behandeln wie man uns als Kind behandelt hat. Gesundes Selbstmitleid heißt nicht: ich gebe die Verantwortung ab. Es heißt vielmehr: ich erlaube mir mitleidend mit mir zu sein und mich dann zu trösten, indem ich schaue, was ich brauche, damit mein Leiden kleiner wird.
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