Mittwoch, 29. März 2023

Innere Freiheit

 

                                                                     Foto: www

Was, wenn man sich in sich selbst nicht zu Hause fühlt? Wenn man in sich keinen sicheren Ort findet, der Geborgenheit bietet?
Dann ist man abhängig vom Außen und immer auf der Suche.
Ich will damit nicht sagen, dass wir andere nicht brauchen. Wir brauchen Verbundenheit, wir brauchen Beziehungen, wir brauchen aber auch Verbundenheit mit uns selbst und eine sichere Beziehung mit und zu uns selbst. Nur dann sind wir innerlich frei und treffen freie Entscheidungen.
Das größte Hindernis um zur inneren Freiheit zu gelangen sind wir selbst. Unser größter Feind sind wir selbst. Leidvoll wird es immer dann, wenn wir uns selbst verleugnen. Das heißt auch – wir selbst haben den Schlüssel zur inneren Freiheit in der Hand.
 
Um innere Freiheit zu erlangen, muss man sich erst selbst kennenlernen. Und man muss sich selbst aushalten können.  
Wer das kann, muss nicht mehr vor sich selbst davonlaufen. Er kann sich aushalten mit allem, was ihn ausmacht, mit all den inneren Konflikten, den Spannungen, den belastenden Gefühlen, mit seinen Ängsten und Sorgen, seinen Sehnsüchten und Bedürfnissen. Er ist Herr seiner selbst. 
 Wie oft denken wir, wir müssen in Kontakt sein, am besten ständig, wir denken, wir brauchen einen Partner um ganz zu sein, wir denken, wir müssen etwas tun, uns mit etwas beschäftigen, nur um nicht mit der Stille im Raum konfrontiert zu werden, wenn wir allein sind. Wir drehen das Radio auf, hören einen Podcast, berieseln uns mit Musik, ohne bewusst und aufmerksam hinzuhören, wir lassen den Fernseher laufen, nur um die Stille zu übertönen. 
 
Wir halten die Stille nicht aus, weil wir uns selbst nicht aushalten.
Nicht das Alleinsein für längere Zeit und noch schwerer das Gefühl von Einsamkeit. Alleine sein ist noch kein Problem, einsam sein ist ein Problem. Doch in der Einsamkeit steckt ein großes Potenzial. Das Potenzial sind wir selbst. Dafür benötigen wir den Mut und die Kraft uns selbst zum Thema zu machen. Damit geben wir dem Reichtum, den wir in uns selbst entdecken können, eine Chance uns zu finden. Zugegeben, die Stille, das Alleinsein hat seine Tücken. Und die sind nicht ohne. Ich weiß das aus Erfahrung. Wenn wir uns trauen, werden wir mit unseren Schatten Bekanntschaft machen. Mit all dem, was wir nicht fühlen, wenn wir unter Menschen sind, wenn wir beschäftigt und abgelenkt sind und gar keine Zeit haben uns selbst zu spüren, uns unserer selbst gewahr zu sein.
In der Stille können Gefühle von Trauer, Schmerz, Wut, Sehnsucht und all unsere verdrängten Ängste auftauchen. Wir können nichts kompensieren, uns nicht ablenken. Selbst wenn der Fernseher läuft, irgendwann dringen die Stimmen durch, sie werden lauter als das mediale Geblubber.
Wir können nicht mehr weghören. Wir müssen hinhören.
Wir können nichts mehr tun, um unsere Gedanken zu stoppen – wir müssen sie aushalten. 
 
Das Wort „aushalten“ ist ein schweres Wort. Ersetzen wir es durch Hinhören.  
Zu uns hinhören, uns zuhören. Dem in uns, was uns etwas sagen will.
Und wenn wir achtsam hinhören, beginnen wir über uns selbst nachzudenken. Über unsere Identität, unsere Erfahrungen, unsere Erinnerungen, den Weg, den wir bis hierhin gegangen sind.
Plötzlich kommen Fragen wie: Wer bin ich wirklich? Wie stehe ich zu mir selbst und wie zum Leben? Was erwarte ich von mir und dem Leben? Habe ich an mir selbst vorbei gelebt oder habe ich mich selbst verwirklicht, so gut ich es vermochte? Was will ich wirklich? Was will ich noch tun und was erleben, bevor der Vorhang fällt?
Das sind tiefe Fragen, Fragen die sich nicht so leicht beantworten lassen, die uns Angst machen können oder Schmerz bereiten.
 
In der Stille können wir ihnen nicht ausweichen.
Und das ist gut so, finde ich.
Denn nur so kommen wir dort an, wo wir immer sein wollten – bei uns selbst. Ehrlich und aufrichtig, ohne Maske, ohne die Rollen, die wir gespielt haben – nackt und verdammt echt. Ja, auch verletzlich. Es ist okay, denn das sind wir auch. Und trotzdem und gerade deshalb „ja“ zu uns selbst sagen.
In der Stille erkennen wir auf einmal, was im Alltag auf der Strecke geblieben ist, was für Emotionen sich aufgestaut haben, welche Enttäuschungen wir nicht verarbeitet haben, die uns noch immer belasten, weil wir uns nie Zeit dafür genommen haben unsere Biografie anzuschauen, sie zu hinterfragen, sie zu verstehen und sie zu würdigen, uns zu würdigen, dass wir es bis hierhin geschafft haben.
Wir erkennen all die Ablenkungsmanöver, die wir betrieben haben um all das nicht zuzulassen, das da ist, jetzt, wo es keine Ablenkung gibt. 
 
Die Stille ist plötzlich laut. Sie will gehört werden.
Wer sie hört, ihr wirklich zuhört wird einen großen Reichtum in sich finden.
Er wird lernen, sich selbst und seine inneren Spannungen auszuhalten. Er wird lernen, in sich selbst Geborgenheit zu finden, sich in sich selbst zuhause fühlen, an einem sicheren inneren Ort, ganz gleich was im Außen passiert. Er ist ein freier Mensch, der freie selbstbestimmte Entscheidungen trifft, der weiß, was er will und was er nicht will, der Konflikten standhalten kann, weil er sich selbst standhalten gelernt hat. Ein innerlich freier Mensch wird sein wahres Ich kennenlernen und schließlich das Leben gestalten, das zu ihm passt. 
 
"Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen."
Blaise Pascal

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