Sonntag, 18. März 2018
Vom Umgang mit dem inneren Kritiker
Selbstvertrauen ist die Basis für ein gewisses Maß an innerem Frieden und die Fähigkeit ein selbstbestimmtes Leben zu gestalten. Wer sich selbst nicht vertraut, ist mit sich selbst nicht einig, er ist innerlich zerrissen, er hat kein Vertrauen in das Leben und nicht in andere. Ohne uns selbst zu vertrauen leben wir in einem ständigen inneren Kampf, der nichts anderes ist als der Widerstand gegen unser Selbst, das nie gelernt hat sich wertzuschätzen, aber es doch will.
Die größte Angst eines Menschen, der sich selbst nicht vertraut, ist die Angst vor sich selbst.
Hirnforscher haben herausgefunden, dass bei Menschen mit geringem Selbstvertrauen der Mandelkern, die Gehirnregion, die man auch Angstzentrum nennt, besonders aktiv ist. Diese Menschen wittern überall Gefahren, selbst dort, wo keine sind. Mangelndes Selbstvertrauen, basierend auf mangelndem Selbstbewusstsein, so die gängige Lehrmeinung, können Kinder bereits mit zweieinhalb Jahren entwickeln. Mit fünf ist die Ausbildung des Selbstwertgefühls größtenteils abgeschlossen, bis zum 20. Lebensjahr erfolgt nur noch die Feinabstimmung.
Ein geringes Selbstvertrauen ist uns nicht in die Wiege gelegt, es ist erworben, d.h. erlernt. Niemand kommt mit einem geringen Selbstvertrauen auf die Welt. Wenn wir uns nichts zutrauen, unsicher und gehemmt sind, dann deshalb, weil wir schon als Kind Erfahrungen gemacht haben, die in uns das Gefühl hinterlassen haben, dass mit uns etwas nicht stimmt, dass wir nicht okay sind, so wie wir sind.
Diese Erfahrungen sind der Grund dafür, dass wir bis ins Erwachsenenalter eine Stimme in uns tragen, die nie ein gutes Wort für uns übrig hat. Wir leben mit einem inneren Kritiker, der unser Selbstwertgefühl ständig angreift und vernichten will, einem Fremden in uns, der uns auf eine subtile Weise beherrscht und nur ein Ziel hat - uns von unserem wahren Wesenskern abzuschneiden.
Die Stimme dieses inneren Kritikers klingt so laut, so unfehlbar, so mächtig und wahr, als käme sie direkt von Gott. Sie beeinflusst unsere Gefühle, unsere Gedanken und damit unsere Handlungen. Oft sind wir uns dieser Stimme nicht einmal bewusst. Aber bewusst oder unbewusst, sie schafft es uns zu fragmentieren und klein zu machen, wo und wann immer es geht. Sie schafft es uns Dinge zu verbieten, die wir uns wünschen, sie schafft es uns zu demontieren bevor wir uns überhaupt aufrichten, sie schafft es uns anzutreiben wo wir längst hundemüde sind und sie schafft es uns unser inneres Licht zu verdunkeln, das leuchten will. Der innere Kritiker ist so alt wie unser Bewusstsein über uns selbst, das sich in den ersten Lebensjahren gebildet hat. Dieses Bewusstsein unserer selbst wurde uns eingepflanzt von den ersten Menschen in unserem Leben, die uns unbewusst oder bewusst ständig auf unsere Schwächen aufmerksam gemacht und/oder uns mit vernichtenden Worten und abweisendem, lieblosen Verhalten bestraft haben, wenn wir nicht so waren, wie sie es von uns erwartet haben.
Nicht wir konnten entscheiden, andere haben für uns entschieden und damit die Basis gelegt, dafür wie wir uns mit uns selbst und dem Leben fühlen, was wir über uns denken und was wir über uns und das Leben glauben. Sie haben den Nährboden bereitet für das Nichtwissen, was wir wirklich fühlen und fühlen dürfen, was wir wollen und wer wir im tiefsten Kern unseres Wesens sind. Und wir haben ihnen geglaubt, weil sie die Großen waren und wir klein und nicht fähig zu unterscheiden was wahr ist und was nicht. Diese innere Mutter und dieser innere Vater leben seither in unserer Seele und - waren sie nicht für uns, sind wir es auch nicht.
Es ist unvorstellbar wie sehr Menschen sogar noch im höheren Alter von diesen inneren Eltern gegängelt, gemaßregelt, angetrieben und unterdrückt werden. Wie sie Überzeugungen folgen, die nicht die Ihren sind obgleich sie spüren, dass diese Überzeugungen weder förderlich noch hilfreich für ihr Leben sind. Und auch wenn sie lernen diese Überzeugungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und feststellen, dass diese höchst destruktiv sind – iher Gefühle ändern sich dadurch nicht. Immer ist da dieser Zweifel, dieser kindliche Glaube, die könnten ja doch Recht haben mit dem was sie mir über mich zu denken beigebracht haben.
Was man uns eingepflanzt hat sitzt. Es sitzt so tief, dass es ein wahrhaft schweres Unterfangen ist uns von all dem Mist, der uns am Leben hindert, zu befreien. Es ist Arbeit, tägliche Arbeit an uns selbst diese schädlichen Überzeugungen und tief verinnerlichten Glaubenssätze jedes Mal wenn sie uns wieder das Leben schwer machen wollen, zu überprüfen ob sie hilfreich für uns sind oder nicht. Dazu braucht es Disziplin, Geduld und ein hohes Maß an Hartnäckigkeit, das nur wenige Menschen aufzubringen bereit sind. Aber es lohnt sich ihm jedes Mal, wenn sich der innere Kritiker aufbläst mit einem: „Woher willst du das wissen?“ oder einem: „Das ist nicht hilfreich!“ die Luft abzulassen. Der Lohn dieser Arbeit ist auf lange Sicht eine wachsende innere Freiheit, die uns ganz nebenbei das Geschenk des Selbstvertrauens macht. Und mit der Zeit lernen wir wer wir sind.
Wissen wer man ist - dazu gehört vor allem sich selbst vertrauen und "ja" zu sagen zu dem, was uns ausmacht. Dazu gehört auch – „ja“ sagen, zu jedem einzelnen der vielen Teile, die in uns hausen. „Ja“ zu sagen auch zum inneren Kritiker und vor allem - ihn ausfindig zu machen, ihn zu identifizieren, ihm ein Gesicht zu geben, damit sein dubioses machtvolles Wesen entlarvt wird und ans Licht kommt, denn da muss er hin, damit wir uns von ihm distanzieren können. Wir müssen ihn mit all seinen Tricks kennen lernen um ihn in die Schranken zu weisen, diesen fremden Bewohner, der in unserem Haus lebt. Wer mag schon Fremde in der eigenen Stube, die einen beherrschen und das Leben und unsere Beziehungen vergiften, vor allem, die zu uns selbst?
Wenn wir unser Selbstvertrauen steigern möchten, ist es unabdingbar, der negativen Stimme in uns etwas Kraftvolles entgegenzusetzen, das sie hinterfragt und dann in ihre Schranken weist. Wie gesagt, einfach ist das nicht, denn was uns als Kind eingepflanzt wurde, ist mit uns verwachsen. Auch wenn wir es immer wieder herausreißen, es wächst nach wie Unkraut. Die Arbeit mit diesem Unkraut ist wie die Gartenarbeit. Sie hört nicht auf. Kümmern wir uns nicht ständig um unseren Garten, wird er vom Unkraut überwuchert.
Lassen wir uns aber von Zweifeln beherrschen werden wir uns jeden Tag fragen – soll, will ich meinen Garten pflegen oder nicht? Und wir werden es im Zweifel nicht tun, je nachdem welcher Stimme in uns wir folgen. Erkennen wir den Grund der Zweifel an uns selbst werden wir unterscheiden lernen, wann der innere Kritiker uns davon abhält und wir werden ihn dorthin verbannen wo er hingehört - zu denen, die ihn uns eingepflanzt haben und zu ihm sagen: „Ich stehe dir nicht mehr zur Verfügung, ich habe Besseres zu tun: Ich kümmere mich um meinen Garten, damit er blüht.“
Ich danke einer lieben Klientin für die Zeichnung des aufgeblasenen Möchtegern Besserwissers, die mir die Erlaubnis gab ihn hier zu veröffentlichen.
Namaste Ihr Lieben
Angelika Wende
www.wende-praxis.de
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