Mittwoch, 10. März 2021

Aus der Praxis – Resilienz

 

                                                 

Die Lotusblume entspringt aus dem Schlamm. 

 

 

Die einen zerbrechen an Schicksalsschlägen, andere wachsen daran.
Woran liegt das? Da wir Menschen alles verstehen wollen gibt es auch dazu ein psychologisches Konzept: Man nennt es Resilienz.  
In die Welt gerufen wurde es von dem französischen Resilienzforscher Boris Cyrulnik
Der sechsjährige Boris liegt in seinem Bett, als Wehrmachtssoldaten ihre Waffen auf ihn richten. Mit dieser Szene beginnt die Autobiografie Cyrulniks "Rette dich, das Leben ruft".
Cyrulnik verliert seine Eltern im Konzentrationslager. Er wächst in Heimen und in Pflegefamilien auf. Als Erwachsener gründet er eine Familie, wird ein erfolgreicher Wissenschaftler und sagt von sich selbst: Ich bin glücklich. Sein Forschungsgebiet ist das Phänomen, das ihm half: Resilienz.

Das Wort Resilienz kommt aus dem Lateinischen resilire was so viel bedeutet wie - zurückspringen oder abprallen. 

Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Chance für persönliche Entwicklung zu nutzen. Man könnte auch sagen: Resilienz ist die Kraft oder die Fähigkeit eines Menschen in die ursprüngliche Position, Form, Zustand usw zurückkehren zu können, nachdem er verletzt worden ist. Sie ist die Fähigkeit sich von etwas zu erholen was einem schwer zusetzt.

Ein resilienter Mensch ist ein Stehaufmännchen. Menschen mit hoher Resilienz besitzen die Fähigkeit, sich sogar von schweren Schicksalsschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
Der österreichischische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl, der wie durch ein Wunder fünf Jahre Auschwitz und andere Konzentrationslager überlebt hat, schrieb in seinem Buch "Der Mensch auf der Suche nach dem Sinn", dass wir im Grunde das Leben kaum steuern können, dass wir nicht in der Hand haben, was uns geschieht, sehr wohl aber, dass wir entscheiden können, wie wir auf das, was uns geschieht reagieren. Genau darum geht es bei der Resilienz. Ein resilienter Mensch nimmt was ihm geschieht an, im Wissen, dass er die Kraft du die Fähigkeit besitzt Schwierigkeiten und Krisen zu überwinden. Zudem hat er den Willen an diesen Erfahrungen, auch wenn sie schmerzhaft sind, zu wachsen. Im Grunde geht es bei der Resilienz darum schwierigen Ereignissen im Leben mit Flexibilität und Akzeptanz begegnen zu können. Dabei ist es nicht entscheidend was uns wiederfährt, sondern wie wir darauf reagieren und wie wir darüber hinwegkommen. Resilienz ist die innere Widerstandskraft sich vom Leben nicht zerbrechen zu lassen.

Das Leben läuft nicht nach Plan und es ist nicht gerecht.
Und obwohl wir das alle wissen, hoffen die meisten von uns im Stillen, dass es das Leben gut mit uns meint, dass es uns Glück, Gesundheit und Erfolg bescheren möge. Wenn es ganz gut läuft kommen noch der Lebenssinn dazu, eine erfüllende Beziehung und das Gefühl von Sicherheit. Aber - eine der absoluten Sicherheiten im Leben ist: Es gibt keine Sicherheit. Das muss man erst einmal begreifen, ich meine wirklich begreifen. Wenn wir das begriffen haben, werden sich gewisse Erwartungen von selbst erledigen und wir akzeptieren was Leben wirklich ist: Eine Reise durch Höhen und Tiefen.
Ein resilienter Mensch hat das verinnerlicht. Er hat meist schon früh gelernt, zu akzeptieren, dass das Leben eine Mischung aus guten und unguten Erfahrungen ist und genau das macht ihn fähig mit letzteren angemessen umzugehen. Das Leben ist polar und wo das eine ist, ist das andere enthalten: Gesundheit und Krankheit, Erfolg und Scheitern, Liebe und Liebeskummer, Glück und Unglück, Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod. Alle Menschen erfahren dies in ihrem Leben. Manche zerbrechen daran, andere wachsen daran.


Resilienz bedeutet sich mit Gewissheiten anzufinden.
Uns abfinden mit dem, was ist. Zum Beispiel damit, dass wir was vergangen ist, nicht ändern können. Dass wir, was uns verletzt hat nicht ändern können. Dass wir, was wir anderen angetan haben nicht rückgängig machen und vor allem, dass wir Menschen nicht ändern können. Zu akzeptieren was wir nicht ändern können, ist einer der entscheidenden Aspekte wenn es um Resilienz geht. Dazu gehört auch zu akzeptieren, dass es nicht immer und für alles im Leben eine Lösung gibt und nicht auf alle Fragen eine Antwort. Ein resilienter Mensch hat gelernt, dass die Frage nach dem Warum kaum Sinn macht. Er fragt: Wozu ist das gut oder welchen Sinn kann ich dem, was mit geschieht oder mir geschehen ist, geben?

Ein resilienter Mensch besitzt "Selbstwirksamkeitsüberzeugung".
Er lebt im Gefühl, auch schwierige Situationen durch sein Handeln positiv beeinflussen zu können. Er ist in der Lage seine Situation realistisch zu beurteilen. Resiliente Menschen haben die Fähigkeit, sich zu vom Unglück zu distanzieren, anstatt sich überwältigen zu lassen. Sie sind fähig die Beobachterposition einzunehmen, was bedeutet - sie stellen sich gedanklich neben sich, schauen sich die Lage quasi von oben an und handeln dann der Situation angemessen. Das nenne ich Schöpfertum.

Resiliente Menschen wissen auch wann sie etwas nicht alleine schaffen. Sie suchen in einer Situation, die sie überfordert, Hilfe und sind fähig diese auch anzunehmen. Nicht resiliente Menschen zerbrechen nicht selten an ihrem Schmerz und ihrer Trauer, weil sie sich allein gelassen fühlen und vor allem weil sie glauben, alles alleine schaffen zu müssen. Gelingt das nicht, fühlen sie sich dem, was geschieht, hilflos ausgeliefert. Sie zerbrechen letztlich an ihrer eigenen Hilflosigkeit letztlich und nicht an der Krise an sich.

Das Wissen um die Kraft der Selbstwirksamkeit macht stark.

Resiliente Menschen gehen bei schwierigen oder belastenden Situationen davon aus, dass sie diese Situationen durchstehen werden. Mit jeder überstanden Krise wächst das Vertrauen, auch künftige Krisen zu meistern. In belastenden Situationen halten sie länger durch, sie stellen sich dem was ist und versuchen, auch wenn es dauert, die Situation zu meistern, weil sie zuversichtlich an einen guten Ausgang glauben. Sie  sind fähig im Jetzt zu leben und trotz der Krisensituation ihre täglichen Aufgaben zu erfüllen, anstatt in Selbstmitleid und Lähmung zu verfallen und alles fallen zu lassen, was das Leben in der Krise auch noch ausmacht.

 

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist positive Selbstwahrnehmung.

Die Wertschätzung der eigenen Person ist bei resilienten Menschen höher. Das macht sie weitgehend unabhängig von der Anerkennung durch andere. Sie sind sich ihres Wertes und ihrer Fähigkeiten bewusst und brauchen keine Bestätigung von Außen. Sie wissen um ihre Stärken und ihre Schwächen und verurteilen sich nicht für ihre Gefühle, aber sie lassen angenehmen Emotionen mehr Raum als unangenehmen und wissen wie sie auch in Krisenzeiten gut für sich selbst sorgen.

Resiliente Menschen vertrauen auf ihr soziales Netzwerk.

Allein stark sein ist gut. Sich selbst vertrauen ist gut. Zu wissen: Ich muss nicht alles alleine schaffen, ist gut. Wer in Krisenzeiten oder in belastenden Situationen auf ein soziales Netz aus Familie und Freunden zurückgreifen kann, findet Unterstützung. Auch wenn sie nicht in Anspruch genommen wird, trägt allein das Wissen und das Vertrauen - ich könnte Hilfe bekommen, wenn ich darum bitte -  trägt dazu bei, seelische Belastungen und Überforderung zu reduzieren.

 

Resilienz ist bei jedem von uns unterschiedlich stark ausgeprägt.

Die Grundlagen werden in der Kindheit gelegt. Wer als Kind Liebe, Anerkennung, Geborgenheit, Wertschätzung, Ermutigung und Unterstützung erfahren hat, wird psychisch widerstandsfähiger, er ist von Haus aus resilienter. Aber auch wer all das nicht erfahren durfte,  kann auch noch im Erwachsenenalter seine psychische Widerstandsfähigkeit trainieren. Wir können nachreifen, solange wir leben. Und dazu braucht es wie bei jeder Veränderung, die wir anstreben - Bereitschaft, Übung und Geduld mit uns selbst.

 

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