Sonntag, 22. September 2019

Hilfe in traurigen Zeiten



Malerei: Angelika Wende

Trauer und Traurigkeit sind zwar unschöne, aber evolutionsbiologisch und emotional sinnvolle seelische Reaktionen, dennoch gehören sie zu den grundlegenden Emotionen des Menschen. Trauer ist eine natürliche Reaktionen auf einen Verlust. Wir trauern wenn ein geliebter Mensch von uns geht, wir sind traurig, wenn eine Beziehung zerbricht, wenn wir von anderen enttäuscht, verletzt, zurückgewiesen oder abgelehnt werden. Wir sind traurig wenn ein Projekt scheitert oder wenn ein Traum zerbricht. Wir sind traurig wenn wir unseren Job verlieren oder wenn wir aufgrund einer Krankheit eine wichtige Fähigkeit verlieren.
Wir sind traurig, wenn wir eine Illusion loslassen müssen.

Traurigkeit aufgrund solcher Erlebnisse und Erfahrungen ist normal, sie ist ein Zeichen dafür, dass wir seelisch gesund sind. Traurigkeit ist nichts was wir überspielen oder unterdrücken sollten, denn sie ist ein wichtiger Teil des Verarbeitungsprozesses. Sie ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Akzeptanz dessen was ist und die Voraussetzung für einen Neubeginn.

Trauer ist so individuell wie jeder Mensch selbst. Trauer darf nicht bewertet werden. Trauer ist jedoch kein passiver Zustand, der von alleine wieder vergeht. Trauer ist ein aktiver Prozess der inneren Auseinandersetzung, dessen Ziel die Akzeptanz ist. Darum sprechen wir auch von Trauerarbeit. Gelingt diese nicht wird der Mensch verbittert. Verbitterung führt zu Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Interessenverlust,  Schlafstörungen, innerer Lähmung und schneller Ermüdbarkeit. Ein vermindertes Selbstwertgefühl, Gefühle von Schuld oder Wertlosigkeit, destruktive Gedanken und pessimistische Zukunftsperspektiven beherrschen das Denken. Der Mensch isoliert sich und wendet sich von der eigenen Lebendigkeit und somit vom Leben selbst ab. Er resigniert und im Zweifel verzweifelt er. Dann bekommt die Trauer Krankheitswert. Sie führt zu Depressionen, Angsterkrankungen. Im schlimmsten Falle kann unbewältigte Trauer zum Suizid führen.

Aber um diese Trauer geht es mir heute nicht.
Es geht mir um die Traurigkeit, die uns alle hin und wieder überfällt, wenn wir etwas was uns wertvolle und wichtig ist verlieren.

Was können wir in Zeiten der Traurigkeit für uns tun?

1.    Zunächst einmal ist es wichtig uns einzugestehen, dass wir traurig sind. Es ist richtig und wichtig zu trauern und unsere Emotionen da sein zu lassen. Unterdrücken wir  sie kommen irgendwann wieder hoch und der Verarbeitungsprozess verlängert sich.

2.    Traurigkeit kann schnell zu Einsamkeit führen. Sich eine Zeitlang zurückzuziehen ist heilsam, aber sich dauerhaft zu isolieren, auch wenn uns danach ist, ist nicht hilfreich. Deshalb sollten wir uns mit den Menschen austauschen mit denen wir uns gut fühlen und die uns das Gefühl geben, dass sie es gut mit uns meinen. 

3.    Wer solche Menschen in seinem Leben nicht hat, muss wohl oder übel selbst für sich sorgen und das bedeutet auch: aktiv werden. Das braucht aber die Bereitschaft es auch zu tun. Was, wenn man so richtig traurig ist zugegebenermaßen keine leichte Übung ist. Aber eben hilfreich und das sollten wir uns bewusst machen. Das gelingt wenn wir uns immer wieder bewusst die Frage stellen: Was ist jetzt hilfreich für mich, damit ich mich besser fühle?

4.    Also wenn uns die Decke auf den Kopf fällt und die Wände der Wohnung immer näher auf uns zu rücken, nichts wir raus an die frische Luft. Jeden Tag wenigstens ein zwanzigminütiger Spaziergang kann Wunder wirken. Im Wald, im Park oder in einem Stadtteil, den wir noch nicht kennen und bewusst erforschen.

5.    Sport machen ist immer gut. Wenn wir uns bewegen wird das Glückshormon Serotonin ausgeschüttet.  

6.    Kunst. 
     Mich hat die Kunst immer über Trauerphasen getragen. Und dabei ist es egal ob wir sie selbst machen, ins Museum gehen oder eine Ausstellung besuchen. Auch Filme oder Biografien über Künstler, die ja meistens alles andere als ein leichtes Leben hatten, können uns Kraft und neuen Mut schenken. 

7.    Natürlich Musik. 
     Egal in welcher Stimmung wir sind, mit Musik können wir viel erreichen. Sie hat therapeutischen Wert. Besonders heilsam ist Barockmusik.
Klassische Musik beruhigt das Herz und besänftigt die Seele. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Kantaten Johann Sebastian Bachs Blutdruck und Herzfrequenz in ähnlicher Weise senken wie Medikamente.

8.    Schreiben. 
     Schreib es dir von der Seele! 
     Es hilft ungemein, das weiß ich aus eigener Erfahrung und aus den Berichten meiner Klienten. Schreiben hat eine erwiesenermaßen therapeutische Wirkung. 
     Schreiben ist nicht gleich schreiben. Für manche ist ein Tagebuch die richtige Form, andere schreiben lieber Biografisches, wieder andere Gedichte oder Briefe, die sie nicht abschicken. Schreiben heilt. Es hilft Unausgesprochenes loszuwerden und Verdrängtes nach oben zu holen. In Krisen ist ein Tagebuch unser bester Freund. Schreiben, nutzen wir es als tägliches Ritual gibt uns Orientierung, Halt und das Gefühl, aktiv etwas tun zu können.

Wer regelmäßig schreibt ist sehr bei sich selbst. Er bekommt ein Gefühl für sich selbst, das ihn auch in schweren Zeiten trägt.

"Das geschriebene Wort erweist sich als vorzügliches Medium dafür, in der Formulierung Form für sich und das Leben zu finden. Die Buchstaben, das Papier, das beschriftet wird, auch der Bildschirm, auf dem die Buchstaben zu Wörtern werden, wird zum Spiegel, in den das Selbst blickt, und das Spiegelbild wirkt zurück auf das Selbst. So der Philosoph Wilhelm Schmid in seinen Buch "Mit sich selbst befreundet sein". 
Er hat Recht.

Und schließlich geht es genau darum – uns in unserer Trauer selbst beruhigen und helfen zu können um eine neue Form für unser Leben nach dem Verlust  zu finden.
In jedem Falle ist es wichtig unserer Trauer Raum zu geben. Sie auszudrücken, denn was sich nicht ausdrückt, drückt sich ein. Jede Form des Ausdrucks, den wir für unsere Traurigkeit finden ist hilfreich. Trauer braucht Aufmerksamkeit, nur so kann Heilung geschehen.

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