Mittwoch, 7. November 2018
Verantwortung
Heute morgen dachte ich an diesen Text aus dem kleinen Prinzen. Für mich ist er die schönste und tiefste Stelle des Buches.
"Adieu", sagte der Fuchs. "Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
"Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
"Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig."
"Die Zeit, die ich für meine Rose verloren habe ...", sagte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
"Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen", sagte der Fuchs. "Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich ..."
"Ich bin für meine Rose verantwortlich ...", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
Was ist Verantwortung? Was bedeutet es, Verantwortung zu haben bzw. zu übernehmen? Und, gegenüber wem oder für was haben wir Verantwortung?
Verantwortung ist ein großes Wort. Und manche wissen gar nicht was Verantwortung bedeutet und wo sie beginnt. Verantwortung beginnt bei uns selbst und zwar mit der Selbstverantwortung. Diese zu übernehmen bedeutet: Wir sind aufgerufen in jedem Moment neu zu entscheiden das Notwendige zu tun, was für unser Wohl gut ist und anderen kein Schaden zufügt. Wir fragen uns bei unseren Entscheidungen: Will ich in Frieden leben oder im Krieg?
Wer verantwortungsvoll ist weiß, dass jede noch so kleine Handlung eine Folge hat, er weiß, dass heilsame Handlungen Gutes erzeugen und unheilvolle Handlungen zu Leid führen, bei sich selbst und im Leben der anderen.
Er ist sich des Prinzips von Ursache und Wirkung bewusst. Er weiß: Meine Freiheit endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Er weiß, ungehindert und kopflos seinen Bedürfnissen nachzugehen, ohne Rücksicht auf den Schaden, den sie möglicherweise anrichten können, ist verantwortungslos, sich selbst und denen gegenüber, die er liebt und die sich ihm anvertraut haben.
Wir Menschen haben in jeder Situation die Möglichkeit, zu wählen und Entscheidungen zu treffen. Je mehr Einsicht, Klarheit, Mitgefühl und Achtsamkeit wir besitzen, umso größer ist der Raum unser Leben selbst zu gestalten. Unser Denken und Handeln bestimmt unser Jetzt, unsere Beziehungen und unsere Zukunft. Wir haben jeden Tag aufs Neue die Wahl zwischen einem ethisch korrekten und einem ethisch bedenklichen Leben. Wir können entscheiden was gut und was ungut ist, für uns selbst und die Menschen mit denen wir verbunden sind. Alles ist eins. Jede Handlung zieht Kreise über uns selbst hinaus, vom Kleinen ins Große. Das zu wissen bedeutet sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein.
Manchmal vergessen wir diese Verantwortung, vielleicht weil wir verletzt wurden oder weil wir nie gelernt haben Verantwortung zu übernehmen. Dann machen wir Fehler, die leidvolle Folgen haben, für uns selbst und/oder andere.
Wir alle machen Fehler. Das ist menschlich. Wir alle haben unsere Schwächen und keiner von uns ist perfekt. Und auch das zu erkennen und unsere Fehler so gut wie es geht zu korrigieren bedeutet: Wir übernehmen Verantwortung. Wir sehen unseren Anteil an Ungutem was geschehen ist, wir zeigen Einsicht, Mitgefühl und Reue und machen es künftig besser.
Verantwortung ist für manche Menschen zu groß um sie zu leben.
Wie leicht schleichen sich diese Menschen aus der Verantwortung. Sie werfen sie ab wie ein zu eng gewordenes Kleidungsstück, das sie am Verfolgen ihrer eigenen Bedürfnisse und Triebe hindert.
Warum können Menschen das tun?
Sie können es tun, weil ihre eigene Bedürfnisse, Interessen, Triebe oder Süchte im Zentrum ihres Wollens stehen. Sie sind weitgehend frei von Mitgefühl und moralischen Werten. Verantwortungslos, ohne Rücksicht auf die Folgen ihres Handelns folgen sie ihren Impulsen. Sie reden es sich vielleicht sogar noch schön was sie tun und sie haben Argumente dafür, dass sie so handeln wie sie handeln. Sie geben anderen die Schuld an ihrem Handeln und sprechen sich frei von der eigenen Verantwortung. Sie sehen sich als Opfer der Umstände, als Opfer einer unguten Kindheit, als Opfer anderer, die nicht für sie da sind oder sie nicht genügend unterstützen.
Wir alle tun das irgendwann. Wir alle wünschen uns in schwachen Momenten jemanden, der die Verantwortung für uns (mit) übernimmt, so wie der kleine Prinz sie für seine Rose übernommen hat, weil sie ihm (an)vertraut wurde. Es ist dieses hilflose verletzte Kind in uns, dass sich so sehr nach einem anderen sehnt, der es für es gut macht, der es hält und trägt und es vor sich selbst schützt, vor Unglück und Leid und dem Leben da draußen. Ach, ich verstehe dieses Kind gut. Aber ich weiß auch, wir sind heute keine Kinder mehr. Wir sind auf uns selbst gestellt, wir sind es auch, wenn wir einen Gefährten haben und eine Familie, die uns umgibt. Wir sind für uns selbst verantwortlich, ob wir das wollen oder nicht.
Was Verantwortung ist lernen wir, wir lernen es von den Menschen, die uns das Leben geschenkt haben.
Wir lernen es, wenn wir verantwortungsbewusste Vorbilder hatten. Manche von uns hatten sie nicht. Dann dürfen wir Verantwortung lernen. Wir lernen sie aber nur dann, wenn wir die Bereitschaft dazu haben und alle damit verbundenen Konsequenzen zu tragen bereit sind.
Verantwortung ist ein großes Wort. Sie zu leben erfordert Größe, von dem, der bereit ist sie zu übernehmen und sie zu tragen. Weigern wir uns aber beharrlich das zu tun antwortet das Leben auf unsere Weigerung.
Die Konsequenz, mit der das Leben uns Menschen zur Verantwortung zieht, ist immer konstruktiv, auch wenn sie bisweilen schmerzhaft ist. Das Leben stellt uns immer vor die Wahl. Wir können wählen, ob wir Verantwortung übernehmen, ob wir die Verantwortung zu umgehen versuchen oder sie anderen in die Schuhe schieben. Übernehmen wir die Verantwortung wird das Leben uns belohnen. Umgehen wir sie, wird das Leben uns vor Aufgaben stellen, die schwerer zu lösen sind.
Namaste
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